Menschen

In zweiter Reihe

Frau Dr. Ingelore H. Püffkes-Rindersahm hat in der Mitte ein H mit Punkt, welches für Heidegunde steht, das sie aber seit Jahren auf das Heftigste verschweigt, weil das, so sagte sie mir: „…dann doch des Guten etwas zu viel sei.“

An und für sich habe ich mit Frau Püffkes-Rindersahm nicht viel zu tun, was unter anderem daran liegt, daß mir in der letzten Zeit kein Krokodil zugeflogen ist und auch kein Turmkäuzchen auf den Zinnen unseres Hauses eine Gazelle gerissen hat und daran zu ersticken droht.

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Frau Püffkes-Rindersahm ist nämlich die Enkelin des bekannten Zoologen Prof. Dr. Gundlaf Püffkes, der jahrzehntelang Direktor eines zurecht völlig unbedeutenden zoologischen Gartens in der Provinz war.
Im Jahr 1921 hatte Großvater Püffkes die marokkanische Mandolinenmücke beim Schlupf beobachtet und war daraufhin in einer nahezu unbekannten zoologischen Fachzeitschrift mit einem Aufsatz zu kurzfristiger lokaler Berühmtheit gelangt.
Von dieser wissenschaftlichen Glanzleistung zehren auch heute noch seine Enkel und Urenkel und der Rum des Mückenkundlers lebt in seinen Nachfahren fort. Das sieht man am deutlichsten an Frau Dr. Püffkes-Rindersahm, die ihres Zeichens Gynäkologin ist und somit außer ihrer Höhlenforschertätigkeit an der lebenden Frau keinerlei wie auch immer geartete Ausbildung in Hinblick auf die Fauna hat.
Dennoch ist Frau Püffkes-Rindersahm die ebenso selbsternannte wie freiwillige Tierbeauftragte unserer Stadt und immer dann sofort zur Stelle, wenn irgendwo ein Storch gebraten werden soll oder ein vorlauter, deutscher Spatz in der Hand, einer benachteiligten Türkentaube mit Migrationshintergrund auf dem Dach vorgezogen werden soll.
Sollte also bei jemandem ein Delphin im Klo auftauchen oder ein Elefant auf der Terrasse notlanden, so ruft man am besten sofort Frau Dr. Püffkes-Rindersahm.

Die kommt dann auch ganz schnell, ist fast immer zeitgleich mit Lilo Brotz von der Zeitung da, zeigt auf das in Not befindliche Tier und lässt sich in dieser Pose fotografieren. Dann sagt sie den Beteiligten, um was für ein seltenes Tier es sich handelt und mit einem beruhigenden Lächeln auf den Lippen, das allen sagt „Ich hab Euch lieb“, ist Frau Dr. Püffkes-Rindersahm dann auch schon wieder verschwunden.
Ihre Verdienste um die notleidende Fauna in unserer Stadt sind also sozusagen unbeschreiblich toll.

Nun ist der verstorben, der ihr den Rindersahm im Namen beschert hat, denn was die wenigsten überhaupt wußten: Neben ihrer gynäkologischen Tätigkeit am Lazarus-Krankenhaus und ihrem unermüdlichen Einsatz für die armen Exoten der Tierwelt war Frau Püffkes-Rindersahm auch noch mit August Rindersahm verheiratet.
Jener August Rindersahm hatte natürlich, im Gegensatz zu seiner Frau, so gut wie nichts vorzuweisen und fristete sein bedeutungsloses Dasein als Professor der Volkswirtschaft und hatte es nur bis zum Dekan der hiesigen Universität gebracht, der Versager. Daß er wirklich ein Faulpelz und Tunichtgut gewesen sein muß, erkennt man zum Beispiel auch daran, daß er so viel Zeit übrig hatte, um auch noch 26 international anerkannte Grundlagenwerke über die Nationalökonomie zu verfassen; es ist ja hinlänglich bekannt, daß Leute die schreiben, eigentlich den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und Pralinen futtern und ansonsten den Lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

