Allgemein

Fabian II

Der Tod des kleinen Fabian läßt die Wellen in unserem Ort hochschlagen. Die einen meinen, die Metzgersfrau hätte besser aufpassen sollen, die anderen sehen die Schuld alleine bei dem Jungen.

Es ist durchaus nicht unüblich, daß hier auch nach Einbruch der Dunkelheit noch Kinder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Unser Ort war lange eine eigene Gemeinde, ist seit fast 100 Jahren in die Großstadt eingemeindet und bildet den Rand zur dörflichen Struktur ringsum. Zahlreiche Vereine, in denen sich Kinder betätigen, haben Übungs- und Trainingsstunden, die bis gegen 19 Uhr andauern, einer Zeit also, in der es viele Monate im Jahr schon dunkel ist.
Das Radwegenetz ist sehr gut ausgebaut. Man hat die holperigen Radwege, die mehr eine Alibi-Funktion hatten, ausgebaut und durchgehend gut befahrbar und breit genug gemacht. Radfahrerampeln, weite, rot gepflasterte, Übergangsbereiche usw. machen das Radfahren an und für sich zu einer bequemen und sicheren Sache. Ich fahre selbst hin und wieder mit dem Fahrrad, meine Kinder sind ständig mit dem Rad unterwegs.

Werbung

Ich will keine Diskussion über diesen Themenbereich lostreten. Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß es viele Radwege gibt, die den Namen Radweg gar nicht verdient haben. Daß hier lieber auf der Straße gefahren wird, kann ich gut verstehen.
Mir scheint es aber so, daß die Wahrnehmung und Solidarisierung mit dem jeweiligen Fahrzeug wechselt. Das ist in etwa so, als wenn man auf den Parkplatz eines Supermarktes fährt und vom Einkaufswagenschieberhasser urplötzlich zum Autofahrerhasser wird, nur weil man selbst jetzt so eine Karre vor sich herschiebt.
Ich bin aber auch der Meinung, daß Fahrräder ohne eine ausreichende Beleuchtung bei schlechten Sichtverhältnissen nicht in den Straßenverkehr gehören. Die Ausrede, es handele sich hier um Sportgeräte, kann ich für mich persönlich nur bedingt gelten lassen. Wo kämen wir hin, wenn jeder, der einen Sport oder ein Hobby betreibt, die dafür benötigten Apparate und Sportgeräte auf der Fahrbahn einer vielbefahrenen Straße spazierenführt. Wiegesagt, das ist meine Meinung, andere mögen eine andee haben und vielleicht auch gute Gründe für ihre Meinung anführen können.

Und noch ein Wort zu der Beleuchtung: Ich habe selbst ein Fahrrad und habe auch vorher schon welche besessen. Ich hatte noch nie den Fall, daß die Beleuchtungsanlage so schlecht war, daß sie dauernd nur unzureichend funktionierte. Wenn mal was kaputt geht, dann fährt man doch nicht ausgerechnet dann besonders riskant oder an besonders riskanten Stellen, sondern man schaut, daß man möglichst unbehelligt nach Hause kommt und bringt dann das Ding wieder in Ordnung. Mein Sohn bekam von einem Verwandten ein Fahrrad geschenkt. Es muß ein Baumarkt-Billigfahrrad gewesen sein. Ich mußte die Montage erst noch fertigstellen, denn das Rad war zwar zusammengebaut, aber nicht wirklich endmontiert. Dynamo, Lampen und Verkabelung waren von so minderwertiger Qualität, daß ich das Fahrrad zu Özkans BikeStudio gebracht habe, wo mir Özkan neben der Beleuchtung auch noch Reflektoren, neue Bremsbeläge und bessere Handgriffe montierte. Alles zusammen kostete das nur ein Taschengeld.

Aber besser eine schlechte Beleuchtung, als gar keine. Neulich querte eine Familie auf Fahrrädern in der Dunkelheit meinen Weg. Die hatten reflektierende weiße Streifen ringsum an den Reifen, reflektierende Hülsen über den Speichen, die sich beim Fahren auch noch bewegten. Außerdem hatten sie reflektierende Armbinden an und Leuchtstreifen an den Fahrradhelmen.

