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Ich zerquetsche Dich wie eine Wanze

Ich komme gestern nach Hause und als ich das Auto parke, sehe ich die Fahrräder der Kinder vor dem Haus. Mist, ich hatte doch versprochen Brot mitzubringen und jetzt werden die hungrigen Schmachthaken kurz vor dem Verknöchern stehen…
Okay, die Bäcker haben schon zu und zum Supermarkt, der bis 22 Uhr auf hat, möchte ich auch nicht mehr fahren, also gehe ich zu Angelinos Pizza-Laden, um eine Familienpizza zu kaufen, denn irgendwie hungert mir auch der Schmacht aus den Knöchelchen.
In Angelinos Pizzaladen komme ich sogleich dran, es sind nur zwei Männer da, die sinnlos Geld in die Spielautomaten stopfen, aus der Küche winkt Angelinos hübsche, 20jährige Tochter Mirabella.
Angelino ist laut und italienisch, erkundigt sich nach meinem gesundheitlichen Befinden und zwar in Ostkurvenlautstärke und wiederholt auch meine leisen Antworten in orkanartigen Dezibels.
„Wasse, der Ricke? Du haste Problemme mitti Ricke? Musst Du mache Massasch und einpacke mitti Lehm von Tivulorna, isse die beste Lehme für die Ricke , musse heisse mache!“

„Wasse? Du hasse Blutdruck? O wei, o wei, isse ßlimm, mitti Blutdrucke! Wenn Du Blutdruck hast, bist Du so gut wie tott! Meine Onkel Giovanni hatte Blutdruck gehabt indie ganze Körper, weisst Du, überall Blutdrucke, in die Finger, indie Füsse, in die Kopfe, überall Blutdrucke. Der isse ganz rot gewesen und dann ware tott. Guckstu mich! Ich nur essen Oliven, leckere italienische Pasta und ich n´hab nix Blutdruck, überhaupt kein Blutdruck. Ohne Blutdruck biste gesund.“

Ich teile Angelinos Ansichten über Gesundheitsfragen nicht ganz, aber ich lasse ihn schreien, so weiß wenigstens die ganze Gegend, daß ich Rücken und Blutdruck habe.
Mit dem Pizzakarton auf dem Arm gehe ich nach Hause.
Als ich in die Lilienstraße abbiege, merke ich, daß mir jemand folgt. Ein kurzer Blick über die Schultern lässt meine Hoffnung schwinden, es könnte Angelinos Tochter Mirabella sein, die sich wollüstig auf mich stürzen will. Es ist einer der beiden Automatenspieler.

„Ey!“ ruft er, doch ich gehe weiter. „Ey Mann, bleib mal steh’n!“

Ich drehe mich um und frage ihn, was er will.

„Ey, ich hab gesehen, daß Du 50 Euro in Dein Geldtasche hast. Da wo Du die Pizza bezahlt hast, da sind noch 50 Euro in Dein Geldtasche, weißt Du. Ey, Du kannst mir die geben, Mann, ehrlich, Du bekommst sie wieder, morgen oder übermorgen, spätestens wenn ich wieder Überweisung hab. Hier ist mein Ausweis, schreib meinen Namen auf, ich bin ein ehrlicher Mann, ich brauch das Geld für den Automaten, ich will spielen.“

So, jetzt versetze sich doch mal jeder in meine Situation. Da stehe ich in der Dunkelheit, die nur alle 100 Meter von blindfunzeligen, aber ganz toll energiesparenden Straßenlaternen durch die Anscheinserweckung sparsamen Lichts beleuchtet wird, weit und breit ist kein Mensch zu sehen, in der Straße wohnen nur Leute jenseits der alzheimerschen Rollatorgrenze und ich werden von einem Südosteuropäer nach meinem 50-Euro-Schein gefragt.

Ich gestehe, ich habe einen Moment lang ein bißchen Angst gehabt.
Aber dann besinne ich mich darauf, daß der Kerl gerade einmal vielleicht Einssechzig groß ist und den Nährwert eines Chickenburgers hat.
Ich fasse die Pizzaschachtel etwas fester und ziehe die Rotweinflasche, die ich von Angelino geschenkt bekommen habe aus der Manteltasche. Ich würde mich wehren, wie ein Berserker! Ich würde dem Männlein einfach die Pizza auf den Kopf klopfen und meine Einssechsundachtzig sowie meine zweieinhalb Zentner entgegenwerfen und ihn allein durch die Einwirkung der Schwerkraft auf dem Boden zerquetschen.

