Wenn Bestatterkunden die erste Trauer überwunden haben, oft auch dann, wenn die Rechnung für eine gewisse Ernüchterung sorgt, beginnt ein Prozess der Loslösung. Das ist nichts Religiöses, sondern bedeutet im Grunde, dass sich der Alltagsverstand wieder die Oberhand über das Emotionale zurückerobert.
Man hat sich anlässlich des Sterbefalls Hilfe suchend in die Geborgenheit bietenden Hände eines völlig fremden Bestatters begeben. Aus diesem Abhängigkeits- und Hilfeverhältnis möchte sich der Mensch nun lösen. Das geht auf ganz verschiedene Weise und in den allermeisten Fällen auch vollkommen schmerzlos. In einigen wenigen Fällen aber wird das Pflaster nicht langsam abgelöst, sondern mit einem Ruck abgerissen. Will heißen: Die Leute suchen Streit mit dem Bestatter, um zu zeigen, wie stark sie tatsächlich sind.
Das habe ich über viele Jahrzehnte immer wieder beobachtet und auch oft genug mit Beispielen hier im Bestatterweblog beschrieben. Diese Form der Loslösung ist mit einer der Gründe, weshalb mir einige Leute völlig erbost und total aufgeregt die wildesten Geschichten über angebliches Fehlverhalten von Bestattern erzählen.
Ein Grund, weshalb es immer wieder zu Ärger kommt, ist angeblich verlorengegangener Schmuck. Im Nachhinein ist dann der Cousine Ella aus Grafenwörth aufgefallen, dass die alte Tante ja gar nicht ihre Ohrringe trug. Oder der Ehering ist auf einmal weg. Manchmal fehlen aber auch Eiserne Kreuze, Bundesverdienstkreuze oder sogar kleine „Diamanten“, die auf die Schneidezähne aufgeklebt waren.
Es wird so gut wie nie behauptet, der Bestatter habe diese Gegenstände gestohlen. Es wird immer nur gesagt, das sei vorher aber da gewesen. Der Rest ergibt sich dann so…
Ich will gar nicht verhehlen, dass es Dreckspatzen gibt, die Kranken oder Toten Wertgegenstände stehlen. Natürlich gibt es die. Aber ich behaupte mal, dass das so gut wie nie Bestatter sind. Auch da gab es schon solche Fälle, aber das ist dann eher die absolute Ausnahme.
Es ist ja doch so, dass der Bestatter bei so etwas sowieso immer als Erster in Verdacht gerät. Und schon aus diesem Grund wird er alles tun, damit ihm eventuelle Diebstähle nicht angelastet werden können.
Wir haben in meinem Bestattungshaus immer drei Dinge getan, um hier auf der sicheren Seite zu sein:
1. Dokumentation im Schmuckbuch
2. Vieraugenprinzip
3. Fotodokumentation
Das Schmuckbuch
Alles, was der Verstorbene bei sich hat und was nicht Kleidung, Kosmetik oder Medizinisches ist, wird in das Schmuckbuch des Bestattungshauses eingetragen. Jeder Verstorbene hat in dieser dicken Kladde eine eigene Zeile. Name, Sterbedatum, Auflistung der Gegenstände.
Willi Meier, + 22.12.2024, Ehering, dünnes Halskettchen mit Herzanhänger, dicke Panzerkette goldfarben am re. Hadgelenk.
Und hinter diesem Eintrag ist noch etwas Platz. Da wird hingeschrieben, was mit den Sachen passiert ist:
Ring: bleibt an, Kette und Armband an Tochter Jutta M. übergeben 23.12.2024, Unterschrift
Natürlich kann man das in modernen Bestattungshäusern auch im Computer erfassen oder handschriftlich auf dem Sterbefallauftrag.
Wichtig ist nur, DASS es überhaupt gemacht wird. Dann kann man nämlich auch nach 124 Millionen Jahren noch das Buch aufschlagen und genau sagen, was wirklich beim Verstorbenen dabei war und was damit geschehen ist.
Was nicht in der ersten Zeile aufgeführt ist, das hatte der Verstorbene eben auch nicht dabei, als er beim Bestatter „auf den Tisch“ kam. Da muss sich der Bestatter auch auf keine Diskussion einlassen.
Vieraugenprinzip
Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass ein Verstorbener von mindestens zwei Personen versorgt oder doch zumindest angeschaut wird. Vier Augen sehen mehr als zwei, sagt man, und das stimmt auch. Vor allem kann dann niemandem etwas nachgesagt werden, er hat immer einen Zeugen.
Fotodokumentation
Polaroid hieß das Zauberwort. Heute gibt es Kameras in jedem Smartphone. Es ist also überhaupt kein Problem, von den Verstorbenen Fotos zu machen. Wir haben immer den Zustand dokumentiert, wie die Verstorbenen zu uns kamen und dann noch einmal, wenn sie fertig eingebettet im Sarg lagen. Tausende solcher Leichenfotos haben wir gemacht. Sie dienen der Dokumentation, eben wegen der hier beschriebenen Umstände, sie helfen uns aber auch, unsere Arbeit zu verbessern und nicht zuletzt haben wir in Hunderten von Fällen Angehörigen nachträglich noch eine Seelenfreude machen können. Denn oft genug bereuen die Leute, dass sie doch nicht vom Verstorbenen am offenen Sarg Abschied genommen haben.
Was wir nie gemacht haben
Wir haben nie Hab und Gut des Verstorbenen im Krankenhaus oder Pflegeheim zurückgelassen. Zumindest nicht einfach so, herrenlos sozusagen. Wenn es im Heim ein Procedere gab, dann war das für uns okay. Dann haben die Kliniken und Heime oft spezielle Beutel für „Patientienhabe“ und ein Verfahren, das sicherstellt, dass die Angehörigen auch alles bekommen.
Aber ansonsten haben wir alles, was um den Verstorbenen herum zu finden war, mit eingepackt: Zahnprothesen, Smartphones usw.
Hier ist das Verfahren aber anders als beim Schmuck. Da wurde immer gemeinsam mit einer Pflegekraft eine Liste aufgesetzt und von Pflegekraft und Bestattungshelfer unterschrieben.
Hintergrund ist, dass oft Wertsachen im Nachtschränkchen, unter dem Kopfkissen oder im Spint vorhanden waren. Nach der Abholung eines Verstorbenen entsteht im Heim oft eine Art luftleerer Raum. Das Zimmer ist dann unbewohnt, niemand fühlt sich zuständig, Fremdfirmen kommen zur Zimmerreinigung, Sanitätshäuser holen Krücken und Rollstühle ab, kurz: Niemand weiß, wer da alles ein und aus geht.
Wer schreibt, der bleibt
Immer alles aufschreiben und am besten immer zu zweit sein.
Dann steht man über allen eventuellen Vorwürfen.
- diebe: Peter Wilhelm KI
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