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Insider

Am Besten sind ja die Kunden, die sich auskennen. Manche haben einen Schwager, dessen Neffe dritten Grades bei der örtlichen Tageszeitung die Sterbeanzeigen annimmt und manche haben alle Sendungen von „Päng“, „Blitz“ und „Die Abzocker“ im Privatfernsehen gesehen. Das qualifiziert natürlich, ist ja klar. Da kennt man sich in der Bestattungsbranche aus und weiß genau worauf man achten muß und auf welche Hand des Bestatters man besonders schauen muß, damit sie einem nicht unterm Tisch das sauer verdiente Geld aus der Tasche zieht.

Das Ehepaar Brettschneider kam abends noch recht spät und ließ sich auch mit guten Worten nicht auf den nächsten Morgen vertrösten.
„Das muß jetzt alles sofort gemacht werden, mein Mann hat sich da so eine ‚Scheckliste‘ aus dem Internetz ausgedruckt.“

Oh, wie ich solche Checklisten liebe!

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Aufgrund der vielen individuellen Wünsche und der unterschiedlichen Angebotspalette der Bestatter kann man hinterher schon die Rechnungen immer nur sehr schwer vergleichen, vorher anhand einer Checkliste vorzugehen, kann da noch schwieriger werden. Vor allem sind diese Checklisten dann nutzlos, wenn sie von Frau Sieglinde Stubenhocker bei der Verbraucherberatung oder von irgendeiner fleissigen Reporterin einer Tageszeitung zusammengestellt wurden.

Das geht schon bei den Begrifflichkeiten los.

Herr Brettschneider ist Lagerist in einem metallverarbeitenden Betrieb, weist aber bei jeder Gelegenheit darauf hin, daß er gelernter Schreiner ist und sein ‚Scheff‘ auch Särge gemacht hat, also nicht direkt jetzt sein ‚Scheff‘ eher dessen Großvater, und er habe auch nie etwas damit zu tun gehabt, aber früher hätten ja alle Schreiner Särge gemacht und das qualifiziere ihn natürlich in besonderer Weise jetzt anhand der ‚Scheckliste‘ meine Arbeit mal in die richtigen Bahnen zu lenken.

Erstes Problem: Herr Brettschneider hat auf seiner ‚Scheckliste‘ stehen, daß die Sterbeurkunde vom Arzt geholt werden muß.
Das ist natürlich Quatsch und deshalb traut er uns das auch nicht zu, macht sich eine Notiz auf der Liste und verkündet, daß er das besser selbst macht „damit da nichts schief geht.“

Nun gibt es aber beim Arzt keine Sterbeurkunden. Ein Arzt kann nur den Tod bescheinigen und mit seinem „Totenschein“ kann man dann beim Standesamt den Sterbefall anzeigen und dort erhält man amtliche Sterbeurkunden. das erkläre ich Herrn Brettschneider auch. Wenn er das unbedingt selbst machen will, kann er gerne die erforderlichen Formulare auf dem Gang im Standesamt ausfüllen, sich ein Stündchen auf die Wartestühle setzen und dann dort vorsprechen. Danach wird er erst mal runter zur Hauptkasse müssen, die notwendigen Gebührenmarken kaufen, dann wieder hoch und ‚tschüss‘. Am nächsten Tag darf er dann wiederkommen, wieder ein halbes bis ganzes Stündchen warten und dann seine Urkunden in Empfang nehmen.
Von mir aus.
Bei uns wäre das eine Sache von vier Minuten. Rein, Hallo rufen, bißchen mit den Sachbearbeitern scherzen, alles nur so im Vorübergehen, die Mappen auf den Tisch legen, Tschüss rufen und die Mappen vom Vortag mitnehmen.
Ratzfatz.

Aber Herr Brettschneider will gar nicht wissen, daß es die Urkunden auf dem Standesamt gibt, er will sie im Krankenhaus holen:
„Nein, ach Gott, Sie kennen sich ja gar nicht aus. Gut, daß ich meine ‚Scheckliste‘ habe. Die Sterbeurkunden stellt der Arzt aus und da fahr ich also morgen Früh erst mal ins Martinus-Krankenhaus.“

Ich erkläre es ihm nochmals, aber Herr Brettschneider hat vor Aufregung schon weiße Fäden in den Mundwinkeln.
Gut, soll er unnütz in der Gegend herumfahren. Ich schicke früh jemanden los, der die Todesbescheinigung im Krankenhaus abfängt und die Sachbearbeiterin dort vorwarnt. Das müssen wir so machen, sonst holt der wirklich die Papiere dort ab, reißt alles auseinander, verteilt die Zettel an seine Verwandten „wegen dem erben“ und wir gucken in die Röhre, können den Sterbefall dann nicht beurkunden lassen, weil die Hälfte fehlt. Der Mann wird schöne Kopien bekommen.

