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Kein Blechschaden

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Wären unsere Särge aus Blech, hätten wir heute einen riesigen Blechschaden zu beklagen…
Was ist geschehen? Unser Sarglieferant ist mit dem LKW gekommen und lieferte 60 Särge. Drei meiner Männer luden die in Windeseile ab, weil der LKW-Fahrer sehr in Eile war. Zuerst einmal alles auf den Hof. Dann sagt einer, es sähe etwas nach Regen aus und somit galt es, sich besonders zu beeilen, damit die Särge ins Trockene kommen.

Unser Sarglager ist sowieso ziemlich voll, aber die 60 Särge habe ich genommen, weil mir der Lieferant in einer „Sommeraktion“ gute Rabatte eingeräumt hatte. Also mussten die Männer umschichten. Im Lager sieht das so aus: Die teureren Särge, Särge mit besonderen Formen und Körperformsärge stehen jeweils mit Deckel aufeinander. D.h. der Deckel liegt auf seinem Unterteil und so stehen 3-4 Särge aufeinander, jeweils eine graue Transportdecke als Schutz dazwischen.

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Die einfacheren Särge, vor allem die Schlichtsärge für Feuerbestattungen sind anders gelagert. Sie stehen hochkant an der Wand immer 6-7 Unterteile ineinandergestellt und daneben ebensoviele Oberteile. Mit einem Bleistift sind die Särge numeriert, damit der richtige Unterkasten und der richtige Deckel immer zusammenfinden, denn auch bei identischen Särgen, passen die sonst nicht richtig zusammen.

In einem Raum stehen 12 Reihen mittelteurer Särge, jede Reihe 3-4 Stück. Hier schichten die Männer gerade um, hinten fehlen nämlich schon welche, also muss die vorletzte Reihe die hinterste auffüllen, die vor-vorletzte Reihe die vorletzte usw.
Die Männer sind schon an der vordersten Reihe angekommen. Noch 6 Särge müssen neu hinzugefügt werden, die Arme werden immer schwächer und nach so einem Mammut-Umräumen weiß man, was man geleistet hat. Ich sehe schon, daß eine der Männer schwächelt. Mit dem Umräumen und Einräumen hat der schon an die 100 Särge bewegt, jeder zwischen 35 und 120 Kilo.
Ich erkenne, dass das mit dem letzten Sarg schwierig werden wird, den kriegt der mit seinem Kollegen niemals knapp 2 Meter hoch gehoben. Also springe ich bei, nehme ihm das Kopfende ab und gerade habe ich mit dem anderen zusammen den Sarg hochgestellt, will der der eben geschwächelt hat, zeigen daß er doch noch was in den Armen hat und hebt den letzten Sarg nochmals an einer Seite an, um die Schutzdecke gerade zu ziehen.

Und da passiert es, ihm rutscht der Sarg ab und kippt nach hinten weg, ja und dann hat es eine gute Minute lange gerumpelt, gekracht und gestaubt und die Hälfte der 12 Reihen sind wie beim Domino-Day umgekippt.

Eine halbe Stunde später haben wir alles auseinander dividiert. Drei Särge können wir als Totalschaden schreddern, acht Stück sind außen sehr beschädigt und einer ist nur leicht verkratzt, was sich auspolieren lässt.

Die die außen sehr beschädigt sind, sind alles höherwertige, schwere Truhen, der Korpus ist jeweils vollkommen intakt, aber die Kratzer sind ziemlich tief.

So, was machen wir jetzt?

Sowas Ähnliches ist schon mal passiert. Da hatte der Sarglieferant einen Auffahrunfall und wir sind quasi über Nacht an damals 20 schwer zerkratzte Särge gekommen. Eigentlich unverkäufliche Ware, aber zu schade, um sie alle in die Müllverbrennung zu fahren.
Ich habe das dann so gemacht: Wenn eine Familie zu mir kam, die offensichtlich sowieso kein Geld hatte und wo keine Trauerfeier mit dem Sarg anstand, dann habe ich so einen Sarg angeboten.
Es gibt ja viele Fälle, da wünschen die Familien eine Trauerfeier mit der Urne. Das bedeutet, dass den Sarg ohnehin niemand zu sehen bekommt, der Tote wird eingebettet, zum Krematorium gebracht und eingeäschert. Erst wenn die Urne zur Verfügung steht, gibt es eine Trauerfeier.
Das ist übrigens eine Stelle, an der unseriöse Bestatter gerne mal einen schnellen Euro machen, sagen böse Zungen. Da könnte man der Familie Mahagoni verkaufen und nur Nadelholz liefern, keiner würde es merken. Bei uns geht das nicht und wir machen sowas nicht. Warum das bei uns nicht geht? Nun, seid gespannt, das schreibe ich morgen 🙂

Aber ich habe den Familien gesagt: „Hören Sie, ich habe da noch ein besonders schönes Sargmodell, das hat an der Seite einen Kratzer, normal kann ich es nicht mehr verkaufen. Aber was halten Sie davon, wenn wir den Sarg nehmen, dann hat Ihr Angehöriger einen schönen Sarg und wenn er doch sowieso gleich verbrannt wird…“
Wenn ich dann noch sage, daß sie den 25% günstiger bekommen, sind sie einverstanden.

Das ist jetzt aber auch wieder so eine Geschichte. Will man unseren Berufsstand in den Dreck ziehen, könnte man sagen: Der verkauft seinen Kunden angekratzte Ware. Andererseits denke ich mir immer, dass das viel zu wertvoll ist, um es einfach wegzuwerfen. Auf diese Weise, so wie ich es mache, ist doch allen gedient.
Es geht halt um das Thema Tod und da ist jeder besonders sensibel. Wenn einer beispielsweise Waschmaschinen mit kleinen lackschäden günstiger verkauft, sagt keine Sau was.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#blechschaden #kein

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(©si)