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Ein Weg für Dich oder doch kein Weg? Urne für zu Hause

Schon vor Jahren habe ich hier im Bestatterweblog beschrieben, dass es den sogenannten Umweg über die Niederlande gibt, um in den Besitz einer Urne mit der Asche eines Verstorbenen zu gelangen.

Was ist denn nun der Umweg über Holland?

In den Niederlanden gilt ein anderes Bestattungsrecht als bei uns in Deutschland.
Dort müssen Totenaschen nicht auf einem Friedhof beigesetzt werden.
Sie können verstreut oder den Angehörigen übergeben werden.

Diesen Umstand macht man sich beim „Umweg über Käseland“ zu nutze. Der Verstorbene wird hier in Deutschland ganz normal „abgefeiert“ und dann eingeäschert. Der deutsche Bestatter und die Angehörigen geben gegenüber den deutschen Behörden vor, die Urne solle nun in Holland beigesetzt werden. Zu diesem Zweck wird die Urne an einen niederländischen Bestatter oder an hierauf eingerichtete und eingestellte Krematorien versandt. Für die deutschen Behörden ist der Fall damit erledigt. Die Asche wurde ins Ausland überführt und somit gilt hierfür ausländisches Bestattungsrecht.

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Nun kommt der kleine Trick ins Spiel, der den „Umweg über Holland“ ausmacht. Der niederländische Urnenempfänger setzt die Urne nun nämlich nicht bei, sondern sendet sie an die deutschen Angehörigen zurück.
Und, schwups, können diese damit machen, was sie möchten.

Illegal, Gesetzeslücke oder scheißegal?

Hierbei wird nicht, wie immer wieder behauptet wird, eine Gesetzeslücke clever ausgenutzt, sondern schlicht und ergreifend gegen geltendes Recht verstoßen.
Dreh- und Angelpunkt sind die Landesbestattungsgesetze (LBG). Abgesehen von Bremen schreiben die LBG die Friedhofspflicht für Totenaschen vor.
Es gibt mehrere gute Gründe, weshalb man die Asche eines Verstorbenen nicht mit nach Hause nehmen darf.
Allerdings gibt es mindestens genauso viele gute Gründe, aus denen Menschen sich das dennoch wünschen.

Wie stehst Du dazu, eine Urne mit nach Hause zu nehmen?

Meine liberale Haltung zu diesem Thema ist allgemein bekannt.
Ich will sie aber gerne noch einmal deutlich machen:

Ich finde, jeder sollte sich selbst frei entscheiden können, ob er die Asche eines Angehörigen daheim aufbewahren oder in die Obhut eines Friedhofs geben möchte.
Für das Verstreuen von Aschen könnten die Länder ohne weiteres bestimmte Areale an den Ufern von Flüssen oder in Wäldern freigeben.
Aus meiner Sicht ist der Mensch als solches durch die Einäscherung komplett weg. Anders als im Sarg befindet sich in der Urne nicht der Körper, sondern nur geringe Mengen nicht verbrennbarer mineralischer Rückstände.

Aber: Das ist gesetzlich so nicht vorgesehen. Also müssen wir uns an das geltende Recht halten.

]
Gerne wird von den Umgehern dieser gesetzlichen Regeln auch die Ärzteschaft aufs Korn genommen. Für eine Leichenschau erhalten die Ärzte ein nur sehr geringes gesetzlich geregeltes Honorar. Sie versuchen deshalb in vielen Fällen durch das Hinzuaddieren abenteuerlicher Gebührenpositionen dieses niedrige Honorar aufzubessern. Hier sage ich immer: Es kann nicht angehen, dass die Unzufriedenheit der Ärzte auf dem Rücken (und aus dem Geldbeutel) der Angehörigen ausgetragen wird. Die Ärzteschaft muß sich über ihre doch sonst gar nicht so schwache Lobby eben dafür einsetzen, dass für die Leichenschau ein anständiges Honorar in die Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) geschrieben wird. Bis das aber der Fall ist, haben sie gefälligst das korrekte Honorar abzurechnen.
Genau diese Position nehmen auch gerade diejenigen Personen ein, die immer wieder den „Umweg über Holland“ propagieren.
Fakt ist aber: Auch diese Personen müssen sich die gleiche Weisheit aufs Brot schmieren lassen.
Solange das nicht vom Gesetzgeber so vorgesehen ist, müssen wir uns an die geltende Regelung halten.]

