Ich schrieb ja, daß mir Herr Kupfer auch wegen seiner Tochter leid tut, aber noch nicht warum. Der kurze, etwas peinliche Auftritt der Tochter hätte mich nicht weiter nachdenken lassen. So sind Leute eben im Allgemeinen und im Besonderen wenn sie jemanden zu beerdigen haben.
Herr Kupfer und der Kupferstecher traten Wochen später wieder bei uns auf und lieferten uns einige Episoden ab.
Die Beerdigung war längst vorbei, die Blumen auf dem Grab schon verwelkt, da kam Herr Kupfer mit dem Beinaheschwiegersohn Harry zu uns. Recht verlegen stand er in der Halle und wartete auf mich. Als ich dann nach wenigen Minuten kam, sah ich wie Harry dem alten Herrn förmlich einen kleinen Schubs gab.
Der Alte tat einen Schritt nach vorne, blieb wieder verlegen stehen und stammelte ebenfalls verlegen mit leiser Stimme: „Ich, ich hätt‘ da eine Reklamation.“
„Kommen Sie bitte“, sagte ich, wies den beiden den Weg zu einem Beratungszimmer, hielt ihnen die Tür auf und bot Plätze an.
„Um was geht es denn, Herr Kupfer?“
„Ja, ja das ist so…“, begann Herr Kupfer und drehte zögerlich unsere Rechnung zwischen seinen Händen. Den Umschlag hatte er an einer Seite sorgfältig mit der Schere aufgeschnitten und das Eingangsdatum mit einem Kugelschreiber darauf notiert.
Weiter kam er jedoch nicht, denn Harry ging das offensichtlich alles nicht schnell genug, denn er mischte sich nun ein: „Der Kupfer will sagen, daß er sich sehr über die Rechnung aufgeregt hat. Die stimmt ja hinten und vorne nicht!“
Herr Kupfer schaute auf den Boden, hob etwas den Kopf und begann: „Aufgeregt? Naja, eigentlich habe ich mich nicht…“
Harry: „Er kann jetzt nicht so wie er will, wegen der Trauer, sie verstehen? Das mit der Rechnung geht so nicht. Da müssen Sie was machen.“
„Was stimmt denn mit der Rechnung nicht?“ fragte ich, wartete aber seine Antwort nicht ab, sondern nahm den Telefonhörer und gab nach vorne ins Büro durch, daß ich bitte Getränke und die Akte Kupfer haben möchte. Sandy kam innerhalb von Sekunden, brachte zunächst mal die Mappe mit der Akte und Harry erzeugte angesichts ihrer langen Beine ein schmatzendes Geräusch mit seinen gelben Pferdezähnen, grinste breit und brummte: „Aber hallo, schöne Frau, heute schon einen Frosch geküsst?“
Es sind so diese Sekundenbruchteile des Sich-Anschauens, Sich-sofort-Verstehens, die da zwischen mir und Sandy abliefen und die sie dazu brachten, zu antworten: „Wenn Sie sich meinen, wär der Frosch ne echte Alternative.“
Sprachs, drehte sich um, daß ihre langen Haare flogen und verschwand. Der Kupferstecher war aber kein bißchen düpiert, vermutlich hatte er den Spruch gar nicht verstanden.
Er beugte sich nach vorne, lehnte sich etwas über meinen Schreibtisch und sagte grinsend: „Die hat’s aber faustdick hinter den Ohren“, schmatzt wieder, leckt sich die Lippen, schiebt seine Zunge in die rechte Backe und grinst schmierig.
Ich wendete mich Herrn Kupfer zu und fragte: „Was ist denn mit der Reklamation? Ich habe die Akte jetzt hier, was stimmt denn nicht?“
Man sah es dem alten Herrn an, wie unangenehm ihm das alles war und er zögerte, doch Harry gab ihm einen Klaps auf den Rücken: „Na los!“
„Ja also“, begann Kupfer zögerlich, „meine Tochter meint, der Sarg der wäre völlig falsch gewesen. Sie meint der sei zu dunkel, wir hätten einen helleren ausgesucht, ich weiß ja nicht…“
„Völlig falsches Modell!“ meldete sich Harry laut zu Wort: „Das berechtigt uns zur Mietkürzung oder wie man das nennt, auf jeden Fall können wir die Rechnung abziehen.“
Ich schaute in die Unterlagen, auf meinem Schmierzettel, auf dem Laufzettel, auf der Auftragsbestätigung für Herrn Kupfer und auf der Rechnung ist jeweils das gleich Modell „München“ aufnotiert, ein heller Buchensarg. Ich sagte: „Also nach unseren Unterlagen haben Sie sich ein bestimmtes Modell ausgesucht und auch genau dieses ist dann verwendet worden.“
„Siehste!“ sagte Herr Kupfer an Harry gewandt: „Das habe ich doch gleich gesagt!“
„Nein, Du hast Dich aufgeregt, du bist sauer, du wolltest einen helleren Sarg!“
Der alte Herr war dem Muscle-Shirt-Träger nicht gewachsen, sagte ich schon, daß ich Männer in zu kurzen Turnhosen und Asiletten nicht ernst nehme?
