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Herr Kupfer III

orgel

Harry sitzt draußen im Wagen, Herr Kupfer -immer noch die Rechnung in den Händen- vor mir und aus dem Telefon keift mich seine Tochter an. Ein unmögliches Verhalten hätten wir an den Tag gelegt, einen völlig falschen Sarg geliefert, ich könne froh sein, daß es die Sendung „Wie bitte?“ nicht mehr gibt, sonst würde sie und da mal melden und überhaupt stehe sie kurz davor, die ganze Sache ihrem Anwalt zu übergeben und der Verbraucherzentrale zu melden.

Irgendwann muß sie Luft holen und ich nutze die kurze Pause, um ihr zu erklären, daß wir exakt den Sarg geliefert haben, den man sich ausgesucht hatte und daß sie mir drohen kann soviel sie will. Das sei ihr vollkommen egal, ich sei der Vorsitzende einer Betrügerbande und sie verlange daß wir die Rechnung gerade mal eben um 50% reduzieren, „von wegen dem Schmerzensgeld und so“, ihr Verlobter kenne sich in Rechtsfragen aus, der habe auch jede Menge Ärger wegen Hartz IV und so und sei perfekt im Widersprüche schreiben, den wolle sie jetzt auch mal eben sprechen.

„Den hat Ihr Vater vor die Tür gesetzt.“

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„Ja wieso das denn? Dann ist mein Vater jetzt ja Ihnen kopflos ausgeliefert!“

„Am Besten Sie besprechen das mit Ihrem Vater“, sage ich und reiche dem alten Kupfer den Hörer. Die Tochter schreit so, daß man es auch auf meiner Seite des Schreibtisches noch hört, ich kann aber dennoch nichts verstehen. Herr Kupfer sinkt immer mehr in seinem Stuhl zusammen und er tut mir leid, so sehr setzt ihm seine Tochter zu.

Schließlich ist das Gespräch beendet und er reicht mir den Hörer.

„Und?“ frage ich, er hebt nur kurz die Schultern, verzieht seinen Mund und meint dann: „Ach, wenn Sie wüßten… Die wollen einfach reklamieren.“

„Ja aber weswegen denn? Sie wissen doch, daß wir den richtigen Sarg geliefert haben, da besteht doch gar kein Zweifel dran.“

„Ich weiß das, Sie wissen das und die wissen das auch. Aber die haben sich in den Kopf gesetzt, daß man bei jeder Rechnung was rausschlagen kann. Ich würde ja am Liebsten sofort bezahlen und gut ist’s.“

„Dann machen Sie das doch! Sie zahlen und ich gewähre Ihnen einen Nachlass für das Sofortbezahlen den Sie dann Ihrer Tochter als Erfolg verkaufen können.“

„Ja, so machen wir das. Ich überweise Ihnen heute noch das Geld, dann ist die Sache erledigt.“

Ein bißchen muß ich ja auch an mich denken und sage noch: „Aber sagen Sie das am Besten erst hinterher Ihrer Tochter, sonst gibt’s nur noch mehr Theater.“

Wenn der alte Kupfer erst mal bezahlt hat, dann können seine Tochter und Hartz-IV-Harry soviel Theater machen wie sie wollen und meinetwegen auch beim Fernsehen und beim Papst anrufen.

Herr Kupfer murmelt noch ein paar Worte der Entschuldigung, ihm ist das ganze sichtlich peinlich und er geht dann.

Zwei Tage später sehe ich, daß die Zahlung verbucht ist, er hat also tatsächlich überwiesen. So wie ich das auf meinem Kontoauszug sehe, muß das auch seine Tochter auf den Auszügen ihres Vaters gesehen haben und deshalb wundert es mich nicht, als die eines nachmittags mitsamt dem Turnhosen-Harry bei mir im Laden steht: „Das haben Sie ja geschickt eingefädelt! Aber damit kommen Sie bei mir nicht unten durch! So einen alten Mann können Sie untern Tisch ziehen, aber ich lasse das nicht mit mir machen. Los, Harry, sag doch auch mal was!“

Harry bleckt seine gelben Zähne und reckt den Hals: „Ich kenn‘ mich da aus, wir haben schließlich Rechte!“