Nein. Er ist bis zu dem Punkt legal, wo sich die Urne mit der Asche auf niederländischem Hoheitsgebiet befindet.
Aber exakt ab dem Zeitpunkt, an dem die Urne wieder nach Deutschland kommt, steht sie wieder unter der Geltungshoheit deutscher Gesetze. Mithin besteht Friedhofspflicht.
Die Urne müsste unverzüglich auf einem Friedhof oder bei einer Friedhofsverwaltung abgegeben werden.

Geschieht das nicht, begeht man eine Ordnungswidrigkeit. M.W. sehen einige Bestattungsgesetze hierfür auch Strafen vor. Das war früher nicht so.

Wer also heute so handelt, läuft Gefahr, dass ihm die Behörden auf den Pelz rücken und große Schwierigkeiten machen.

Mein Bestatter macht auch so etwas. Handelt er illegal?

Beinahe jeder Bestatter in Deutschland bietet diesen Umweg an. Dieses Verfahren wird aber als Besonderheit in Ausnahmefällen angeboten.
Es gibt einfach Sterbefälle, bei denen diese Friedhofspflicht es verhindert, dass die Angehörigen in der von ihnen gewünschten Weise mit der Asche verfahren können. Ist der Leidensdruck hier groß, vermag der Bestatter zu helfen.
Er handelt aber nur dann illegal, wenn er an der Inbesitznahme der Urne durch die Angehörigen beteiligt ist. Das bloße Überstellen der Urne nach Holland und das Beschreiben des Umwegs selbst sind nicht illegal.
Es ist auch nicht falsch, wenn Bestatter für die Inanspruchnahme dieser besonderen Dienstleistung eine Aufwandsentschädigung verlangen. Jede Mühe verdient ihren Lohn.

Wer allerdings aus dieser Notlösung, was es in meinen Augen ist, ein Geschäftsmodell macht und offensiv mit der Umgehung deutschen Rechts wirbt, der handelt unredlich.

Bestatter, die so verfahren, können seitens des Gewerbeamtes als unzuverlässig eingestuft werden und ihnen könnte der Betrieb des Unternehmens aus gewerberechtlicher Sicht untersagt werden.

Warum passiert da nichts? Die kommen doch alle ungeschoren davon

Das ist ein schlafender Hund. Und schlafende Hunde, so sagt der Volksmund, sollte man nicht wecken. Solange das im Ausnahmefall unter dem Mantel der Verschwiegenheit getan wird, ziehen die deutschen Friedhofsverwaltungen den Kopf schildkrötengleich zwischen die Schultern und unternehmen nichts. Sie erfahren ja auch so gut wie nie etwas davon.
Wird das Ganze aber auf Dauer und in Masse propagiert, werden die Behörden immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Das kann letztlich dazu führen, dass Angehörige irgendwann mit dem Wunsch einer Urnenüberführung ins Ausland unter Generalverdacht stehen.

Was ist mit Webseiten, die offensiv hier ihre Hilfe anbieten?

Ich sehe dieses Treiben mit zusammengekniffenen Augen und stehe diesen Angeboten skeptisch gegenüber.
Ich würde auf gar keinen Fall mit so jemanden zusammenarbeiten, der sich auch noch damit brüstet, schon in hunderten von Fällen geholfen zu haben.
Gerade solche Personen stehen besonders im Fokus. Als Friedhofsbehörde wäre ich da besonders wachsam.

Was passiert eigentlich mit den Urnen daheim, wenn die mal keiner mehr haben will?

Gute Frage! Bis jetzt sind mir keine Fälle bekannt, dass damit Schindluder getrieben wurde.
In den meisten Fällen wird die Asche irgendwann irgendwo verstreut und die Urne entsorgt.
Als es vor Jahren im Düsseldorfer Landtag um eben diese Frage ging, wurde von Abgeordneten behauptet, die Niederländer hätten da ein Riesenproblem. Jedes Jahr würden unerwünschte Urnen aus den Grachten gefischt.
Eigenartig nur: Die niederländische Grachtenwacht wußte davon gar nichts.
Irgendwie gehen nämlich alle ausgehändigten Urnen irgendwie ihren Weg, ohne auf dem Müll zu landen.

