Bei den heißen Temperaturen, die gerade herrschen, rächte es sich, wenn man auf dem Friedhof Gräber mit Pflanzen hat, die mit Wasser versorgt sind. Wohl dem, der einen Grabpflege- und Gießvertrag mit einem Friedhofsgärtner abgeschlossen hat.
Dann fährt der Gärtner nämlich regelmäßig mit einem kleinen Traktor und einem Wassertank vorbei und gießt alles. Ansonsten heißt es: In der Hitze zum Friedhof dackeln und selbst Wasser schleppen. Kein Vergnügen!
Vorne am Eingang hat die Gemeindeverwaltung ein Gestellt aufgebaut, an dem Gießkannen aus Plastik hängen. Sie sind mit den gleichen Schlössern dort befestigt, die man von Einkaufswagen kennt, und man muss einen Euro als Pfand einstecken, um sich eine Gießkanne ausleihen zu können.
Das hält aber viele Leute nicht davon ab, ihre eigene Gießkanne mitzubringen oder auf dem Friedhof hinterm Grabstein zu deponieren. Es erschließt sich mir nicht, warum die Leute das machen. Die angebotenen Kannen erfüllen ihren Zweck, und eine eigene Kanne bringt doch keinen Vorteil. Auch den Pfand-Euro bekommt man doch zurück.
Ich sitze auf dem Friedhof unter einem schattenspendenden Baum und warte auf Tante Lina. Sie hatte mich gebeten, sie zum Friedhof zu fahren, weil sie ihren Günther begießen will. Kein Argument in der Welt hatte sie davon abbringen können, das ausgerechnet am Nachmittag zu tun, wenn die Hitze am größten ist.
Beim Gießen habe ich ihr noch geholfen, als sie aber eine alte Bekannte traf, habe ich mich unter den Baum verzogen. Wenn die Tante nämlich mit mir spricht, versucht sie so etwas wie ein verständliches Deutsch zu sprechen. Treffen hingegen Eingeborene aufeinander, stehe ich daneben und kann aus dem Haschu-Muschu-Ämohl-Kanschu kein einzigen sinngebendes Wort heraushören. Es ist kein Dialekt, es ist vielmehr eine Kakophonie genuschelter und gelispelter Laute, breitmäulig vorgetragen und mit einem gewissen Singsang in der Satzmelodie.
Die Tante und ihre Bekannte waren aufeinandergetroffen und der Dialog entspannte sich zunächst wie folgt:
„Ah! Wie?“
„Hajo.“
„Alla da, un sunscht?“
Das bedeutet auf Hochdeutsch:
„Ach, wie schön, dass ich Dich treffe, wir haben uns ja ewig nicht gesehen, wie geht es Dir denn?“
„Mir geht es soweit gut. Aber Du weißt es ja selbst, das Alter macht mir zu schaffen und ich habe dicke Füße und schwitze wie ein Schwein.“
„So geht’s mir auch, ich kann das sehr gut nachvollziehen. Und wie geht es Dir sonst? Wie geht es Deinen Kindern? Lebt Deine Mutter noch?“
(Nein, ich gebe es zu, so ist es mir eher früher ergangen. Inzwischen lebe ich über 40 Jahre unter den Eingeborenen am Ufer des Neckars und verstehe sie nicht nur, mir gelingt es sogar, dieses Kauderwelsch so täuschend echt nachzuahmen, dass sie mich für einen betrunkenen Kanadier oder so halten.)
Wie dem auch sei. Die Friedhofsverwaltung musste in ihrer Friedhofsordnung einen Passus aufnehmen, der das Bunkern von Gießkannen und Gartengeräten hinter den Grabsteinen untersagt. Denn die von vorne zwar verborgenen Gegenstände stören die Optik des Grabbesuchers vor dem Grab zwar nicht, sind aber den Besuchern der Reihe dahinter ein Dorn im Auge. Sie blicken immer auf das Gerümpel.
