Allgemein

Gerolltes Geld XI

Sandy ist vor allem bei den jungen Männern der inzwischen auf sicherlich 80 Personen angewachsenen Gruppe offensichtlich gern als Verstärkung und vierter „Mann“ bei den Musikern gesehen, aber die Frauen mit den kralligen Fingern und der schmerbäuchige Onkel sind nicht zufrieden.

„Vier ist ganz schlecht! Das ist eine gerade Zahl und es muß unbedingt eine ungerade Zahl an Musikern sein, sonst bringt das Unglück!“

Und mit fünf Musikern soll ich auch erst gar nicht ankommen, das sei immer noch ärmlich und sechs sei wieder eine gerade Zahl, also sieben müßten es schon sein, vor allem in Anbetracht des hohen Preises, den wir ihnen abverlangt hätten.

Werbung

„Mooooooment“, sage ich und verweise den Dicken darauf, daß für die Musiker gerade einmal 180 Euro angesetzt sei und sie diesen Betrag auch voll erhalten.
Ja, das sei ihm doch egal, meint der Onkel und knistert in der Hosentasche mit den Scheinen, dann legt er einen Arm um mich, dreht mich etwas zur Seite und schiebt mir, unbemerkt von den anderen, einen 50-Euro-Schein in die Hemdtasche: „Machen sie irgendwas, egal was!“ und etwas leiser: „Hauptsache da stehen sieben Leute und haben ein Instrument in der Hand, ob die spielen, ist doch egal.“

Manni guckt zur Vordertür heraus und schaut mich fragend an. Er will wissen ob es losgehen kann, ob er mit seinen Leuten den schweren Sarg bringen kann. Ich schüttele mit dem Kopf und er tippt vielsagend auf seine Armbanduhr. Die Zeit drängt, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns.

Der Kapellmeister des Dörrenbaum-Quartetts kommt herbei und erkundigt sich, weshalb sich alles so verzögere, ihm frieren langsam die Ventile ein. Ich erkläre in kurzen Worten die zahlentechnische Problematik und er lacht nur kurz. „Aber das ist doch kein Problem. Wir haben genug Instrumente dabei. Sie holen ein paar Leute und ich besorge die Instrumente, lassen sie mich nur kurz eben zum Wagen gehen.“

Wenn jetzt einer lacht, dann fliegt er aus dem Weblog!
So kommt es also, daß wenige Minuten später die gute Antonia voll Begeisterung, die treue Frau Büser voller Zorn und der gutmütige Tom das Dörrenbaum-Quartett mit Sandy auf die stolze Zahl Sieben aufstocken. Antonia hat eine Klarinette bekommen, Frau Büser eine Bratsche und für mich (wehe jetzt lacht einer!) blieb dann doch nur eine Stimmpfeife übrig, auf der man allenfalls hätte Kuckuck blasen können.

Vereinbarungsgemäß tragen Manni und Mannen den Sarg heraus, vier Mann sind erforderlich, um das Ungetüm halbwegs würdig die Stufen herunterzubringen. Das aufmotzte Dörrenbaum-Quartett beginnt mit dem Trauermarsch, Antonia tut so als ob sie bläst, Frau Büser zupft an der Bratsche wie an einer Ukulele und ich mache leise ‚Kuckuck‘.
Unwillkürlich kommt mit der alte Hans Moser beim Wiener Heurigen in den Sinn, wie er da singt „Sag zum Abschied leise… ‚Kuckuck’…“
Ich muß mir auf die Unterlippe beißen, um nicht laut loszulachen. Später wird mir einer der Onkel sagen, man habe mir meine Anteilnahme am verzerrten Gesicht regelrecht angesehen.

Das Verladen des Sarges geht recht zügig über die Bühne und kaum ist die Klappe des Bestattungswagens geschlossen, da machen sich die Roma, ganz unfeierlich mehr Hals über Kopf auf den Weg zu ihren Autos. Man stolpert übereinander, man rempelt sich an und es dauert etwa zehn Minuten, bis man alle Jungen, Mädchen, Krallenfrauen und Onkel in den überwiegend sterntragenden Karossen verstaut hat.
Dann endlich kann sich der Bestattungswagen in Bewegung setzen und langsam fädeln sich etwa zwei Dutzend Autos in eine lange Reihe ein.

Kaum ist der letzte Wagen um die Ecke gebogen, legen Sandy und ich unsere Instrumente ab und steigen in meinen Wagen, auch wir müssen zum Friedhof und vor allem müssen wir den Konvoi überholen und vor denen da sein.

Es ist gar nicht so einfach, andere Autos im Straßenverkehr einzuholen. Ich brauche bis fast an die Stadtgrenze, um die Karawane einzuholen. Inzwischen hat sich ein Onkel-Benz vor den Bestattungswagen gesetzt und hupt, unter Außerachtlassung sämtlicher Verkehrsregeln den Weg frei. Rote Ampeln oder Grünphasen? Fremdwörter für die Roma im Trauerzug, man fährt eben solange über die Kreuzung, wie die Karawane braucht, da muß auch schon mal eine Straßenbahn wild klingelnd warten.

Endlich kann ich an der Kolonne vorbei, winke Manni im Bestattungswagen kurz zu und kann mit Gas auf die Autobahn abbiegen. Manni wird viel länger brauchen als ich, die Roma legen Wert darauf, daß nicht zu rasant gefahren wird.

Sandy und ich treffen 45 Minuten später auf dem Friedhof ein, die Kolonne wird sicherlich knapp zwei Stunden brauchen. Wir haben noch einiges zu tun.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#geld! #gerolltes

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)