Ich habe bei Özkan das Zeug auch für unsere Räder gekauft und für sechs Fahrräder keinen großen Betrag bezahlt.
Diese Familie hat ein regelrechtes Feuerwerk an Reflektionen abgefeuert und selbst wenn die gar kein Licht am Fahrrad gehabt hätten, konnte man die wunderbar und vor allem rechtzeitig sehen.
Von vorne und hinten aber ist die Silhouette eines Radfahrers so schmal, da sollte niemand auf entsprechende Beleuchtung und Reflektoren verzichten. Ich finde den Vorschlag eines Kommentators, sich notfalls eine der für knapp 2 Euro zu habenden Autofahrer-Warnwesten anzuziehen, gar nicht so übel. Besser sowas, als gar nichts.

Es geht ja nicht darum, Recht zu behalten, sondern am Leben zu bleiben.

Angesichts der guten und breiten Radwege hier bei uns ist es mir persönlich völlig unverständlich, warum dann dennoch etliche Radfahrer trotzig auf der Straße fahren. Die mannigfaltigen Argumente die sie vorbringen und aus denen sie herleiten, daß das Fahren auf der Straße besser und sinnvoller sein soll, habe ich schon so oft gehört und man kann sie zum Teil auch in den Kommentaren nachlesen. Viele davon kann ich nachvollziehen, doch keines trifft auf den aktuellen Fall zu.

Die Situation ist leicht beschrieben: Es handelt sich um eine breite Straße mit zwei Fahrspuren. Rechts und links ist sie durch einen Grünstreifen mit Büschen begrenzt und es gibt alle 200 Meter Zebrastreifen oder Überquerungshilfen. Einen Fußgängerweg oder Radweg gibt es an dieser Straße nicht. Das ist deshalb so, weil sowohl rechts, als auch links, jenseits des Grünstreifens mit den Büschen, jeweils nochmal eine zweispurige Straße entlangführt, die jeweils einen Fußgängerweg und einen Radweg hat.
Von links nach rechts: Häuser, Gehweg, Radweg, zweispurige Ortsstraße, Grünstreifen, zweispurige Straße mit 70 km/h, Grünstreifen, zweispurige Ortsstraße, Radweg, Gehweg, Häuser.

Das sind fast schon amerikanische Verhältnisse, so breit ist das Ganze.

Hier unbeleuchtet, gegen die Fahrtrichtung ausgerechnet auf der 70er Straße zu fahren, ist mehr als leichtsinnig.

Doch wen trifft hier die Schuld? Das ist die Frage, die hier in der Gemeinde viel diskutiert wird. Klar ist, daß die Metzgersfrau noch mehr hätte aufpassen müssen, es hätte an der Stelle auch beispielsweise eine hilflose Person auf der Straße liegen können, ein Baumstamm, ein umgefallener Gegenstand oder es hätte eines dieser führerscheinfreien Autos unterwegs sein können, die nur 6 km/h fahren können. Den Vorwurf wird sich die Metzgersfrau machen lassen müssen und wie man hört macht sie sich den auch.
Auf der anderen Seite ist da der 11jährige Junge, der in der Schule seine Fahrradprüfung abgelegt hat, der in der Fahrradschule der Polizei gewesen ist und der die Örtlichkeiten und die beiden breiten Radwege nebenan sehr gut kannte. Kein Mensch weiß, warum er diese Radwege nicht benutzt hat. Man vermutet, daß er die 70er-Straße an einer der Überquerunghilfen „betreten“ hat, sie dann aber nicht vollends überquerte um auf den nächsten Radweg zu gelangen, sondern aus Bequemlichkeit einfach auf der Straße blieb.

Es bleibt die Frage, warum dort ein rund 100-150 Meter langes Stück der Straße nur unzureichend bis gar nicht beleuchtet ist. Ansonsten ist diese innerörtliche Straße nämlich mit Laternen versehen.

Kann man den Eltern einen Vorwurf machen? Sie selbst werden sich welche machen, das weiß ich.

Ist das ein Fall, in dem es nur Verlierer gibt?

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#fabian

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)