Drinnen spielt die Orgel und ich räume das Kondolenzbuch samt Pult wieder weg. Der Friedhofsverwalter kommt mit drei Kollegen, alle in grauen Anzügen und wartet darauf, daß der Pfarrer den verborgenen Knopf unterm Rednerpult drückt, dann können sie nämlich feierlich hineinstapfen und -poltern und den Sarg hinausschieben.
Das Kaffeetrinken soll in der Gaststätte „Weserblick“ stattfinden, und obwohl dieses Lokal eine wunderschöne Terrasse hat, kann man von keiner Stelle aus die Weser sehen, das wäre auch ein geographisches Wunder, aber Egon der Wirt hatte mal eine Kneipe an der Weser, die hieß „Weserblick“ und seitdem nennt er alle seine Gaststätten so. Nun ja.
Aber schön ist es im „Weserblick“, da kann man eine große Ziehharmonikatür zuziehen und so vom Gastraum ein Nebenzimmer abteilen, da ist man unter sich. Ich war da auch schon häufiger, vor allem in der Spargelzeit. Egon kocht die beste Spargelcremesuppe der Welt, aber auch seine gefüllten Rumpsteaks sind erste Klasse.
Etwa 30 Personen werden dort zusammenkommen, einige Nachbarn und Freunde und vor allem die Familie. Hanna, ihr Mann, Aloys, Ferdi und seine Tochter und natürlich die eigentliche Familie der Verstorbenen. Vor lauter Ferdi sind mir die Tochter und der Sohn des Franz Tekopens völlig entgangen, auch deren Ehepartner und vier junge Leute, wahrscheinlich die Enkel, sind gekommen und sitzen direkt jenseits des Ganges neben ihrem Vater und Großvater.
Insgesamt sind also doch sehr viel mehr Leute gekommen, als Tekopen ursprünglich gedacht hatte.
Ich könnte ja einfach dort Spargel essen gehen oder ich schleiche noch etwas um Herrn Tekopen herum, vielleicht lädt er mich ja ein? Die meisten Familien machen das, wenn sie sehen, daß man noch da ist, ich gehe so gut wie nie mit. Unter so vielen Fremden komme ich mir verloren vor und vielleicht denkt manch einer, ich sei nur gekommen, um auf die nächste Leich‘ zu lauern.
Aber zu gerne wüßte ich, wie es weitergeht.
Es ist vorbei.
Die Trauerfeier ist zu Ende, das dünne Gebimmel der altersschwachen Totenglocke zeigt an, daß wieder von jemandem Abschied genommen worden ist. Frau Tekopen wird wieder in ihre Kammer geschoben, am Nachmittag werden wir sie holen und zum Krematorium bringen. Zweimal hatte sich Herr Tekopen umentschieden, mal wollte er eine Erdbestattung, dann wieder Feuer…
Allein deswegen hätte ich über ihn schreiben können, aber das verblasste vor seiner Geschichte von Ferdi.
Nein, ich kann nicht dableiben, das wird mir peinlich. Während sich die Trauergäste vor der Kapelle sammeln und in Gruppen beieinander stehen, schaue ich noch einmal auf die Tekopen-Geschwister. Die zwei Brüder stehen beieinander, umringt von Franz Tekopens Familie, die den bislang unbekannten Onkel begrüßen und etwas abseits Hanna mit Mann und Bruder Aloys.
Man kann es Hanna nicht verdenken, daß sie ihren Bruder Ferdi ablehnt, hat er ihr doch -so glaubt sie es zumindest- in der schweren Zeit nach dem Krieg fast alles gestohlen, was sie besaß.
Es aufzuklären, daß es so nicht war und daß Ferdi unschuldig war, ja das obliegt nun Franz, demjenigen, der tatsächlich der Dieb gewesen ist.
Ich klappe den Kofferraum zu, werfe einen letzten Blick hinüber, steige ein und fahre weg.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: ferdi, hanna, Lektorin A, viii
Die Geschichte würds doch garnicht geben, wenn da nicht noch was kommt.
Ich hasse Geschichten mit offenem Ende. Im eigentlichen Leben kann man sich schon so genug Gedanken machen wie was ausgehen wird.
*Auf eine Fortsetzung hoff*
Trotzdem sehr „schöne“ Geschichte =)
Ich denke mal, nein, hoffe vielmehr, dass sich Franz später nochmal gemeldet hat und erzählt hat, wie es ausgegangen ist.
Mmh, ich fände es schön, wenn die Geschichte tatsächlich hier enden und die Tekopens unter sich bleiben würden.
ja, kann ich gut verstehen, dass man da mäuschen spielen möchte…
Das denkbar beste Ende, um [u]in sich selbst[/u] hinein zu horchen. 🙂
Ob der Franz sich das getraut hat?
Genau Thalassa, das meinte ich.
Hanna und Ferdi IX
Eine Woche später kam der Sohn von Tekopen. Sein Vater war verstorben…
Menssch Tom, solch eine heisse Geschichte und dann solch ein lauwarmes Ende! Ich ertappe mich gerade dabei, wie ich zum Voyer werde…
Wie ich Dich so kenne, hast Du einen Weg gefunden, noch herauszubekommen, wie es gelaufen ist.
@Ar-ras: An Axt in Kopf? Grusel… Man wünscht es ja keinem. Aber bei dieser Geschichte…
Aaaaaaaaaaargh!
Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaargh!
(Matthias spricht mir aus der Seele)
@ Matthias und Smack:
warum brüllt ihr wie ein Stall voll Blagen?
Wenn Du jetzt nichts über den Hintergrund gewußt hättest, – wäre Dir dann die Distanz einiger Sippenzweige zueinander aufgefallen?