Geschichten

Her mit der Kohle! -II-

Bei uns in der Gegend, also in der Gegend in der ich lebe, nicht da wo ich herkomme, da sagt man zu einem Menschen, der selbstbewußt und überzeugt auftritt, er habe Darm im Arsch. Analog dazu sagt man zu Luschen, ihnen fehle die innere Schlauchauskleidung des Rektums.

Der gefürchtete Herr Himmelreiter entpuppte sich bei seinem Besuch aber sogar als jemand, der nicht nur keinen Darm im Arsch hat, sondern als Sprechpuppe, der die Hand seiner Frau im Anus steckte. Ein kleiner bebrillter Buchhaltertyp in einer viel zu großen, dunkelblauen Jack-Wolfskin-Jacke mit lächerlichen gelbleuchtenden Aufnähern, der eher den Eindruck machte, sich selbst auf der Versammlung der Kleingärtner nicht zu Wort zu melden.
Hatte Sandy vorher noch scherzhaft gefragt, ob ich auch mein Kungfu-Müsli gegessen hätte, so wurde mir schnell klar, daß von Herrn Himmelreiter keinerlei Bedrohung ausging.

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Die Situation war ja ohnehin vollkommen klar. Die alte Frau Schönleber hatte ihre Vorsorge bei uns aufgelöst, das Sparbuch wieder in Empfang genommen und damit war die Sache für uns belegbar erledigt.
Das hatte ich seiner Frau, die eine Tochter der Verstorbenen ist, auch am Morgen schon gesagt.

„Ja, würden Sie vielleicht noch einmal nachschauen?“ traute sich das Männlein noch zu fragen, ich schob ihm die entsprechenden Unterlagen über den Tisch und seine Frau schubste ihn förmlich, damit er alles sorgsam prüfe.
Mehr kam da nicht. Die Zunge in den linken Mundwinkel geklemmt, putzte sich Himmelreiter umständlich seine Brille, las dann den einen Zettel, betrachtete den anderen, blätterte vor und zurück und sagte dann nur, etwas ängstlich in Richtung seiner Frau blickend: „Tja.“

„Ist das alles, was Du dazu zu sagen hast?“ fuhr ihn diese an und man konnte kaum so schnell gucken, wie es geschah, sie gab ihrem Mann einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf: „Siehst Du das nicht? Da muß doch unser Geld sein!“

„Nein, da is‘ nichts, die haben das an Omma ausgezahlt.“

Noch ein Klaps, der Mann zuckte nichtmal, er muß das so gewohnt sein.

Die Androhung, daß sie heute Nachmittag ihren Mann mitbringen würde, hatte in mir eine andere Erwartung geweckt, muß ich zugeben. Ich hatte mit einem kämpferischen, arroganten und vorlauten Besserwisser gerechnet, aber doch nicht mit einem solchen Bettnässer.

Einmal tief durchatmen und dann erklärte ich dem Ehepaar Himmelreiter nochmals in aller Ausführlichkeit den Ablauf einer Vorsorge an sich und die besonderen Umstände einer Auflösung und den Fortgang.

„Wenn das Geld jetzt nicht mehr da ist, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat Ihre Mutter sich das Geld tatsächlich von dem anderen Bestatter auszahlen lassen oder aber es ist dort bei diesem Bestatter. Bei uns jedenfalls ist es nicht mehr.“

Nachdem Frau Himmelreiter erkennen musste, daß ihr holder Göttergatte nicht zu mehr taugt, als zu hilflosem Stammeln, fegt sie ihn förmlich zur Seite. Man muß sich dieses Bild bitte einmal vorstellen: Bislang hatte sie hinter dem Stuhl gestanden, auf dem ihr Mann -um besser lesen zu können- Platz genommen hatte. Nun fasste sie diesen Stuhl an der Lehne, kippte ihn auf die Hinterfüße und zog ihn mitsamt ihrem Mann, der wie auf einer Sackkarre hockte, einfach einen Meter nach hinten. Dann ließ sie den verdutzten Oberbuchhalter einfach wieder in die Ausgangslage kippen und stapfte wutschnaubend einen Schritt vor.

„So kommen Sie mir nicht davon! Egal ob Sie oder der andere uns beklaut haben, wir werden jetzt sofort zu Polizei gehen. Dann werden Sie sehen, was Sie von Ihrem Verhalten haben. Jawoll!“

‚Jawoll?‘ Das sagt sonst immer nur der ewiggestrige Nachbar Nasweis-Lästig, der dabei auch immer brav die Hacken zusammenschlägt und nur mühsam ein Hochschnellen der braunen rechten Hand unterdrücken kann.

Angesichts der Ausgangssituation und des lächerlichen Pupshansels, den sie da mitgebracht hatte, wirkte dieses ‚Jawoll‘ aus dem Munde der Frau Himmelreiter eher belustigend.
Auf der anderen Seite: Wer hat schon gern mit der Polizei zu tun?
Ganz ehrlich? Ich nicht! Irgendwie sind die meisten Polizisten privat schon etwas -na nennen wir es mal so- ‚besonders‘ und dienstlich? Na ja, ich formuliere es mal vorsichtig: Bislang war es mir noch nie möglich, einem Polizisten irgendeinen beliebigen Sachverhalt so einfach und in so einfacher Sprache zu vermitteln, als daß er in der Lage gewesen wäre, ihn a) zu erfassen und b) auch noch schriftlich wiederzugeben.

Das liegt weder an der Intelligenz des Polizisten, noch an meiner gespreizten Ausdrucksweise, sondern an der grundsätzlichen Inkompatibilität von Bürgerdeutsch und Polizistendeutsch. Das sollte Langenscheidt mal einen Übersetzungsratgeber drucken.

Ich schreibe in einem Bericht: „Die Leiche wurde von uns mit dem Bestattungswagen in die Gerichtsmedizin gebracht.“

Ein einfacher Satz, der alles wiedergibt, den jeder versteht und der auch schnell zu schreiben war.
Ein Polizist beschrieb das Gleiche in seinem Bericht so:
Alsdann erfolgte die zeitnahe Verbringung des zunächst verunfallten und dann verstorbenen Verkehrsteilnehmers in einem für den Leichentransport geeigneten Kraftfahrzeug in das Pathologische Institut der Universität. (Gerichtsmedizin)

Das ist mir alles zu kompliziert.

Also sind wir jetzt mal alle gespannt, was die gute Frau Himmelreiter der Polizei erzählt, was diese dann versteht und aufschreibt, wie das dann von der Staatsanwaltschaft interpretiert wird und was die nächsten Schritte sein werden.

SEK? MEK? CSI?

Ich biete dem Ehepaar Himmelreiter noch an, einmal mit dem betreffenden Kollegen zu telefonieren, vielleicht kläre sich ja dann alles, aber die Frau winkt nur ab, wirft mir einen ganz arg bösen Blick zu und zieht ihr Männchen hinter sich her.

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(©si)