„Also, wenn ich mir Herrn Kupfer so anschaue und anhöre“, sagte ich, „dann habe ich den Eindruck, daß er ganz zufrieden ist und Sie derjenige sind, der hier ein bißchen auf den Putz hauen will.“
„Ich? Ich habe damit überhaupt nichts zu tun, ich habe den Kupfer bloß begleitet.“
„Bloß begleitet?“ meldet sich der alte Herr zu Wort: „Du mich begleitet? Ich brauche niemanden, der ich begleitet, ich kann das alles noch ganz schön alleine, Du hast ja nichtmal einen Führerschein. Wegen Dir habe ich durch die halbe Stadt fahren müssen, um Dich zu holen.“
Sandy kam herein, unterbrach die kurze Diskussion und stellte ein Tablett mit einer Kaffeekanne, drei kleinen Wasserflaschen, sowie den benötigten Tassen und Gläsern auf ein Beistelltischchen.
Harry setzte sofort wieder auf seine Gockeltour, offenbar hielt er sich für absolut unwiderstehlich und lebte in dem Wahn, alle Frauen müßten angesichts seiner Person in sofortige Brunftbereitschaft verfallen.
„Da ist sie ja wieder, die schönste Frau des Morgenlandes! Hat sie auch ’ne Handynummer?“
„Na klar.“
„Und darf ich mir die ins Herz schreiben?“
„Geben Sie mir ein Messer und ich mach das selbst!“
Ich liebe dieses Hexenweib!
Mit offenem Mund saß Harry da und als Sandy dann raus war, schmatzte und bleckte er wieder, beugte sich jovial, kumpelhaft zu mir herüber und fragte: „Kann man sich die klar machen, was meinen Sie?“
Ich meine, das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da kommt dieser Primitivling mit seinem eventuell zukünftigen Schwiegervater hier her und scheut sich nicht, in seiner Anwesenheit ganz ungeniert zu flirten. Dann weiß er auch nichtmal in welchem Verhältnis Sandy zu mir steht, sie könnte meine Frau oder meine Tochter sein. Aber selbst wenn es so wäre, ob den das gestört hätte?
Trotzdem und obwohl sich Sandy immer sehr gut selbst wehren kann, mußte ich was sagen, schon allein um dem Asiletten-Mann zu zeigen, daß ich nicht sein verständnisvoller Kumpel bin: „Vielleicht sollt Sie sich mehr auf den Grund Ihres Besuches konzentrieren und Ihre Zunge einfach etwas im Zaum halten, ja?“
„Ja aber hallo! Wenn so ein Schneckchen kommt, dann muß ich einfach checken ob da was geht“, protestierte Harry und fuhr fort: „Man muß doch abtesten ob die feucht werden.“
Ich zog die Augenbrauen hoch, beugte mich nun meinerseits über den Schreibtisch, winkte mir den Gelbzahn mit dem Zeigefinger etwas heran und sagte ihm direkt ins Gesicht: „Wenn Sie was Feuchtes wollen, dann trinken Sie ein Glas Wasser, ja? Noch so eine blöde Bemerkung und ich schmeiß Sie hier eigenhändig raus.“
Der alte Herr Kupfer hielt immer noch den Umschlag mit unserer Rechnung in den Händen, nahm diesen, klatschte damit auf seine Schenkel und zog dann seinen Autoschlüssel aus der Jackentasche: „So Harry, jetzt langt’s, nimm den Schlüssel, geh nach draußen und setzt Dich in den Wagen. Aber nicht an den Knöpfen spielen, Du Arschloch!“
Harry war perplex, wollte irgendetwas sagen, doch es reichte, daß ich nur kurz aufstand und ihn von hier oben anschaute. Wortlos ging er.