So rauscht die quirlige Wolfskin-Jackenträgerin in unser Büro und hat einen Stapel Unterlagen unter dem Arm: „Ich habe mal alles mitgebracht, wo ich denke, daß Sie das eventuell brauchen könnten.“
Sie strahlt ein sonniges Strahlen, lächelt und ist sehr vergnügt. Besonders zu trauern scheint sie nicht.
„Nein, ich bin natürlich traurig, das ist doch wohl klar, schließlich habe ich jetzt drei, wenn nicht sogar vier Tage Ausfall durch die ganze Lauferei; und das, obwohl meinen Mann kaum einer kennt.“

Eine kleine Anzeige in der Zeitung, ein kleines Urnenreihengrab und eine Trauerfeier mit dem Sarg, das reiche völlig, man kenne ihren Mann ja sowieso kaum und man sei immer sehr bescheiden gewesen.
Eine kleine Trauerfeier müsse man ja machen. „Da kommen ja dann doch einige, mein Mann hat ja Herrenskat im Verbindungshaus gespielt, keine Ahnung, wieviele Männer da in einer Mannschaft sind, aber es können ja nicht mehr sein, als beim Fußball und da sind es ja bekanntlich vierzehn, nicht wahr? Ich denke, daß alleine von da vielleicht so fünfzehn bis siebzehn Leute kommen. Ach ja, und natürlich von seiner Arbeit, da hat er sich immer etwas wichtig genommen, da kommt vielleicht auch der eine oder andere.“

Ob denn der akademische Grad ihres werten Gatten mit in der Todesanzeige abgedruckt werden soll, möchte ich gerne wissen und Frau Dr. Püffkes-Rindersahm reißt entsetzt die Augen auf: „Um Himmels Willen, nein! Sie wissen doch wie das damals nach dem Krieg war, da kam der mit einem Pappkarton aus dem Riesengebirge, da stammen die Rindersahms nämlich her, aus ganz einfachen Verhältnissen, und damals hat doch jeder irgendeinen Meistertitel oder sowas geschenkt bekommen. Schreiben Sie nur seinen Namen hin, die Daten wann er geboren wurde und wann er gestorben ist und unten drunter dann ‚In stiller Trauer, Frau Dr. med. Ingelore H. Püffkes-Rindersahm, Tierschutzbeauftragte, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und Enkelin von Prof. Dr. Gundlaf Püffkes‘. Mehr nicht, wir sind ja bescheidene Leute, das sollte reichen, damit man weiß, daß ich das bin. Meinen Mann kannte ja sonst keiner.“

Abermals sah ich ihre vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, als am Tag der Trauerfeier die Trauerhalle aus allen Nähten zu platzen drohte. Wenigstens 200 Personen waren gekommen, um von dem in Bedeutungslosigkeit ganz still im Sarge vor sich hin harrenden Mann von Frau Püffkes-Rindersahm Abschied zu nehmen. Darunter eine zwanzigköpfige Abordnung der Freimaurer, etwa genau so viele alte Herren aus seiner Burschenschaft, zahllose Professorinnen und Professoren der Universität und dann noch so wenig bekannte Personen wie der Ministerpräsident des Landes, der Landtagspräsident und der Bundesvorsitzende einer bekannten Volkspartei, für die der Unwichtige vor vielen Jahren einmal sieben Jahre ein nicht erwähnenswertes Landtagsmandat inne hatte und es auch nur bis zum Finanzminister gebracht hatte.
Vor lauter Kränzen sah man den Sarg kaum und als dieser aus der Halle geschoben wurde, gab es ein Gewitter von Blitzgeräten, abgefeuert von Vertretern der zahlreich erschienenen Presse, was Frau Püffkes-Rindersahm dazu bewegt, von ihrem Witwenplatz ganz vorne hochzuschnellen und huldvoll in die Kameras zu winken.

Zwei ganze Seiten hatten die großformatigen Anzeigen in der Zeitung eingenommen und oben links war die kleine von der Witwe erschienen. Wir sind doch bescheidene Leute und meinen Mann kennt doch sowieso keiner.

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