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Keine Nachwuchssorgen: Bestatter zwischen Berufung und Blödsinn – was wirklich dran ist an den Klischees

Bestatter, Beruf, Ausbildung

Beinahe jeden Tag spülen die Agenturen mir Meldungen auf den Schreibtisch, nach denen der Beruf des Bestatters neben dem Kopfschlächter, der Toilettenfrau und dem professionellen Uringurgler zu den unbeliebtesten Berufen „die keine machen will“ gehören soll. Es sollte eigentlich jeden wundern, dass es dann doch Menschen gibt, die diesen Beruf freiwillig ausüben. Alles Irre?

Immer wieder sorgen sie für Schlagzeilen: Listen der „unbeliebtesten Berufe“. Mit kalkulierter Dramaturgie wird dort gerne ein bunter Strauß an Tätigkeiten zusammengestellt, bei dem sich der Beruf des Bestatters regelmäßig zwischen Müllabfuhr, Toilettenaufsicht und Rattenfänger wiederfindet – sinnbildlich gesprochen. Und natürlich wird so ein Artikel häufiger geklickt, wenn man ihn mit Ekel, Tod und morbider Faszination würzt.

Doch wer sich ein wenig mit der Realität beschäftigt und wer das Bestatterweblog.de aufmerksam liest, merkt schnell: Mit der Wirklichkeit haben diese Rankings oft nur wenig zu tun. Der Beruf des Bestatters ist weder Schattendasein noch Notlösung – er ist ein anspruchsvoller, faszinierender und vielseitiger Beruf mit Sinn, der auch noch – so seltsam das für manche klingt – richtig Spaß macht. Und vor allem ist es: ein Beruf mit Zukunft.

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Von wegen unbeliebt: Ausbildung mit Warteliste

Während sich viele Branchen derzeit die Haare raufen und angesichts leerer Bewerberstühle laut über Fachkräftemangel klagen, sieht es bei den Bestattern ganz anders aus. Die Ausbildungsplätze im Bestattungswesen sind heiß begehrt. Es bewerben sich regelmäßig mehr Menschen auf eine Ausbildungsstelle, als aufgenommen werden können.

Bestattungsunternehmen berichten von hochmotivierten Bewerbern mit Abitur, Bachelor oder Quereinstieg. Das Image des Berufes hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Wer Bestatter wird, entscheidet sich bewusst für diesen Weg. Die Auswahl der Auszubildenden erfolgt heute meist sehr sorgfältig – denn die Ansprüche sind hoch. Bestatter können unter den Besten auswählen.

Kein Job für zarte Seelen

Ja, es stimmt: Die Arbeitszeiten sind oft unregelmäßig. Der Tod hält sich nicht an Dienstpläne. Nachts, an Feiertagen, an Wochenenden – es kann jederzeit ein Anruf kommen, der den nächsten Einsatz verlangt. Und dann ist es nicht nur körperliche Belastbarkeit, sondern auch seelische Stabilität, die gefragt sind.

Es wird getragen, gebückt, gewaschen, vorbereitet. Verwesungsgeruch, schwere Verstorbene, enge Treppenhäuser, Tränen der Angehörigen – all das gehört zum Berufsalltag. Die Bezahlung ist dabei nicht überdurchschnittlich. Wer auf das große Geld hofft, ist hier falsch. Man verdient nicht schlecht, aber die berühmten – vor allem im Internet verbreiteten – „unwahrscheinlich hohen Bezahlungen für Leichenwäscher“, sind urbane Legende.

Mehr als Särge schleppen: Der stille Held des Alltags

Doch Bestatter zu sein bedeutet nicht nur, Verstorbene zu versorgen. Der weitaus größere Teil der Arbeit besteht in Organisation, Beratung und menschlicher Begleitung. Ein guter Bestatter muss ein Organisationstalent sein, Formulare beherrschen, gesetzliche Vorgaben kennen, Fristen im Blick haben, mit Friedhöfen, Pfarrern, Standesämtern, Floristen und Krematorien kommunizieren. Das Wichtigste ist es, tausend Fäden in der Hand behalten zu können, ohne den Überblick zu verlieren, und sie am Ende zusammenführen zu können.

