Schreinermeister Markus Boll ist mir ganz gut bekannt. Er ist noch ein ganz junger Meister, aber sehr rührig, wie man so sagt. Ich hatte ja immer gedacht, ein Kochlöffel wäre rührig, aber offensichtlich trifft das auf Markus Boll auch zu. In seinem Beruf ist er ein Hansdampf in allen Gassen und man sieht einen seiner drei Transporter immer irgendwo in unserem Ort stehen. Die kleine Firma macht Holztreppenhäuser, renoviert Türen, Fenster und Holzbalkone und so kam Boll auch zu uns ins Haus, als meine Frau mich vehement drängte, etwas gegen drei quietschende Stufen zu unternehmen.
Ich wollte ja ursprünglich in den Baumarkt fahren und dann selbst ans Werk gehen und hatte mir schon einen Samstagvormittag reserviert, um mich mit den notwendigen neuen Gerätschaften und Materialien zu versorgen. Ängstlich klammerten sich meine Kinder an die Rockzipfel ihrer Mutter und wimmerten: „Mama, mach was, Papa will es wieder tun!“
Welch Schlangenbrut nähre ich an meiner Brust!
Ich wäre aber nicht der Mann im Haus, würde ich mich in solchen Fällen nicht durchsetzen. So kam es, daß am folgenden Montag Schreinermeister Markus Boll zu uns kam, die betroffenen Stufen reparierte und ich 165 Euro dafür bezahlte.
Anschließend kamen wir etwas ins Gespräch, Boll wollte gerne einmal unsere Werkstatt sehen und zeigte sich sehr beeindruckt. Insbesondere das Sarglager faszinierte ihn und er schaute sich die Särge sehr genau an.
Das ist jetzt etwa anderthalb Jahre her und erst gestern bin ich wieder auf Boll aufmerksam geworden, da stand er nämlich mit Sterbepapieren in der Hand bei uns im Büro. Seine Oma ist im gesegneten Alter von 95 Jahren gestorben und solle nun abgeholt werden.
Allerdings bräuchten wir keinen Sarg mitbringen, den habe er selbst gemacht.
Wenn ich so etwas höre, bin ich immer etwas skeptisch, denn das ist so unter Kunden eine der am meisten vorgetragenen Ideen: „Kann man so einen Sarg nicht selbst machen? Ich hab doch auch noch soviel Bretter im Keller.“
Natürlich ist das meistens ein Spaß, aber theoretisch wäre das selbstverständlich kein Problem, wenn die angefertigte Kiste den üblichen Bestimmungen entspricht. Die Maße müssen stimmen, dicht muß sie sein, aus Vollholz, Griffe muß sie haben und Füße.
Früher haben immer die örtlichen Schreiner die Särge gemacht und ich weiß, daß an mancher Berufsschule auch heute noch über diesen Bereich gesprochen wird. Praktisch sieht es aber so aus, daß Särge heute aus großen Fabriken kommen und es viel zu teuer wäre, das von einem kleinen Meisterbetrieb machen zu lassen.
Bei Boll ist das etwas anderes, er hat sich Unterlagen besorgt und eine Woche lang nebenher geschreinert.
Seine Großmutter haben wir mit der Trage geholt und dann bin ich mitgefahren um den Sarg zu holen, der noch ausgestattet werden soll. Auf den ersten Blick sieht der Sarg aus wie ein Designersarg. Der Unterkasten ist vollkommen gerade und rechteckig, das Oberteil gewölbt und paßgenau. Statt Griffen hat Boll vier Stücke von einem dicken Tau montiert und den Deckel mit vier Schrauben mit einer goldfarbenen Zierkugel verschlossen. Sehr saubere Arbeit. „Birne“, sagt Boll stolz und streicht über das schön gemaserte Holz. „Furnier?“ frage ich, er nickt.
Nun gut, wir werden uns den Sarg im Betrieb mal näher anschauen, auf den ersten Blick ist nichts daran auszusetzen.
Mein Fahrer macht die Heckklappe des Bestattungswagens auf und wir wollen den Sarg einladen. Ich gehe an das eine Ende, der Fahrer an das andere. Dann wollen wir den Sarg hochheben, doch er scheint auf dem Fußboden festgeschraubt zu sein.
„Er ist etwas schwer“, sagt Boll und beginnt die Deckelschrauben zu lösen, „Wir müssen Deckel und Unterteil getrennt tragen, dann geht’s.“
Als wir den Deckel zu Dritt abgenommen haben, sehe ich warum der Sarg so schwer ist. Die Wände sind sicher drei Zentimeter stark.
Wenig später ist der Sarg eingeladen. Ich will Boll nicht vor den Kopf stoßen, beim Einladen kullerte dicke Tränen über seine Wangen, in dem Sarg scheint sehr viel Herzblut zu stecken.
