Wir hatten es schon so oft. Frau Franziska Klöppelspitz ist am Freitag verstorben. Schwer krebskrank hatte sie ihrem Mann Heiner mit auf den Weg gegeben, er möge dafür sorgen, daß sie „an der Friedhofsmauer verscharrt wird, kein Grab, keine Feier, nichts!“
Heiner Klöppelspitz ist ein sehr netter und freundlicher Mann, aber man sagt da nichts Falsches, wenn man sagt, daß er von einfachem Gemüt ist. Er ist der zweite Mann von Franziska und hat ihr die zwölf Jahre, in denen sie zusammen waren, so schön wie möglich gemacht. Mit der Situation, eine kranke, eine immer kränker werdende Frau zu Hause zu haben, war er nicht zurecht gekommen und bei aller Trauer merkt man ihm an, daß er in gewisser Weise auch froh ist, daß es jetzt vorbei ist.
Er klopft mit seinen langen Fingernägeln auf den Tisch, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand sind gelb vom Nikotin und erzählt: „Ich konnte das nicht mehr mit ansehen wie die Ziska zusammengefallen ist. Sie war ja so tapfer und hat alle Behandlungen ertragen. Wirklich, sie war sehr tapfer, aber man konnte sehen wie sie sich quälte. Der Krebs selbst hat gar nicht wehgetan, aber die Chemotherapie, meine Fresse, die hat sie mitgenommen. Der ganze Mund war wund, wie verbrannt, und dann sollte sie tüchtig essen, haben die im Krankenhaus gesagt.
Ich hab ihr jeden Tag gutes Essen bei Schröders Feinkosttheke gekauft, immer mit Rahmsoße, das hat viele Kalorien. Aber mir war doch klar, daß da nichts mehr zu machen ist.
Das Allerschlimmste war, als wir im Krankenhaus die Diagnose bekommen haben. Man sieht das immer im Fernsehen, wie dann drei oder vier Ärzte um einen herumstehen, dann noch ein Psychologe kommt und sich alle um einen kümmern. Und die Wirklichkeit? Na, die sieht aber anders aus. Frau Klöppelspitz sie haben Krebs, sie müssen sterben, noch drei bis vier Monate. Und Tschüß!
Dann standen wir wieder draußen, der Doktor rauschte mit wehendem Kittel weiter und dann haste das, zack, päng, da stehste dann da mit Krebs und kannst sehen wie’s weitergeht.
Nee, da kommt keiner und nimmt dich an die Hand und sagt was jetzt als Nächstes kommt und was man jetzt machen muß. Kannst noch selber rumrennen. Voll Scheiße find ich das.“
Nach meinem Dafürhalten hat Heiner Klöppelspitz seiner Frau, so gut er konnte, durch die schwierige Zeit geholfen. Was ihn besonders belastete, waren die fünf Kinder seiner Frau. Aus der ersten Ehe, der erste Mann vor mehr als 15 Jahren gestorben, alle längst groß, verheiratet und untereinander zerstritten.
„Die haben nix zu erben gehabt, aber um das bißchen was der Vater hinterlassen hat, haben die fünf sich gekloppt wie die Besenflicker und Kesselbinder.“
Ich muß schmunzeln, doch Herr Klöppelspitz ist in Rage, so ärgert er sich über die Kinder seiner Frau: „Ein undankbares Pack. Wie sacht man so? Eine Mutter kann fünf Kinder großziehen, aber fünf Kinder können keine Mutter ernähren, oder so.
Ist aber auch wahr. Natürlich sind sie jetzt gekommen, jeder für sich, und haben die Mutter besucht, aber wirklich gekümmert hat sich keiner.“
Seit dem Tod des Vaters haben die Kinder nicht mehr großartig miteinander gesprochen und auch die Mutter nicht mehr oft besucht. Jetzt da sie tot ist, steht das Telefon bei Klöppelspitz nicht mehr still. „Jedes Kind will jetzt was anderes. Mit dem was die Ziska gesagt hat, ist keins einverstanden.“
Herr Klöppelspitz wird etwas hibbelig und ich hole ihm einen Aschenbecher, meine Zigaretten will er nicht, er raucht filterlose Zigaretten aus Frankreich und pafft dankbar vor sich hin. Er ist fest entschlossen, an den Wünschen seiner Frau stur festzuhalten. Ihm gefällt das im Grunde auch nicht, aber er hat auch keine Vorstellung davon, was er sich wünschen könnte. Auf jeden Fall will er sich jetzt den ganz verschiedenen Wünschen der Kinder nicht beugen.
Dabei geht es ihm gar nicht um das Geld, viel hat er nicht, „aber für die Beerdigung wird es schon dicke reichen“.
Ich ahne schon was auf uns zukommt. Vermutlich werden sich die Kinder heute noch hier melden und ihre vermeintlichen Ansprüche anmelden.
„Was wünschen sich die Kinder denn?“ erkundige ich mich und Herr Klöppelspitz sagt: „Jeder was anderes. Die jüngste Tochter will keine Feuerbestattung, die Älteste will ein großes Familiengrab, die Söhne sind alle für Feuer und ein kleines Grab, die einen wollen eine große Trauerfeier und die anderen wollen es in aller Stille machen.“
Er will, daß es gar keine Trauerfeier gibt, seine Frau soll sofort ins Krematorium gebracht und dann anonym beigesetzt werden.