Vor allem aber benötigen die Bestatterin oder der Bestatter Einfühlungsvermögen. In der schwersten Stunde der Angehörigen wird der Bestatter zur Vertrauensperson, zur Stütze, zur verlässlichen Instanz. Die Begleitung durch den Abschied ist mehr als eine Dienstleistung – sie ist eine Form moderner Seelsorge. Das wird umso wichtiger, je mehr sich die Menschen von den Kirchen und den von ihnen angebotenen Unterstützungen entfernen.

Als mein Vater starb

Als mein Vater 1986 gestorben ist, haben wir völlig selbstverständlich in einem Rutsch den Arzt und den Pastor angerufen.
Für den Pastor gab es eigentlich gar nichts zu tun. Die Sterbesakramente werden nur Sterbenden gespendet, nicht den Toten. Der Pastor ist aber trotzdem gekommen. Er hat dem Papa noch einmal die Hände auf die Stirn gelegt, geholfen, die Hände zu falten und hat dann mit der Familie gebetet.
Er ist bestimmt eine Stunde geblieben, hat mit uns Kaffee getrunken, während wir um das Bett des Verstorbenen herum saßen. Wenn jemand in Tränen ausbrach, hat er sich gekümmert, Trost gespendet und die richtigen Worte gefunden. Der Pfarrer ist erst gegangen, als der Arzt da war und der Bestatter den Verstorbenen abgeholt hatte. „Wenn was ist, kommen Sie einfach zum Pfarrhaus!“

Das kann heute kaum noch ein Gemeindepfarrer leisten. Viele Gemeinden sind zu Seelsorgeeinheiten von fünf und mehr ehemaligen Kirchengemeinden zusammengelegt, der Geistliche ist überbeschäftigt und die Bindung zu den Einzelnen nicht mehr so gegeben.

Die Mischung macht’s: Ein Beruf mit vielen Facetten

Der Beruf vereint viele Tätigkeitsbereiche: Handwerk, Beratung, Psychologie, Verwaltung, Ritualbegleitung. Kein Tag ist wie der andere. Mal sitzt man mit Angehörigen im Beratungsgespräch, mal richtet man eine Trauerfeier aus, mal fährt man nachts über Land, um eine Abholung durchzuführen. Die Aufgaben reichen von der pietätvollen Versorgung der Verstorbenen bis hin zur kreativen Gestaltung von Trauerdrucksachen.

Dieser Facettenreichtum macht den Beruf so interessant – und für viele so attraktiv.

Fazit: Nicht jedermanns Sache – aber ein Beruf mit Bedeutung

Der Beruf des Bestatters ist nichts für Menschen, die das Leben in Schubladen sortieren wollen. Er ist herausfordernd, fordernd – aber auch zutiefst sinnstiftend. Wer sich auf diese Arbeit einlässt, wird nicht nur mit traurigen Geschichten konfrontiert, sondern auch mit großer Dankbarkeit, mit Würde, mit Mitgefühl und mit der Gewissheit, in einem Bereich zu arbeiten, der das Menschsein berührt wie kaum ein anderer.

Dass der Bestatterberuf dabei mit Klischees über „unbeliebte Berufe“ in einen Topf geworfen wird, zeigt nur eines: Wie wenig die Macher solcher Listen von der Lebenswirklichkeit verstehen.

Denn der Bestatterberuf mag nicht jedermanns Sache sein – aber für die, die ihn ausüben, ist er mehr als nur ein Job: Er ist Berufung.

Bildquellen:
  • bestatter-1: Peter Wilhelm


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Die Bestattungsbranche bietet viele Facetten. Bestatter arbeiten mit Verwaltungen, Friedhöfen und Kirchen, sowie Subunternehmern zusammen.

Hier finden Sie meine Berichte und Kommentare zur gesamten Bestattungsbranche.


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. Mai 2025

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