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Einen Toten heiraten – Postmortale Eheschließungen – zwischen Recht, Brauch und Glauben

postmortale ehe

Die Vorstellung, eine Ehe mit einem verstorbenen Partner zu schließen, wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich und fast paradox. Dennoch gibt es weltweit sehr unterschiedliche Traditionen, Gesetze und religiöse Praktiken, die eine solche Verbindung – unter bestimmten Voraussetzungen – zulassen oder sogar bewusst pflegen.

In Frankreich ist die postmortale Eheschließung seit 1959 gesetzlich möglich, wenn ein „außergewöhnlich schwerer Grund“ vorliegt. Rechtsgrundlage ist Artikel 171 des Code civil. Typische Fälle sind der Tod eines Partners kurz vor der Hochzeit, während der gemeinsamen Hochzeitsreise oder bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes. Die Entscheidung darüber liegt beim Präsidenten der Republik. Berühmt wurde der Fall einer jungen Frau, deren Verlobter bei einem tragischen Staudammbruch ums Leben kam. Präsident Charles de Gaulle genehmigte die Eheschließung posthum, sodass sie ihren Geliebten – wenigstens offiziell – noch heiraten konnte.

Ganz anders gelagert ist die Praxis in China, wo es eine lange Tradition der sogenannten Geisterhochzeiten gibt. Dabei werden zwei Verstorbene miteinander „vermählt“, um ihnen im Jenseits gesellschaftlichen Status und familiäre Bindungen zu sichern. Ursprünglich ging es vor allem darum, alleinstehende Tote nicht als „einsame Geister“ zurückzulassen. In manchen Regionen kam es auch vor, dass ein Lebender eine Verstorbene heiratete – etwa um familiäre Verpflichtungen zu erfüllen oder versprochene Bündnisse einzuhalten. Diese Tradition existiert vor allem im ländlichen Raum Nord- und Zentralchinas, wurde aber mehrfach auch von den Behörden kritisiert, weil sie mitunter zu Grabraub und illegalem Handel mit Leichnamen geführt hat.

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Weitere Formen postmortaler Eheschließung finden sich verstreut auf der ganzen Welt. In Südafrika ist es beispielsweise möglich, dass ein Verstorbener unter bestimmten Umständen noch in eine Ehe eingebunden wird, etwa zur Anerkennung gemeinsamer Kinder oder zur Erfüllung traditioneller Bräuche. In Südkorea gab es vereinzelt staatlich anerkannte Eheschließungen mit Gefallenen, um deren Familien bestimmte Rechte oder Rentenansprüche zu sichern. Auch in manchen Militärtraditionen, etwa im Umfeld großer Kriege, wurden symbolische Hochzeiten mit gefallenen Soldaten durchgeführt – meist als moralischer und finanzieller Schutz für die Hinterbliebenen.

In islamisch geprägten Ländern wie der Türkei hingegen ist die postmortale Eheschließung grundsätzlich nicht vorgesehen. Nach islamischem Recht basiert die Ehe auf dem beiderseitigen, aktiven Einverständnis – und dieses kann nach dem Tod nicht mehr erteilt werden. Dennoch kursieren in Medien und Gerüchteküchen gelegentlich Berichte über Versuche, eine Eheschließung nach dem Tod zu erreichen, die jedoch stets ohne offizielle Anerkennung blieben.

Einen ganz eigenen spirituellen Zugang zu diesem Thema haben die Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage). Hier spielt die Ehe-Siegelung (sealing) eine zentrale Rolle – eine Verbindung „für Zeit und Ewigkeit“, die über den Tod hinaus gilt. Diese Siegelung kann auch dann noch vorgenommen werden, wenn ein Ehepartner bereits verstorben ist. Im Tempel wird die Zeremonie stellvertretend durchgeführt, häufig mit einer lebenden Person als symbolischem Platzhalter. Im Glauben der Mormonen ist sie ein Ausdruck der Hoffnung, dass Ehepartner im Jenseits wieder vereint werden. Rechtlich ist diese Siegelung zwar nicht bindend, innerhalb der Glaubensgemeinschaft aber von höchster Bedeutung.

So zeigt sich, dass postmortale Eheschließungen nicht nur ein juristisches Kuriosum sind, sondern tief verwurzelte kulturelle, emotionale und religiöse Hintergründe haben können. Zwischen rechtlicher Anerkennung, traditionellem Brauchtum und spirituellem Glauben spannt sich ein weiter Bogen menschlicher Versuche, selbst der Endgültigkeit des Todes noch etwas Dauerhaftes und Verbindendes entgegenzusetzen.

Ein ausführliches Kapitel zu diesem Thema findest Du auch in meiner großen Serie über Bestattungsriten: Bestattung interkulturell: Postmortale Eheschliessung

Bildquellen:

  • postmortale-ehe: Peter Wilhelm

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(©si)