Geschichten

Es ist alles verboten, hier war schon immer alles verboten und das bleibt auch so!

orgel

Seit geraumer Zeit hatten wir einen ausrangierten Bestattungswagen auf dem Hof stehen. Für 4.000 Euro konnte ihn jeder haben, der ihn wollte.
Eines Tages kam dann auch ein Interessent.
Wir unterhielten uns eine Weile und dann hatte ich verstanden, wozu der Mann den Bestattungswagen braucht, und warum er ihn wahrscheinlich nicht nehmen würde.

Der junge Mann war im Nebenberuf DJ. So ein Diedschäi legte früher Schallplatten auf und überbrückte die Pausen durch gefällige Moderationen.
Das tun die DJs auch heute noch, nur geht das eben digital und die Musik kommt mehr oder weniger vom Computer, und je berühmter die DJs werden, umso weniger bewirkt das Drehen an den Knöpfen irgendwas.
Und dieser DJ, nennen wir ihn Olaf, bewohnte in einer beschaulichen Kleinstadt, nicht weit von hier entfernt, eine Eigentumswohnung.

Ja, und mit solchen Eigentumswohnungen ist das ja bekanntlich so eine Sache. Die Wohnung gehört einem zwar, aber so richtig schalten und walten, wie man es gerne möchte, kann man eben doch nicht, weil einem eben nur ein kleiner Teil des Ganzen gehört.
In diesem speziellen Fall gehörte das Haus insgesamt 15 Parteien mit sicherlich ebenso vielen unterschiedlichen Meinungen.
Und zu dem Haus gehörte praktischerweise eine ebenerdig ins Haus gebaute Garagenanlage. Aus der ehemals großen Anlage waren im Laufe der Jahre mehrere kleinere Garagen abgeteilt worden und eine davon nutze unser DJ als Lagerraum für sein Musik-Equipment.
Sehr gelegen kam ihm, daß sich hinter der Garage, und nur von dort aus zugänglich, noch ein weiterer nur 12 qm großer Raum befand.

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Lange Zeit hat das niemanden weiter interessiert, doch dann kam durch Fernsehberichte das Thema mit der zweckfremden Nutzung von Garagen auf.
Und auch unser DJ hat einen Nachbarn und Miteigentümer, den wir mal Herrn Plopper nennen, und der sich in ganz besonderer Weise Gedanken über die Nutzung der Garagen im Allgemeinen und die Nutzung des kleinen Kabuffs dahinter im Besonderen machte.

Überhaupt sei das ja eine ganz gefährliche Geschichte, so mit den Plattenspielern und so. Schließlich könne das ganze elektrische Zeugs ja Feuer fangen. Außerdem müsse man jetzt unbedingt mal überprüfen, ob denn der kleine Raum hinter dieser Garage nicht sogar ein Gemeinschaftsraum sei, der allen Eigentümerparteien zur Verfügung zu stehen habe.

Olaf hat einen Fachanwalt für Miet- und Eigentumsrecht befragt und der hielt es immerhin für möglich, daß dem tatsächlich so sein könnte.

Und Olaf erzählt mir, wie es weiterging. Zunächst einmal hielt Olaf seinen Miteigentümern folgendes vor:

1.) Dass meine Plattenspieler je Feuer fangen könnten, ist Quatsch. Spontane Selbstentzündung funktioniert in Akte X, aber nicht bei Plattenspielern. Außerdem wird das Ganze dadurch auch noch erschwert, weil ich gar keine Plattenspieler besitze, ich arbeite digital.

2.) Um zu prüfen ob der kleine Raum Gemeinschaftseigentum ist, muss der Hausverwalter zum Grundbuchamt beim zuständigen Amtsgericht gehen und dort ganz, ganz tief in der alten Grundakte graben. Das macht der Verwalter natürlich nicht umsonst, da das nicht zu seinen vertraglichen Aufgaben gehört. Also stellt er der Gemeinschaft schon mal fette Zusatzkosten in Rechnung.

