Geschichten

Frühbier -II-

Ich kann es gar nicht fassen und in Windeseile haben sich auch Frau Büser, Nadine, Sandy und Antonia um mich und Frau Frühbier geschart. Sollte es wirklich wahr sein, daß der Feger gestorben ist?

„Ja, der ist gestern zur Massage gegangen, die hat er ja immer von mir bezahlt gekriegt, weil er doch immer so Schmerzen im Rücken hat vom vielen Fegen. Als er wieder aus der Massage kam, hat er dort nebenan in der Wirtschaft noch schnell ein Bierchen getrunken, die Fangopackungen machen immer so durstig, und dann ist der ausgerutscht und vom Bürgersteig gefallen. Ja und dann hat ihn ein Auto überfahren.“

Wir bedauern das alle, drücken der alten Frau unser Beileid aus und sind alle ernsthaft betrübt. Der Frühbier war zwar eine faule Sau und ein Tunichtgut, aber doch ein Original und unsere Straße wird ohne seine Adiletten und die Hawaiihemden nicht mehr so bunt sein. Das sind unsere Gedanken und wir sind irgendwie noch alle damit beschäftigt, da wischt Frau Frühbier alles Mitgefühl mit einem Satz weg:

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„Ich bin froh, daß der weg ist, das Schwein, das elende!“

Wenig später sitzt sie in meinem Büro, einen Sarg hat sie quasi im Vorübergehen ausgesucht, Verbrennerkiste, Billigurne, fertig.
„Der kommt zu meinem Lebensgefährten ins Grab, sein Name kommt auf so einen Stein den man oben aufs Grab hinlegen kann und gut ist es. Mehr hat der nicht verdient.“

Ich gebe mich uninteressiert, fülle weiter die notwendigen Formulare aus und lasse Frau Frühbier in Ruhe. Es dauert nicht lange, bis sie von sich aus erzählt und das was ich da erfahre, das verschlägt mir den Atem und ich verbürge mich dafür, das alles was ich darüber zu erzählen weiß, vermutlich genau so passiert ist, zumindest hat die alte Frau mir alles exakt so erzählt. Und manch einem wird nun auch einleuchten, daß ich diese und ähnliche Geschichten nur mit dem Abstand von 10 oder mehr Jahren erzählen kann, denn sonst wird trotz aller Verfremdungen möglicherweise klar, um wen es sich handeln könnte und auch wenn die alte Frau Frühbier inzwischen selbst verstorben ist, die Ehefrau und die Töchter des Besenschwingers leben noch heute in der Stadt.

Längst erinnern sich nur noch die ganz Alten an das, was da alles passiert ist, was der Frühbier alles getrieben hat, und selbst diejenigen, die über ein gutes Erinnerungsvermögen verfügen, wissen nur noch Bruchstücke und „daß da mal was war“. Diejenigen, die Teile davon ganz genau erzählen könnten, seine Frau und seine Töchter, die sind froh darüber, daß sich keiner mehr richtig erinnert.

Aber kehren wir zurück zu jenem Tag, als Frau Frühbier bei mir saß und sich alles von der Seele redete.

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(©si)