Jetzt wäre eigentlich der Moment gekommen gewesen, in dem Herr Kupfer und ich uns mal in Ruhe hätten unterhalten können. Es hätte sich vermutlich herausgestellt, daß er nur ungern zu uns gekommen war und daß man ihn dazu gedrängt hatte, doch genau in diesem Moment stellte mir Frau Büser ein Gespräch durch, am Apparat war die Tochter des Herrn Kupfer.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: herr, kupfer
@Matthias:
Ach… naja, unser „Grosser“ ist jetzt seit 3 Wochen Schulkind, seine Mama Elternsprecherin und ich muss ehrlich sagen, manche Eltern sollten Pest und Cholera noch als Gottesgabe ansehen duerfen, wenns nach mir ginge…
But who am I to judge. 🙂
Jedenfalls vereint das gestochene Kupfer so einigemeiner Klischees ueber die neue Generation in sich: dumm, respektlos, vorlaut – und zieht die Rechtfertigung fuer ihr Verhalten daraus, dass sie jemanden an ihre Seite gestellt hat, der noch duemmer, respektloser und vorlaut ist.
Uebrigens zeigt die Erfahrung, dass sie das noch bereuen wird, diesen Kerl an ihre Seite geholt zu haben. Denn Frauen wie sie sind auch nur Menschen, und Kerle wie ihn interessiert das nicht, die tun auch solchen Frauen weh. Ohne Reue.
Mag dem Ein oder Anderen geeignet sein, Genugtuung zu finden 😉
Ich liebe solche Geschichten. Ich habe bei Gericht auch so manche Story in diesem Stile erlebt.
Und die Schilderung von Sandy macht Lust auf mehr. Hat Sandy auch einen eigenen Blog?
aaah .. und schon wieder ein cliffhanger zum frühen morgen.
unabhängig davon frage ich mich manchmal, wie eltern solche kinder verdient haben können.
und die tochter erklärt jetzt man hätte einen dunkleren sarg wollen 😉
Jetzt hört der schon wieder mittendrin auf 😉
Das schlimmste für mich sind „dumme Menschen“ so wie der Kupferstecher.
Papa Kupfer hat richtig gehandelt. Sandy hat super Antworten gegeben. Primitiv, wie der Kupferstecher ist, hat er nicht mal kapiert, was sie ihm sagen will.
Danke für die Erheiterungen am Morgen
Hach, ich liebe Sandy. Ich möchte auch mal so schlagfertig wie sie sein.
@Nila:
Das schlimmste sind nicht dumme Menschen…das schlimmste sind dumme Menschen, die ihre Dummheit toll finden und sie aller Welt zeigen, sie schon fast als Religion zelebrieren…
….ja und wie geht die Geschichte jetzt weiter??? Was wollte die Tochter von dem Herrn Kupfer?
Ich wünsche mir nur einen Bruchteil von Sandys Schlagfertigkeit. Ich liebe sie auch :)))
Aber echt, wieso wird mittendrin aufgehört…
Naja, das erhöht die Spannung auf den hoffentlich nächsten Eintrag;)
Aber der Herr „Kupferstecher“ ist echt der Hammer 😉
Redegewandte Sekretärin, die du da hast ^^
Applaus für Sandy! Und mein Vater pflegt immer zu sagen, dass Dummheit das größte Übel der Menschheit ist.
[quote]Was wollte die Tochter von dem Herrn Kupfer?[/quote]
Reklamieren natürlich.
Leute gibts……aber bitte spann uns nicht so lange auf die Folter, was wollte die kleine Kupfer?
Lasst mich weiter phanthasieren: der geile Gockel hat übers Handy seiner Holden vier Worte geflüstert: „Der hat mich rausgeschmissen!“ Die Tochter will garnicht wissen warum, deshalb kommt Tom auch gar nicht zu Wort, sie will, sofort ihren Vater sprechen, dem sie Mitteilt, dass er ohne Zeugen und Anwalt kein Wort mehr sprechen darf, weil er sonst wieder über den Tisch gezogen würde. Allein könne er das Alles nicht mehr beurteilen, da er in seinem Alter sowieso fast nicht mehr geschäftsfähig sei.
Merke: Mache stehts was Deine Kinder und ihre derzeitigen Anhängsel anordnen und füge Dich drein, denn sie sind es, die Deinen Pflegeheimplatz aussuchen.
Schon wieder einer, der mir meinen Namen klaut ò.Ó
Ich setzte Sandy jetzt einmal auf eine Stufe mit Abby!
Und wer drauf kommt welche Abby ich meine, der weiß, daß das ein Kompliment ist denn ABBY IST TOLL! *g*
Endlich wieder eine Cliffhanger-Geschichte. 🙂
Tschakka!
So ein Sandy-Exemplar hätte ich auch gerne – um die „freche Schnauze“ zu lernen. Sowas von genial!
Lieben Gruß von hier nach da!
zu #18:
klar: Abby aus der Serie NCIS!!
(Ich oute mich mal als Abby-und-Gibbs-Fan … aber das nur am Rande)