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Ich möchte Bestatterin werden – Wer gibt mir eine Chance?

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Bestattungsexperte Peter Wilhelm über die geringen Chancen, eine Ausbildungsstelle als Bestatter zu finden.

Leserzuschrift: Ich bin Mitte Vierzig, weiblich und habe leider nach anderthalb Jahren eine Ausbildung abgebrochen. Inzwischen hatte ich einen Job nach dem anderen. Grafik, Gastronomie usw. und nun fülle ich Regale auf, in einem Einkaufsmarkt.
Nach einem einschneidenden Erlebnis im Bekanntenkreis, das mit dem Tod zu tun hatte, wusste ich plötzlich wo es mich hinzog.

Ich will Bestatterin werden.

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Meine Entscheidung dazu erschreckte einige Leute, aber nun haben sie sich dran gewöhnt.
Ich will nun eine Lehre machen, diese auch abschliessen und mich weiterbilden.
Ich setze alles dran das ich diesen Weg gehen kann. Ich darf sogar ein Praktikum absolvieren bei einem Bestatter.

Ich bin ja schon froh das mich überhaupt jemand ernst nahm und sich mehr als nur einen Augenblick mit meinem Anliegen beschäftigte.
Meistens ist es mir nämlich so ergangen, daß ich schon zu Beginn des Gesprächs das Gefühl hatte, als absolviere der Bestatter nur eine lästige Pflicht und warte nur darauf, mich schnell wieder abzuschießen.
Das ist ziemlich irritierend, da sich doch diese Leute auf die Fahne geschrieben haben, besonders „verständnisvoll und einfühlend“ zu sein.Warum behandelten sie mich derart oberflächlich und packten mich offensichtlich in die Schachtel, „spinnt n bisschen“?

Der erste Bestatter den ich gefragt habe wegen eines Praktikums, der hat mich von oben bis unten gemustert, säuerlich gelächelt und mich fast schon behandelt als wäre ich eine eklige Made. Der Spruch: „Ah, eine Reiterin, das sind doch die mit den Rückenproblemen“ hat mich ziemlich wütend gemacht.
Ich muss hier noch erwähnen das dieser Betrieb mehrere Filialen hat, alles in Familienhand.

Meine Erfahrung bis jetzt: Familienbetrieb = null Chancen für Außenstehende

Bei einem anderen Bestattungsunternehmen, geführt von jüngeren Bestattern, gab man mir wenigsten die Chance, ein Praktikum zu machen.
Ich freue mich darauf.
Aber eine Perspektive habe ich dort wohl auch kaum, es ist ein Familienunternehmen und es gibt sehr viele Familienmitglieder…

Dabei möchte ich doch nur irgendwo eine Chance bekommen und eine Ausbildung machen.

Ich dachte mir, ich frage noch bei den anderen Bestattern nach um sicher zu gehen das ich irgendwo weiterkomme.
Nächster Bestatter: Ein langer grauer Gang, hinten eine Frau die nett aber eisig distanziert ist. Es ist abgedunkelt und wirkt wie eine Spinnenhöhle.
Auf meine Frage hin, werde ich kopfschüttelnd unterbrochen. „Bei uns nicht und in der ganzen Stadt nicht, wahrscheinlich nirgendwo…“
In meinem Kopf ergänzte ich „…versuchen Sie es doch mal auf einem anderen Planeten!“

Als letzte Empfehlung hörte ich: „Da müssten sie schon umziehen, in eine Großstadt!“

Der nächste Bestatter existierte nur im Internet. Mit Foto und Telefonnummer, aber er blieb ein Geist. An der angegebenen Adresse gab es kein Bestattungsinstitut.
Und auch beim nächsten hatte ich Pech. Die Bestatterin hörte sich kurz an, was ich zu sagen hatte, winkte dann aber ab. Sie habe kaum Arbeit und die nähre gerade ihren Familienbetrieb.