Ich erkläre ihm, daß er dann gar nichts mehr zu tun hat, daß dann jetzt gar nichts mehr kommt. Er wird etwas nachdenklich, offenbar wird ihm das erst jetzt bewußt und er dreht verlegen das Feuerzeug in den Händen. „Naja, so eine kleine Trauerfeier sollte es ja wohl doch geben, so mit einem, der was aus dem Leben von Ziska erzählt.“
Ich schlage ihm vor, daß man eine kleine Feier bei uns im Haus macht, nur mit einem Foto der Verstorbenen, mit ihrer Lieblingsmusik und einem Trauerredner. So hätte jeder die Gelegenheit richtig Abschied nehmen zu können und hinterher kann ihm auch keiner vorwerfen, seine Frau einfach verscharrt haben zu lassen.
Herr Klöppelspitz ist einverstanden: „Aber ohne Sarg und ohne Blumen!“
Wir regeln die restlichen Formalitäten und als Herr Klöppelspitz unser Haus verläßt, habe ich das sichere Gefühl, daß da noch einiges auf uns zukommt.
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„Wir regeln die restlichen Formalitäten und als Herr Klöppelspitz unser Haus verläßt, habe ich das sichere Gefühl, daß da noch einiges auf uns zukommt.“
Wir auch 🙂
Nicht die Kinnings vergessen!
Das mit der Diagnose mitteilen ist wirklich Realität. Hab ich selbst erlebt.
@Rena: Kasse oder privat? Das wäre ein Umstand. Ein anderer ist der, dass es auch Ärzte gibt, denen es sehr schwer fällt, schlechte Nachrichten zu überbringen. Auch an denen geht es nicht spurlos vorüber.
Hoffentlich wird das mal wieder eine richtig lange Geschichte bis „Einfach weg 2464“. Bei dem nach jedem Teil die Kommentatoren „Kliffhängaaaa“ schreien.
Das wär schön 🙂
Retz
Halten Sie es für wirklich würdevoll, und im Sinne der Beteiligten Ihrer „Geschichte“, trotz Verfremdung aller Namen (inkl. Ihrer), solche persönlichen Geschichten zu veröffentlichen, von denen jeder Beteiligte der Ihren Blog liest sicherlich weiss, wer damit gemeint wurde?
Es sollte nicht im Sinne Ihres Blogs liegen, Alltagssituationen aus Ihrem Bestattungshause offen dazulegen und „nur“ ein paar Namen abzuändern, sondern es sollte Ihr Ziel sein die Allgemeinheit das Thema Bestattungswesen näher beizubringen, und somit vllt allgemein ein paar Berührungsängste und Unwissenheiten zu lösen, aber nicht auf Kosten anderer pietätlos und kommentarbehaftet neue „Leser“ anzuziehen.
Die im Bestattungsgewerbe hoch angepriesene Diskretion wird von Ihnen somit gebrochen, vllt sollten Sie statt täglich mehrere Geschichten in Ihren Blog zu schreiben mal eher ein paar Seminare des Verbands besuchen, oder sich daran versuchen, diese vergeudete Zeit eher den Angehörigen zu widmen.
Das sehe ich völlig anders. Der Kommentar von Herrn Kömmlich scheint mir doch so zu sein, als sei er mal über das Weblog gestolpert, kenne es sonst nicht näher, und müsse nun vorschnell einen Kommentar hinterlassen. Jeder der nur halbwegs eine Weile hier mitliest kennt die Weise, wie Tom die Geschichten verfremdet. Dazu gibt es auf der ‚über‘-Seite genug Informationen. Da wird aus einem Mann eine Frau, aus einer Tochter ein Sohn, Alter, Berufe und Orte werden verfremdet und es kommt der oft bis zu 20 Jahre betragende zeitliche Abstand hinzu. Wer sich da wiedererkennen will, braucht mehr als nur viel Phantasie. Zieht man alle diese Veränderungen ab, bleibt eine Kerngeschichte übrig, die vielen so passiert sein könnte. Was alles im Sinne des Blogs liegen sollte und was Tom alles tun sollte, das scheint Herr Kömmlich ja ganz genau zu wissen, übersieht dabei aber, dass er weder maßgebend ist, noch hier was bestellen kann. Das ist Toms Weblog und somit hat ihm auch keiner vorzuschreiben was er da zu schreiben hat. Für das Bestattergewerbe und… Weiterlesen »
Nicht nur der Weblog, sondern auch die Kommentar hier, sind einfach nur abgrundtief niveaulos, aber was hab ich von Laien denn auch anderes erwartet? Zu diskutieren, das ohne unseren Fachverband mehr unqualifizierte Bestatter die Pforten öffnen würden und die Kunden von vorne bis hinten mit schlechter fachtechnischer sowie menschlicher Kompetenz „beglücken“ würden, ist glaub ich nicht nur sinnlos sondern auch unangebracht. Bewerten Sie meinen Kommentar ruhig so wie Sie es gerne möchten, aber bleiben Sie dabei doch stets realistisch- genau das, was der Urheber dieser Website sicher nicht sein kann. Aber jeder negative Kommentar ist wie Perlen vor die Säue, könnte mich also genauso gut über die Umweltverschmutzung aufregen- zusammengefasst werden wir solche Untaten niemals los, sondern müssen Sie ein Leben lang ertragen, und mit ansehen wie sie sich nur noch verschlimmern!
Ach es sind doch immer wieder die selben dummen Schwätzer die da durch die Kommentare pflügen. Mit „unseren Fachverband“ will da doch nur ein Dummschwätzer den Eindruck erwecken, es handele sich bei ihm um einen Bestatter, der auch noch im Interesse eines Verbandes hier schreibe.
Ich bin selbst Bestatter, gehöre dem kleinen Verband an und kann jedes Wort von Tom nur unterschreiben.
Tom, weiter so und nicht von diesen „Keiner“, „Niemands“ und „Könntmich“ kirre machen lassen.
Herr Kröterich,
Weiss Dein Pfleger, daß Du heute Ausgang hast ?