„Was isses gut, daß ich meine ‚Scheckliste‘ habe. Sonst würden sie alles falsch machen. – Mitti Blumen, was is denn mitti Blumen?“

Geduldig erkläre ich ihm die verschiedenen Möglichkeiten der Trauerfloristik, doch Herr Brettschneider tippt wieder auf seine Liste: „Da steht als Tip, man soll nicht den Gärtner am Friedhof nehmen, der ist zu teuer und macht Halbe Halbe mit dem Bestatter. Man soll einen Blumenladen in der Stadt nehmen, da geh ich nachher auch mal selbst hin, auch schon wegen der Grabpflege.“

Kann er ja so machen. Es ist wirklich manchmal viel günstiger, wenn man einen Floristen nimmt, der nicht direkt am Friedhof sitzt. Das ist so wie mit den Raststätten an der Autobahn, wenn man stattdessen abfährt, sich eine freie Tankstelle auf dem flachen Land sucht, kann man auch einiges sparen. Klar, geht alles. Nur wird er kein Glück haben mit seiner Grabpflege. Das kann nämlich nicht jeder Gärtner machen. Um auf dem Friedhof gewerblich tätig zu werden, muß der Gärtner eine Jahreskonzession erwerben und das lohnt sich nur für Betriebe die da ständig zu tun haben. Es gibt zwar auch tagesweise Genehmigungen, aber das ist für eine Dauergrabpflege uninteressant.

Frau Brettschneider zupft ihrem Mann ständig am Ärmel und weist ihn auf weitere Punkte auf der Liste hin. Ihr ist es nicht so sehr daran gelegen, daß man alles selbst in die Hand nimmt, sie hat Angst vor den Fallstricken und davor, daß ich sie ausnehme.

„Bei Sarsch, da nehm‘ wir den Billigsten, also nicht den ganz billigen sondern einen drüber!“ verkündet er, nachdem sie mal wieder gezupft hat.

Mir auch egal. Ich gehe mit denen rüber in den Ausstellungsraum. „Huch isses hier aber kühl, ach was riecht es hier aber nach Holz.“

Der billigste Sarg gefällt den Brettschneiders nicht. Ich habe ihnen bewußt ein in Wirklichkeit gar nicht so preiswertes Modell gezeigt, die Preisschilder verdecke ich indem ich ich davorstelle, ich hätte ihnen auch den teursten Adenauer-Prunksarg zeigen können. „Nee, nee, das ist der Billigsten, den nehmen wir ja nicht, einen drüber, zeigen sie mal einen drüber.“

Mir ‚einen drüber‘ meinen sie den Sarg in der nächsten Preisklasse. Ich zeige ihnen einen ganz einfachen Schlichtsarg, das Einfachste überhaupt, er unterscheidet sich vom allerbilligsten Einäscherungssarg nur durch eine dünne dunkelbraune Lasur und vier einfache Griffe.

„Ja, das sieht man doch gleich, daß der in Ordnung ist, den nehmen wir.“

Herr Brettschneider schmatzt auf seinen weißen Spuckeklümpchen im Mundwinkel herum, grinst siegessicher und auch sie strahlt in sich hinein. Ha, da haben sie’s aber dem geldgierigen Bestatter mal so richtig gezeigt! Der wollte uns ja bestimmt was ganz Teures verkaufen, dann hat er uns einen ganz billigen gezeigt, weil wir drauf bestanden haben, aber den haben wir natürlich nicht genommen, sondern ‚ein drüber‘.

Ja ja ja….

Der nächste Punkt auf der Liste, die vom Aufbau her schon gar nichts mit den Abläufen in einem Bestattungsinstitut zu tun hat, ist der Pfarrer. Nein, die Brettschneiders wollen jetzt keine Sargdecke aussuchen, auch keine Urne, denn jetzt steht ‚Pfarrer‘ auf der Liste, basta.

„Also wir waren ja hundert Jahre nicht in der Kirche. Ausgetreten sind wir nicht, aber wir werfen denen schon so lange die Kirchensteuer in den Rachen, da zahlen wir jetzt nicht auch noch für die Beerdigung an die. Als damals vor über zwanzig Jahren die Oma so schlecht lag, da ist der Pfarrer auch nicht gekommen. Wir wollen einen Trauerredner!“

Der Pfarrer hätte es kostenlos gemacht, für den Redner werden sie an die 300 Euro berappen müssen. Die hören mir aber gar nicht zu, die sind so mit ihrer ‚Scheckliste‘ beschäftigt und freuen sich gegenseitig was vor. Ganz langsam erkläre ich das nochmal mit dem Pfarrer, dem Redner, den Kosten… „Nix da. Wir müssen auch auf unser Geld achten!“

Intensiv bemühe ich mich, nicht den berühmten Götz zu zitieren, bleibe freundlich, lächele unverbindlich und schreibe eben einen Redner auf meinen Auftragsbogen. Jetzt ist die Bekleidung dran. „Bloß nicht so’n Totenhemd, das kostet unnötig Geld. Wir gehen los und kaufen bei C&A ein schönes Kleid, da kann man auch was sparen. Beim Bestatter ist das ja alles viel zu teuer, steht hier, können Sie nachlesen.“

Keine Ahnung, was das Kleid kosten wird, aber das günstigste Totenhemd käme bei uns derzeit auf unter 20 Euro.

Am Ende habe ich aus reiner Freude an der Sache auf dem internen Auftragsbogen mit dem Bleistift einen Strich gemacht und in der einen Spalte das notiert, was die Brettschneiders unbedingt haben wollten, damit sie nicht von mir ausgenommen werden und in der anderen Spalte steht das, was sie hätten bezahlen müssen, wenn sie jeweils meiner Empfehlung gefolgt wären.

Preisunterschied: 924 Euro

924 Euro, die sie jetzt mehr bezahlen müssen.

„Nix da! Die Liste ist aus dem Internetz und die schreiben, wenn man der Scheckliste folgt, spart man.“

Die wollen es einfach nicht wissen.

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