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Formaldehyd, Ligatur

Hallo Tom,

die Zeit hat einen Artikel über einen Bestatter, der eine Leiche für die Aufbahrung vorbereitet:

Drei Dinge haben mich ein wenig irritiert:
* Der Bestatter desinfiziert an der Leiche reichlich, dass habe ich so noch nie gesehen.
* Er besprüht das Gesicht mit Formalin. Dass kann ich mir bei der heutigen Formaldehyd-Hysterie schlicht nicht vorstellen. Soll Formalin hier stellvertretend für ein „moderneres“ Desinfektionsmittel stehen?
* Er näht den Mund ziemlich aufwändig zu. Ich kenne eigentlich nur zukleben oder das Kinn stützen.

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Deine Bemerkungen wären wie immer sehr willkommen.

Die Fragen sind recht leicht zu beantworten:

Je nach Fortschritt des Zersetzungsprozesses und des Zustandes des Verstorbenen kann neben einer gründlichen Reinigung mit Wasser und üblichen Reinigungsmitteln (z.B. pH-neutralen Seifen) eine Desinfektion notwendig sein. Wie weit das reicht und wieviel gemacht werden muß, hängt stark von Einzelfall ab.

Die Verwendung von Formalin ist durchaus üblich und angezeigt. Wenngleich Formaldehyd aus verschiedenen Gründen in der Diskussion steht, ist es unbestritten ein hochwirksamer und für diese Zwecke ideal geeigneter Wirkstoff. Die Mengen, die beispielsweise wir verwenden, sind aber insgesamt gesehen und auf die Branche hochgerechnet, so verschwindend gering, daß sie bei der Betrachtung des möglichen Gefahrenpotentials (Auswirkungen auf das Klima, toxische u. karzinogene Wirkung etc.) kaum ins Gewicht fallen. Alles in allem werden aber immer mehr Substanzen angeboten die frei von Formaldehyd sind und stattdessen z.B. Isopropyalkohol oder Ethanol enthalten. Bei Mitteln zur Flächendesinfektion oder zum desinfizieren lebloser Körper ist aber dennoch zumeist immer noch Formalin enthalten.

Das Zunähen des Mundes mittels der großen oder kleinen ligatur (Durchstechen von außen nicht sichtbarer Teile von Kiefer, Gaumen und Nase mit einem Faden und anschließender unsichtbarer Verknotung.) ist eine durchaus übliche Methode, die früher wesentlich häufiger angewandt wurde und jetzt zunehmend wieder in Mode kommt, nachdem fast eine ganze Generation von Bestattern nahezu ausschließlich auf das Zukleben mit Cyanacrylat-Klebstoffen (ähnlich Sekundenkleber, z.B. Lipofix ®) gesetzt hatte. In den Ausbildungszentren für Bestattungsfachkräfte wird mittlerweile das Zukleben als unsachgemäße Schnell- bzw. Billiglösung verpöhnt, die nur anzuwenden ist, wenn andere Methoden, z.B, die hier genannte ligatur, nicht anwendbar ist.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#formaldehyd #ligatur

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(©si)