Der Mann sieht die Rotweinflasche, rückt wieder einen Schritt von mir ab, macht mit beiden Händen eine abwehrende Bewegung und sagt: „Ey Alda, jetzt sehe ich erst, Mann warum sagst Du denn nichts? Du als Trinker von Alkohol weißt wie das ist. Ey, wir sind Brüders!“

Er winkt noch einmal, dann geht er weg.

Der hat aber Glück gehabt.


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Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 30. Mai 2012 | Peter Wilhelm 30. Mai 2012

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14 Kommentare
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12 Jahre zuvor

Das ist sehr dreist.
Ich hätte ihm keinen Cent gegeben. Aber allein schon, dass er dir hinterhergefahren ist, ist ein Unding.

Winnie
12 Jahre zuvor

Und wenn man nun aus lauter Panik oder einfach nur Reflex dem eine reinsemmelt, dass ihm der hohle Schädel abfällt ist das Geschreie wieder gross, was man doch für ein Rassist sei.
Der wollte doch nur spielen!? Drecksköter elender.

Pythia
12 Jahre zuvor

Du hast aber auch Glück gehabt, Mirabella wäre nämlich ganz schlecht für deinen Rücken und deinen Blutdruck gewesen 😉

Ich
12 Jahre zuvor

@Pythia: die ehefrau danach waere noch schlimmer fuer den ruecken und den blutdruck gewesen.

Christians Ex
12 Jahre zuvor

Och, allein beim Gedanken „Ich zerquetsche dich wie eine Wanze“ plustert frau sich unwilkürlich auf. Das kann in gewissen Situationen schon mal helfen, dass die Opferwahl an einem vorüber geht… selbst in der nächtlichen Fußgängerzone schon erlebt.
Zugegeben: mit einsvierundachtzig habe ich einen gewissen Vorsprung vor der Konkurrenz.

Was die Körpersprache für eine Signalwirkung hat, habe ich dagegen auch schon beobachten können: Frauen, die sich von meiner Silhouette oder forschen Schritt im Halbdunkeln bedroht fühlten und geradezu die Schultern einrollten und Angstverhalten zeigen.

MiniMoppel
12 Jahre zuvor

@ Winnie (2:
:-O

Mona
12 Jahre zuvor

@Christians Ex:
Stimmt, die Erfahrung habe ich auch gemacht.
Bei mir hat es zwar nur für 1,75 gereicht, aber ein sicheres Auftreten mit geradem Rücken und die Schultern etwas in die Breite das signalisiert schon „komme mir nicht zu nahe“ 🙂
LG Mona

12 Jahre zuvor

Undertaker,

die rabenschwarze Blühmeranz deiner Sprache kann nur in einer Friedhofsgärtnerei wurzeln. Ich schwelge unter deinen blindfunzeligen Latüchten über die alzheimersche Rollatorgrenze geradewegs zum Happi End unter Brüders. Glücklicherweise findet sich die finale Bestimmung der belegten Teigmahlzeit in den hungrigen Mäulern deiner Kinder und nicht auf dem Schädel des südosteuropäischen Suchtopfers.

Ohne Blutdruck biste gesund – hoffentlich bleibste das auch!

Bakenfalter

P.
12 Jahre zuvor

Ich wollt noch was schreiben … habe allerdings, da auch ich einen Blutdruck habe, gerade etwas Angst um meine Gesundheit und überlege, ob ich schnell noch den Notdienst besuchen sollte.
Aber ehrlich – in der Situation im dunkeln mit so einem Typen auf der Straße wäre ich auch nicht wirklich glücklich gewesen. Zum Glück gab’s den Wein dazu.

ein anderer Stefan
12 Jahre zuvor

Hah! Endlich war der üblicherweise furchtbare Rotwein aus der Pizzeria mal zu was nütze 😉 (Jedenfalls, wenn ich an die Sorte „Rotwein“ denke, die es üblicherweise geschenkt dazu gibt…)

12 Jahre zuvor

Also Moment mal- noch mal für Blondie zum mitschreiben- ist man ohne Blutdruck nicht tot?

12 Jahre zuvor

@chisa
nicht unbedingt, aber fast.
Es kommt in Arztserien jedenfalls immer sehr gut, wenn der Anästhesist dramatisch sagt: „Wir haben keinen Blutdruck mehr!“ Dann wird’s immer hektisch im OP …

Mephistophelia
12 Jahre zuvor

Jetzt hast Du nicht nur Rücken und Blutdruck, sondern auch noch Alkohol. Wenn das Frau Wirnbeimer-Rüsselneif erfährt… 😉

Slow Motion
12 Jahre zuvor

Ohne Blutdruck ist man gesund? Das müsste man mal einem Kardiologen sagen.




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