Mitarbeiter/Firma

Doppelkekse

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Die Ursache war beiläufig und ohne Forderungen. Antonia hatte mir pflichteifrig an einem Morgen eine Tasse Kaffee gebracht. Das war sehr nett und ich war mit ihrer diesbezüglichen Leistung auch vollumfänglich zufrieden.
Als Antonia das nächste Mal in mein Büro schaute, hatte sie eine Kaffeekanne dabei und wollte mir Kaffee nachschenken.
Ich hatte jedoch erst einmal an der Tasse genippt, weil der Kaffee noch so heiß war.

„Chef, schmeckt Ihnen mein Kaffee nicht?“

„Doch, doch, Antonia, der ist sehr gut.“

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„Aber Sie haben doch noch gar nichts getrunken, gell, der schmeckt Ihnen nicht?“

„Doch wirklich, Du kannst beruhigt sein, ich habe selten einen so guten Kaffee getrunken, sehr lecker!“

Sie bekam so skeptische Grübchen in ihren Wangen, als sie ungläubig den Mund spitzte. Und es muß ungeheuer schwierig sein, in den dicken Pausbacken Grübchen zustande zu bringen!
Ich meine, da wölbt sich durch den Körperinnendruck, um jetzt mal das Wort Fett völlig zu vermeiden, alles kraftvoll nach außen und wenn da die Mitte der Grübchen sich nach innen wölben, dann muss das einfach anstrengend sein, oder?

„Warum schmeckt der Ihnen denn nicht?“

„Mensch, Antonia, ich sach doch, der ist gut!“ betonte ich nochmals und holte demonstrativ eine Packung Doppelkekse aus der Schublade, entnahm ihr einen Keks und wollte ihn eintunken. Nun haben wir ja ausschließlich für uns diese Bechertassen und bei diesen Bechertassen gibt es welche, deren Querschnitt das problemlose Einführen eines Doppelkekses ermöglicht und solche, die ein wenig enger gestaltet sind und in die man nur einen Butterkeks eintunken kann.
Diese Tasse hier war eine von der Sorte, in die Doppelkekse, also diese runden gelöcherten Kekse mit der unnötigen Schokoladencremefüllung dazwischen, nicht hineinpassen.

Ganz beiläufig sagte ich: „Ach, Antonia, wenn ich das nächste Mal eine Tasse bekomme, dann hätte ich am liebsten eine von den grünen oder von denen mit den Bestatterweblog-Motiven, die sind groß genug für Doppelkekse.“

„Hm“, machte Antonia nur und das war’s.

Die Sache war für mich erledigt und ich hatte sie auch sofort wieder vergessen.

Nun sind es gerade solche Beiläufig- und Nebensächlichkeiten, die in Frauen aufgehen, wie Saatgut in einem frischen, warmen Frühlingsregen. Da wird aus einem kaum erkennbaren Nichts in Windeseile die Palme des Schreckens, oder so.

Jedenfalls muß Antonia sofort den anderen Damen im Büro davon berichtet haben. Frau Büser sagte so etwas wie: „Wie kannst Du nur? Der Chef will immer große Tassen!“ Was überhaupt nicht den Tatsachen entsprach, denn ich möchte einfach nur diese Kaffeebecher mit Henkel und habe keine weiteren Ansprüche daran, außer das vielleicht ein Doppelkeks reingetunkt werden kann.
Aber Frau Büser musste ja zeigen, dass sie mich natürlich viel besser und viel länger kennt, als Antonia und klärte sie in der Hinsicht auf, dass der Chef schon immer ganz besonders große Tassen geliebt habe.
In Folge dessen wurde in der Kaffeeküche ein laminierter Zettel in den Schrank gehängt:

„CHEF! EXTRAGROSSE TASSE!“

Am nächsten Morgen bekam ich dann die größte Tasse im Schrank, die ist etwa anderthalb mal so groß wie die anderen, aber noch gut handhabbar. Da ich immer mal wieder eine andere Tasse bekomme, dachte ich mir nichts dabei und nahm an, es sei eben diese größere Tasse an der Reihe oder frei gewesen oder so.

Nun ruft also Antonia auch noch meine Frau oben in der Wohnung an, ob es denn wahr sei, daß ich immer so morgens den Kaffee quasi aus Putzeimern trinke…
Das habe sie zwar noch nie gesehen, sagte meine Frau, aber es stimme, ich hätte mir mal auf dem Weihnachtsmarkt so eine Riesentasse gekauft, in die gut ein halber Liter Kaffee passe.