3.) Wenn sich herausstellt, dass dieser Raum Gemeinschaftseigentum ist, muss im Grundbuch ein Wegerecht auf der Parzelle der Garage eingetragen werden. Wieder entstehen Kosten.

4.) Wenn das ganze so durchgesetzt wird, stellt sich für mich die Frage, ob ich die Garage aufgeben und mir was neues suchen soll. Also entsteht der Eigentümerin der Garage, also der Vermieterin, ein Schaden, denn wer stellt ein Auto in eine Garage, durch die jeder Hanspans durchlatschen darf? Da hat das Auto ruckzuck Dellen und Schrammen und keiner war es. Außerdem sah ich es als fraglich an, ob diese Umstände bekannt waren, als die heutige Eigentümerin die Garage gekauft hatte.

Damit hatte DJ Olaf sehr gute Argumente ins Feld geführt. Letztlich würden aus dieser Schlacht, die blanke Prinzipienreiterei zum Inhalt hatte, also nur Verlierer hervorgehen. Aber man wollte weiter auf Prinzipien herumreiten, also hatte er eine zündende Idee.
Nachdem er bei Google etwas herumgestöbert und sich die zuständige Garagennutzungsverordnung zu Gemüte geführt hatte, war er bei uns aufgetaucht und hatte sich die Sache mit dem Leichenwagen überlegt.

Und dann präsentierte er dem Prinzipienreiter einen Vorschlag:

„Wenn Ihr darauf besteht, dass das Kabuff Gemeinschaftseigentum ist und dass ich in meiner Garage nur ein Kraftfahrzeug abstellen darf, dann stelle ich eben eins rein.“

Der Prinzipienreiter schien zufrieden zu sein, doch das auf seinem Gesicht daraufhin einsetzende Aufleuchten wich schnell blankem Grausen. Olaf setzte nach: „Denn ich kaufe mir jetzt einen gebrauchten Leichenwagen, stelle ihn in die Garage und melde ihn ab. Da packe ich mein ganzes Equipment rein. Das, was ich am meisten brauche, kommt auf den Sargauszug, da brauche ich nur mit meinem Van vor die Garage zu fahren, den Sargauszug rauszuziehen und kann bequem umladen. Die meisten Modelle haben unter dem Sargboden noch ein Staufach, da passen meine gesammelten Stative rein, und den Kleinkram, den ich nicht so oft brauche, kann ich bequem vorne verstauen.“

Herr Oberpingelig ging gleich auf die Barrikaden. „Das geht nicht!“

„Und warum nicht? Schauen Sie mal in die Gesetze, da steht nur was von Kraftfahrzeugen. Da steht aber nicht, welche Art Kraftfahrzeuge das sein müssen oder dass sie angemeldet sein müssen. Ich sauge auch gerne den Treibstoff aus dem Tank und baue die Batterie aus, dass keine Gefahr von dem Auto ausgeht.“

„Das können Sie doch nicht machen…“

„Aber natürlich kann ich das! Ihr wollt doch, daß ich die Garage nicht in der bisherigen Art nutze, ihr wollt doch, daß das ein Auto drin steht. Bitte schön, das könnt ihr haben, ich war schon bei einem Bestatter, der einen gebrauchten Leichenwagen abzugeben hat.
Ihr habt das Theater angefangen und jetzt hole ich mir eben einen Leichenwagen, so! Dann steht in meiner Garage ein Auto, ganz gesetzeskonform und so wie Ihr es haben wolltet. Da würde es mich auch nicht stören, wenn ein paar Dellen rein kommen. Wenn jemand ein Problem damit hat, an einem solchen Auto vorbeizugehen… Tut mir leid, aber auf Befindlichkeitsstörungen kann ich leider keine Rücksicht nehmen.“

Nach diesen mit vehementer Entschlossenheit vorgetragenen Argumenten hatte mein Gegenüber mehrfach die Gesichtsfarbe gewechselt und sein ursprünglich heruntergeklapptes Kinn schwang im Takt seiner Schnappatmung.

Muss ich erwähnen, dass die ganze Angelegenheit sehr schnell im Sand verlaufen ist?

Eine Geschichte, eingesandt von Olaf K.

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(©si)