„Genau!“ stimmt ihm seine ‚Verlobte‘ zu und gibt ihm einen Stoß. Er rappelt sich noch einmal zu den höchsten kognitiven Leistungen auf zu denen er im Stande ist und sagt: „Rechte haben wir!“

„Ich melde das an die Verbraucherschützer, die machen Ihnen dann den Laden hier zu, das wäre doch gelacht“, schimpft Frau Kupfer und Harry übertrifft sich selbst, indem er sagt: „Wir haben schließlich Rechte.“

„Nun“, sage ich, „Sie mögen sich jetzt hier aufplustern wie sie wollen. Ich weiß gar nicht was sie von mir wollen. Ihr Vater hat bei uns bestimmte Leistungen und Waren bestellt, die Leistungen haben wir komplett erbracht, die Waren alle wie bestellt geliefert, ihr Vater sieht das auch so und hat unsere Rechnung bezahlt. Damit ist die Sache erledigt.“

„Nicht für uns! Der Sarg war ganz sicher ein ganz anderer, da beißt keine Maus einen Zacken ab!“
Frau Kupfer ist erregt, hat Schweißperlen auf der Nase und ihr Gesicht ist ganz rot. In Anbetracht der herbstlichen Witterung ist sie schon fast winterlich gekleidet, während ihr arbeitsscheues Anhängsel wie gewohnt in Badelatschen, zu kurzer roter Turnhose und Muskel-Hemd vor mir steht und sich die Lippen leckt.
Trotzdem mache ich keine Anstalten mit denen in ein Büro zu gehen und bleibe in der Halle stehen, mehr haben die nicht verdient.
Nadine geht durch die Halle, nickt kurz und höflich, Harry gibt ein leises Pfeifen von sich und schaut ihr auf den Po und sagt: „Olla!“
Frau Kupfer scheint das nicht zu stören, sie kennt das offenbar, außerdem ist sie viel zu sehr damit beschäftigt, zu schwitzen und zu schimpfen. Ich höre ihr schon gar nicht mehr zu, lasse sie ihre Litanei herunterschimpfen und gehe dann einfach in Richtung Ausstellungsraum: „Kommen Sie bitte!“

Frau Kupfer dampft wie ein Schlachtschiff schnaubend hinter mir her, Harry trottelt (kein Schreibfehler) ebenfalls hinterher.
Im Ausstellungsraum bleibe ich stehen und sage: „So, jetzt zeigen Sie mir doch bitte mal den Sarg, den Sie sich ausgesucht haben.“

Frau Kupfer steuert zielsicher auf den Buchensarg zu, klopft mit der Hand auf das Holz und sagt: „Den hier, den hatten wir uns ausgesucht.“ An Harry gewandt fügt sie hinzu: „Siehste, da steht er noch, also haben die den doch nicht für Mutter genommen!“

„Das kann ich Ihnen leicht erklären“, sage ich: „Hier stehen nur Mustersärge, abgesehen von einigen Einzelstücken haben wir die alle noch dutzendfach am Lager und ihre Mutter hat ganz genau den gleichen Sarg bekommen.“

„Das stimmt aber nicht, der war ganz anders!“

„Moment!“ sage ich gehe ins Büro und hole die Akte Kupfer. Wieder im Ausstellungsraum ziehe ich aus der Mappe unsere obligatorischen Fotos hervor und zeige es den beiden: „Sehen Sie, das ist ein Foto von der Verstorbenen im Sarg und hier ist eines vom geschmückten Sarg in der Trauerhalle. Man kann deutlich erkennen, daß es der gleiche Sarg ist wie dieser hier.“

Wortlos reicht Frau Kupfer die Fotos an den Badelatschenmann, der glotzt nur kurz und meint: „Das ist der selbe.“

„Sie werden noch von uns hören!“ mufft mich die Tochter an, nimmt Harrys Hand und zieht ihn mit sich. Ich nehme ihm noch schnell die Fotos aus der Hand und winke dem schönen Paar noch freundlich hinterher.


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 25. September 2008 | Revision: 8. Dezember 2015

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