Nun die Frage:

Welche Möglichkeiten habe ich noch, wenn das mit dem oben genannten Bestatter nicht klappt, irgendwo ein Praktikum zu machen.
Ich möchte nur eine Ausbildung machen, dann ziehe ich weiter in den Süden, ich spekuliere ja im Ausbildungsbetrieb nicht einmal auf eine Festanstellung.
Ich überlege mir, vorzuschlagen, daß ich nicht mal einen Lohn brauche, wenn ich da nur lernen darf und zweimal die Woche morgens weiter im Einkaufsmarkt arbeiten könnte, damit ich den Bus bezahlen kann.
Ich würde so einiges auf mich nehmen um eine Lehre machen zu dürfen.

Hätten sie mir einen Rat oder Ideen wie ich es schaffen könnte eine Lehre als Bestattungsfachkraft machen zu können?
Trotz der vielen Familienbetriebe oder Unterbeschäftigten.

Vielen Dank für Deine lange Zuschrift.
Sie spiegelt meine Erfahrungen wieder.
Es ist extrem schwer, eine Praktikantenstelle oder einen Ausbildungsplatz im Bestattungsgewerbe zu finden.
Ein Praktikumsplatz geht ja noch, aber bei den Ausbildungsplätzen hört es auf.

Der Beruf des Bestatters ist zu einem sehr beliebten Beruf geworden und es bewerben sich alljährlich Hunderte um die wenigen Ausbildungsstellen.
Nachwuchssorgen hat man in dieser Branche jedenfalls nicht.
Auch drängen viele Quereinsteiger aus den Pflegeberufen in die Branche, die einen sehr guten Zugang haben, weil eine Ausbildung zum Bestatter nicht zwingend erforderlich ist.

Der wichtigste Rat, der Dir gegeben wurde, war der Rat, es in einer Großstadt zu versuchen.
Großstädtische Bestattungsunternehmen wickeln bedeutend mehr Sterbefälle ab, als Bestatter auf dem Land.
Oft rechnet sich das Bestattungsunternehmen im dörflichen Bereich überhaupt nur, weil man noch eine Schreinerei, ein Möbelgeschäft oder ein Fuhrunternehmen als Haupteinnahmequelle hat; oder weil man bei der Arbeit auf die Mithilfe der Familie setzt.
Angestellte kann man sich nicht leisten. Denn Angestellte (auch Auszubildende) haben Anspruch auf eine feste und regelmäßige Bezahlung.

Anders sieht das in der Großstadt aus. Dort ist es, aufgrund des Konkurrenzdrucks, nicht leichter, ein Bestattungshaus zu führen, aber es sind mehr Sterbefälle abzuwickeln und infolgedessen sind die Bestatter auf die Mitarbeit von Angestellten angewiesen.
Nun ist aber auch in der Stadt die Zahl der festen Angestellten in einem Bestattungshaus begrenzt. Viel häufiger werden Leute zur Aushilfe gesucht, die bei viel vorhandener Arbeit, oft auch nur nachts, flexibel einspringen.

Auch wird in den Ausbildungszentren eine ganze Generation junger Bestatter herangezüchtet, die ja alle irgendwo eine feste Anstellung anstreben.
Waren es in der Anfangszeit der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft noch sehr, sehr viele Sprößlinge von alteingesessenen Bestatterfamilien, die sich da ihre Qualifikation holten und bescheinigen ließen, so kommen inzwischen immer mehr Auszubildende, die nicht zur Familie gehören, hinzu.

Das bedeutet: Im ländlichen Bereich wird man kaum eine Chance haben. Die guten Stellen in den Städten werden durch Familienangehörige, Quereinsteiger aus Pflegeberufen oder frisch ausgelernten Bestattern besetzt.

Die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, sind äußerst gering.

Es kann nur eines helfen: Bewerben, bewerben, bewerben und dann mobil sein und in Kauf nehmen, eine Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte irgendwo in Deutschland anzunehmen.

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