Ich gebe hier mal wieder, was die Leute so sagen:
„Das ist mein gutes Wasser aus meiner Regentonne“, sagt einer, der so blöd ist, bei dieser Hitze nicht nur eine Gießkanne von zu Hause mitzuschleppen, sondern in dieser auch noch 10 Liter Wasser von daheim mitzubringen. Die schleppt er drei Kilometer weit durch den ganzen Ort.
„Ich schmeiße denen doch nicht mein sauer verdientes Geld in den Rachen“, sagt ein anderer Herr, der sich weigert, 1 Euro Pfand für eine der Leihkannen zu „opfern“. Dass er das Geld zurückbekäme, ist für ihn kein Argument. „Abzocke, uns Rentner wollen sie abzocken!“
„Die haben hier nur blaue und grüne Kannen, mein Hans liebte aber Gelb. Das was seine Lieblingsfarbe. Deshalb bringe ich meine eigene Kanne mit.“
„Bei den Leihkannen weiß man ja nie, wer die vorher schon alles in der Hand hatte. Da kann man sich ja werweißwas holen.“
„In die großen Leihkannen gehen 10 Liter rein, das ist mir zu schwer. Da bringe ich lieber meine kleine 5-Liter-Kanne von zu Hause mit.“
„Ich bin doch kein Sozialhilfeempfänger, der so eine öffentliche Kanne braucht. Ich kann mir meine eigene leisten.“
„Man muss auch an die Umwelt denken. Die Kannen sind alle aus Plastik. Ich bringe meine nachhaltige Blechkanne mit.“
„Ich setze zu Hause eine Brühe aus meinem Urin und Brennnesseln an, die bringe ich in meiner Kanne mit. Man muss den Mittelstrahl nehmen!“
„Auf meiner Kanne sind lustige Sonnenblumen drauf, da macht das Gärtnern viel mehr Spaß.“
„Das ist mein Grab, dafür habe ich bezahlt, da lege ich hinter den Grabstein, was mir passt.“
„Ich muss dreimal die Woche gießen. Wenn ich mal tot bin, wird meine Nichte aus Regensburg das übernehmen. Die erbt ja auch alles.“
„Ein pflegeleichtes Grab oder ein Gärtner kommen nicht in Frage, was sollen die Leute denken? Nein, ich komme alle zwei Tage mit dem Taxi her.“
„Da liegen schon meine Großeltern drin. Ich komme seit 60 Jahren jeden zweiten Tag zur Grabpflege her.“
11.000 mal ist die Frau, die den letzten Satz gesagt hat, also schon zum Gärtnern auf dem Friedhof gewesen. Natürlich geht sie da nicht nur zum Arbeiten hin, sondern auch, um ihrer Verstorbenen zu gedenken und vor allem, um Leute zu treffen und Gespräche zu führen. Der Friedhof ist ja auch eine kleine Parkanlage und mancher Friedhof ist eine Oase der Ruhe, die zum Verweilen und Erholen einlädt.
Aber 11.000 mal? Ich bin froh, dass wir damals auf das Grab meiner Eltern eine große Platte haben machen lassen. Ein paar Mal im Jahr sind wir hingegangen und haben etwas sauber gemacht. Uns hat das gereicht.
Damals waren übrigens noch Faltkannen modern. Ältere Damen hatten so etwas in ihren großen Handtaschen. Ein Beutel aus stabilem Material, mit Henkel und Ausgießer. Den konnte man klein zusammenfalten und bei Bedarf in eine 5 Liter fassende Gießkanne verwandeln. Manche hatten die Faltgießkanne immer dabeo, immer!
Bildquellen:
- giesskannen-1: Peter Wilhelm
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Neulich war ich auf dem Friedhof und bin dort auf eine alte Bekannte getroffen.
Sie war gerade dabei die Blumen auf dem Grab zu gießen. In der Hand eine Leih-Gießkanne des Friedhofs – mit Latexhandschuhen an beiden Händen. Sie hat mir dann erklärt, dass sie sich ekeln würde, weil die Gießkanne von so vielen Menschen angefasst wird.
Ich finds ja total übertrieben, zumal sie sich danach am Brunnen die Hände waschen könnte. Nun ja….