Jetzt sollte ich aber unbedingt erzählen, daß es sich dabei nicht in erster Linie um eine Tasse handelte, sondern daß diese Tasse mit Wachs und Docht gefüllt und ursprünglich als Kerze gedacht war, die lustigerweise außenherum in einer Tasse steckte, einer überdimensionalen, innen aber sehr rauen Steinguttasse.
Dieses Erzeugnis hessischer Handwerkskunst hatte überdies einen dicken, nach außen gewölbten Rand, der ein kleckerfreies Trinken vollkommen unmöglich machte, es sei denn man hätte eine außergewöhnlich dicke, vorgewölbte Unterlippe und ein Maul von der Breite eines Scheunentores.
So einen Mund hat niemand.
Obwohl, ich war neulich mal im Vogelsbergkreis und musste feststellen, daß es dort dann doch einige Prachtexemplare hessischen Geblütes gibt, die ebensolche Mäuler hatten… Aber das nur nebenbei.

Ha!“ sagte Antonia, als meine Frau die Hessentasse zu Demonstrationszwecken den anderen Damen im Büro vorführte: „Hab ich’s doch gewusst!“
Also wurde dieser Henkeleimer gespült und mir dann am nächsten Morgen mit Kaffee gefüllt hingestellt.
Ich habe nichts dazu gesagt, wunderte mich aber schon. Nur, wie Männer eben so sind, pffft, es wird halt keine andere sauber gewesen sein…
Das Trinken war dann aber doch etwas mühselig. Das Ding wiegt ja mit Kaffee so ungefähr ein Kilo und so sehr ich meinen Unterkiefer auch vorschob und die Lippen breit zog, es war mir nahezu unmöglich, aus dem Hessenbembel Kaffee zu trinken.

„Der spinnt ja, der Chef, daß der jetzt immer größere Tassen will!“ hieß es bald schon vorne im Büro und ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, ich wollte doch einfach nur einen Doppelkeks eintunken können.

„Da müssen wir halt mal in irgendeinen von diesen Ramschläden fahren, die haben doch oft so außergewöhnliche Sachen“, schlug Sandy vor und in der Mittagspause besorgten die Frauen eine rote Henkeltasse mit 2 Liter Fassungsvermögen.

„Also, so geht das nicht weiter“, maulte Antonia am nächsten Morgen. „Da muss ich ja alleine für den Chef schon zwei Kannen Kaffee kochen.“

Als sie mir an diesem Morgen diese große rote 2-Liter-Tasse brachte, standen Sandy und Frau Büser erwartungsvoll an der Tür und wollten meine Reaktion sehen.
Jetzt hatte ich aber gedacht, die Damen wollten einen Scherz mit mir treiben und sehen, wie ich mich über diese große Tasse aufrege.
Deshalb unterdrückte ich meine Verwunderung, nahm unter Aufbietung aller Kraft im Handgelenk die Tasse ganz beiläufig und nippte daran und sagte wiederum sehr beiläufig: „Lecker, Antonia.“

„Siehste, der hat nur lecker gesagt, sonst nix“, tuschelten die Frauen anschließend im Büro. „Der hat doch voll den Wahn mit seinen großen Tassen, dem kann es ja gar nicht groß genug sein. Also, ich möcht‘ ja doch mal wissen, was in den gefahren ist.“

Gestern Morgen kamen die Damen zu Dritt in mein Büro und schleppten auf einem Tablett eine Art Pisspott herein, in dem knapp 5 Liter Kaffee schwappten.

Ich lehnte mich mit offenem Mund in meinem Sessel zurück und fragte nur: „Sagt mal, wollt ihr eigentlich, daß ich im Kaffee bade oder was?“

Das Gezeter hätte man aufnehmen sollen!
Ich sei es doch gewesen, der immer größere Trinkgefäße verlangt hätte, das könne sogar meine Frau bestätigen. Erst sorge ich dafür, daß sie den halben Morgen mit der Zubereitung von Kaffee verbringen müssten und dann sei ich auch noch so undankbar. Kein normaler Mensch wolle so große Tassen, das sei ja allein meine Spinnerei und auf so eine Scheißidee kämen sowieso nur Männer. Immer alles wollen und dann mit nix zufrieden sein…“

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(©si)