Wir werden das schon hinbekommen. Auf dem Friedhof wird der Sarg sowieso auf einem Sargwagen gefahren und ich werde ma mit dem Verwalter sprechen, damit er nicht nur vier, sondern sechs Sargträger besorgt, die die Truhe ins Grab lassen. Dann wird das schon gehen.
Schade, daß wir keine Waage haben, um das Ding wiegen zu können.
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Wunderbar geschrieben 🙂 Auch leicht rührig wie der Schreiner seiner Mutter einen Sarg zimmert, einfach eine schöne Geschichte. Danke!
Bei den örtlichen Raiffeisen- oder Landhandeln gibt es fast immer eine Waage für Trecker und andere Fahrzeuge. Das kostet nicht viel und da fährt man einmal voll und einmal leer drüber, dann ist das Gewicht ermittelt.
Das machen auch die Wohnwagenbesitzer, die anfangs noch nicht so drauf haben, wie schwer ihr Anhänger mit Geschirr, Zelt, Oma und anderen Klüngel so ist.
…..Ich wäre aber nicht der Mann im Haus, würde ich mich in solchen Fällen nicht durchsetzen. So kam es, daß am folgenden Montag Schreinermeister Markus Boll zu uns kam, die betroffenen Stufen reparierte und ich 165 Euro dafür bezahlte……
Da hat eindeutig eine andere Person die Hosen an 😀
Finde ich super von Dir, dass Du mit der Verwaltung sprichst. Wie Du geschrieben hast, steckt eine Menge Herzblut in dem Sarg.
Sich selbst ein bißchen auf den Arm zu nehmen ist hohe Kunst. Dir ist das mit den Treppenstufen bestens gelungen. Danke für den schönen Post
Sehr schön geschrieben. Ich denke, dass man bei Trauerfällen in der eigenen Familie gerne etwas beisteuern möchte, dass man von Berufswegen her ohnehin kann. Für mich war es als Grafiker selbstverständlich, dass ich die Trauerkarten gestalte, als mein Vater starb.
Ach Tom, was für eine schöne Geschichte.
Würde ich nicht soooooo weit wegwohnen, ich möchte auf jeden Fall, dass Dein Unternehmen gerufen wird, wenn ich mal nicht mehr bin… also so in etwa 35 Jahren vielleicht…
Mirella
Aha, du hast dich also durchgesetzt. Was hätte denn die Reparatur OHNE deine fachmännischen Eingriffe gekostet?
Ich erinnere mich da nämlich noch dunkel an ein selbstgereinigtes Klo…
Salat,
kichernd
Sehr schöne Geschichte!
Vielen Schreinern (oder Tischlern, wie man bei uns im Norden sagt 😉 ) ist es sowas wie „die letzte Ehre“, die sie den Verstorbenen machen, wenn sie den Sarg selber bauen konnten.
Find ich schön, dass du hier keine „Zicken“ machst, wer weiss, wie die Eichenlaubs das gehändelt hätten (Wieder nix am Sarg verdient ^^)
Wirklich schöne Geschichte. Da würde mich glatt interessieren, was für schlechte Erfahrungen deine Kinder mit deinen Handwerkskünsten gemacht haben 😀 Hast du dazu hier schon mal was veröffentlicht?
Vielleicht hast Du keine Waage um den Sarg zu wiegen, aber vielleicht hast Du einen neuen Lieferanten für exklusive Särge?
Na, wenigstens kennen wir jetzt alle deinen echten Namen, Tim Taylor.
Tom Taylor 😀
„My tailor is rich.“ 😉
Der eine wiegt 3 Zentner und bekommt noch einen stabilen sarg dazu. Gesamtgewicht wer weiß nicht was. Die Oma hat noch 45 Kilo und wiegt mitsamt Sarg weniger wie der Dicke. 3cm. Hm – ich glaube, da ist einiges an Überzeugungsarbeit vonnöten. Die Bretter werden in 25 Jahren immer noch stabil sein.
Einen einfachen rechteckigen Kasten werden viele hinbekommen. Wölbung im Deckel ist schon schwieriger, aber noch machbar. Doch die klassische Sargform mit komplizierten Gehrungswinkeln wird viele an ihre Grenzen bringen. Ohne gute Formatkreissäge geht da gar nix, und schon das Ausrechnen und Zeichnen einer solchen Konstruktion ist eine gar nicht so triviale Aufgabe.
Ein Schreiner kann so etwas, aber Laien dürften in der Regel gut beraten sein, den Sarg fertig zu kaufen, wenn er gut aussehen soll.
Ich find das eine superschöne Idee 🙂 ich würd so gern mal in der Berufsschule nen Sarg bauen, aber… naja, wie erwähnt: Särge kommen heute aus Fabriken. Schade eigentlich…
Aber ich werd mir – so in, hm, sagen wir mal 40-45 Jahren auch meinen eigenen Sarg designen 😀