Was für Bedenken gibt es gegen die Aushändigung der Urne?

Eines der Hauptargumente ist natürlich die hauchdünne Gesetzeslage. Letztlich begeht man eine Ordnungswidrigkeit.
Aber es gibt noch einen wichtigen Punkt. Dadurch, daß sich ein einzelner Angehöriger in den Besitz der Urne bringt, nimmt er möglicherweise dem Rest der Familie die Möglichkeit, auf dem Friedhof an einem Grab trauern zu können.
Ich weiß, wie sehr Menschen darunter leiden können, wenn sie nicht wissen, wo sich ihr toter Angehöriger befindet.

Fazit

Es ist gut, dass es diesen Weg gibt. Wer ihn beschreiten will, findet garantiert beim Bestatter vor Ort (oder dem im nächsten Ort) Unterstützung.
Ein anständiger Bestatter wird aber nicht von sich aus diesen nicht legalen Weg als völlig normale Alternative bewerben. Er hat das in petto und kann bei Bedarf helfen.
Vielmehr wird er andere alternative Bestattungsformen anbieten. Die Waldbestattung, eine Seebestattung oder die mittlerweile auf vielen Friedhöfe mögliche Verstreuung.

Zu dem Thema habe ich einen etwas älteren Eintrag auf den Seiten eines Bestattungshauses gefunden:

02. April 2014
Unser Bundesverband hat in einer Stellungnahme, bezugnehmend auf die Berichterstattung in der Sendung „RTL Extra“ folgende Mitteilung veröffentlicht:
Die Äußerungen von Frau Hoerner, wie z.B. „Abschied-Urne zu Hause, im Garten oder wo Sie möchten… Bestattungspflicht legal für 150 Euro umgehen inkl. anonymer Beisetzung! Urne zu Hause kein Problem“ verstoßen gegen geltendes Recht. In Deutschland besteht Beisetzungszwang für die Aschen Verstorbener. Jeder Verstorbene muss im Rahmen einer Erd- oder Feuerbestattung einem individuellen und endgültigen Bestattungsplatz zugeführt und dort bestattet werden (Beisetzungspflicht), und zwar in einem Behältnis, Sarg oder Urne (Behältniszwang), auf einem dafür vorgesehenen und zugelassenem allgemeinen Bestattungsplatz (Friedhofspflicht).
Die Werbung mit der Umgehung des Beisetzungszwangs ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht unabhängig davon, ob Aschen tatsächlich zum „Reimport“ ins Ausland verbracht werden. In Deutschland ist es deshalb nicht möglich, die Bestattungspflicht legal zu umgehen. Der Bundesverband Deutscher Bestatter e.V. hat gegen Frau Ingrid Ch. Hoerner deshalb ein obsiegendes Urteil beim Landgericht Köln (Az.: 84 O 35/09 vom 07.09.2009) erstritten, wonach die genannten Äußerungen von Frau Hoerner im Fall der Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten sanktioniert sind. Das Urteil ist rechtskräftig.
Dennoch verstößt Frau Hoerner beharrlich gegen die gerichtlich festgestellte Verpflichtung. Alle Vollstreckungsversuche blieben aufgrund dessen, dass es Frau Hoerner immer wieder gelingt, sich den Vollstreckungsmaßnahmen zu entziehen, erfolglos. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln (Az.: 961 JS 107/14) in diesem Zusammenhang gegen Frau Hoerner.
Bestatter, die mit der „Urne zu Hause werben“, können ebenfalls wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden. Die Nichtbeachtung des Beisetzungszwangs stellen Ordnungswidrigkeiten nach den jeweils geltenden Bestattungsgesetzen oder Bestattungsverordnungen dar. Dabei verhalten sich sowohl der Bestatter, der bei der Umgehung der Pflichten mitwirkt, wie auch der bestattungspflichtige Angehörige ordnungswidrig.
http://www.sauerbier-bestattungshaus.de/aktuelles/2014/warnung-vor-gesetzeswidriger-werbung-urne-zu-hause


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Hier finden Sie meine Berichte und Kommentare zur gesamten Bestattungsbranche.


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Lesezeit ca.: 12 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 23. Mai 2017

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