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Herr Newton und der Kamm

Ich habe ja nix gegen Herrn Newton an sich. Wenn der Tünnes die Schwerkraft nicht erfunden hätte, würden wir ja alle nur so umeinand schweben.

Auf der anderen Seite ist diese ganze Schwerkraftgeschichte schon deshalb unpraktisch, weil mir heute eine Flasche Lampenöl heruntergefallen ist. Lampenöl!

Und heruntergefallenes Lampenöl kann man steigern: Lampenöl genau auf der Schwelle zwischen Teppichboden und Steinfußboden. So hat man wenigstens jede Ausprägung der Sauerei, glitschiges Geschwummel auf glattem Stein und großflächige Flecken im Teppichboden, prima!

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Die Angehörigen wollen in zwanzig Minuten da sein, ich wollte bloß die kleinen Öllampen auffüllen und anzünden, damit es in der Aufbahrungskammer schöner aussieht. Irgendwer hat die Ölflasche aus Plastik nicht richtig abgewischt, sie war fettig, ist ja sowieso viel zu flexibel und dann ist es passiert…

Was mach ich jetzt? Ich habe eindeutig keine Zeit mehr, die Sauerei zu beseitigen, bevor die Leute kommen.
Also schiebe ich den Sarg hintenrum in die Trauerhalle und drapiere Lebensbäumchen ringsherum, stelle ein paar Stühle im Halbkreis auf und setze ein paar Lichtakzente.

Klasse Idee!

Doch leider will der verstorbene Herr Dunkfleet nicht mitspielen, legt beim Herumschieben des Sarges den Kopf auf die Seite und verschmiert mir das Kissen mit Schminke. Sind nur ein paar Bröckchen, kann man wegwischen, doch leider weiß nur ich das, bis zu den ZEWA-Tüchern ist diese Erkenntnis nicht durchgedrungen, sie sind der Meinung, daß es besser ist, die Schminke großflächig auf dem ganzen Kissen zu verteilen.

Runter in den Keller, neues Kissen aus dem Regal holen, mit Holzwolle stopfen, zutackern, Gummihandschuhe, den Verstorbenen leicht anheben, das verschmierte Kissen raus, das neue rein, alles mit einer Hand, denn der bleibt ja nicht oben der Mann (Newton!!!). Was hab ich denn jetzt mit den Haaren gemacht, irgendwie muß ich den Armen ziemlich verstrubbelt haben.
Wie sah der denn vorher aus? Bin ich in St. Alzheimer getauft worden oder was? Alles nach hinten oder trug der einen Scheitel?

Von nebenan schnell einen Kamm holen, ich kämm‘ mal alles nach hinten, das sieht ganz gut aus und ich glaube so war es vorher auch.
Ein Blick auf die Uhr, die Leute müssen jeden Moment kommen, vorne die Tür ist offen, die können gleich durchmaschieren.
Das Kissen! Mensch, das alte Kissen muß weg, ich glaube die kommen schon.
Ein Tritt müsste reichen und das Kissen rutscht über den glatten Boden durch die Tür nach nebenan.
Denkste! Das dumme Ding geht auf und die ganze Trauerhalle liegt voll Holzwolle.

Besen, Wischer, Desinfektionsspray…
Gott sei Dank kommen die Leute doch noch nicht.
Ist jetzt alles okay? Letzter Blick auf den Verstorbenen… Grinst der? Ich könnte schwören, daß der grinst…

Jetzt höre ich Stimmen, die Leute kommen wirklich! Schnell die Tür nach nebenan zu, alles sieht perfekt aus. Ich fange die Leute in der Halle ab, erkläre ihnen daß wir umdisponiert haben und führe sie in die Trauerhalle. Sie zögern etwas, ich schaue nach vorne. Mist! Mitten auf der Decke liegt noch der Kamm!
Ich schiebe mich an den Leute vorbei, gehe würdevoll nach vorne, ich habe ja ein breites Kreuz, lasse den Kamm unter der Decke verschwinden, und dann sind auch die Leute da.

Die Abschiednahme verläuft würdevoll und die Angehörigen sind sehr ergriffen.
Besonders schön fanden sie, daß ich als Erster zum Verstorbenen gegangen bin und ihm die Hände gestreichelt habe…
Wir sind halt Profis.

So bekommen die Leute eine Prunkaufbahrung.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#herr #kamm #Lektorin A #newton

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