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Kinder

Es gibt etwas, dass keiner gerne miterlebt, nämlich wenn Kinder sterben.
Unsere Männer (und Frauen) sind ja alles Mögliche gewöhnt und behalten auch in ungewöhnlichen Situationen Haltung. Aber wenn wir es mit verstorbenen Kindern zu tun haben, ist das Ganze doch so schwer, dass ich unsere Herren im Technikbereich schon Krokodilstränen besonders dicke Tränen hab weinen sehen.

Das hört man schon am Telefon, wenn die Hinterbliebenen anrufen. Es heißt dann nicht mein Vater, mein Mann, mein Opa, sondern unsere Melina, unser Kevin usw. Solche Fälle sind in jedem Fall für alle Beteiligten besonders bitter.

Kommt ein solcher Fall, bekommt er bei uns höchste Priorität und wir legen uns voll ins Zeug. Der Beratungsraum Nummer 2 wird dann sofort leergeräumt, Der Tisch und die Stühle kommen ins Lager und wir bauen dort Podeste auf, um die notwendigen Dinge präsentieren zu können, die man für eine Kinderbestattung benötigt. Extra kleine Särge, kleine Decken und Kissen, andere Urnen…

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Den Kommerz blenden wir in diesem Moment völlig aus, die Eltern des verstorbenen Kindes können alles auswählen und meine Standardformulierung bei der Frage nach dem Preis lautet: „Machen Sie sich darüber keine Gedanken.“
Ich will nicht, dass ein paar Euro darüber entscheiden, ob sie den weißen oder den blauen Sarg nehmen.
Am Ende des Beratungsgesprächs gibt es sowieso die Kostenaufstellung.

Im Laufe der Jahre bekommt man ein Gespür dafür, wie die Leute „unterwegs“ sind. Manche wollen eine zügige Abwicklung ohne große Berührungspunkte mit der Zeremonie, andere müssen einfach mit eingebunden werden, das merke ich. In solchen Fällen schlage ich vor, dass die Eltern bei der Ausstattung und Gestaltung des Sarges helfen. Ich habe es schon erlebt, dass der Vater zwei Tage und Nächte den Sarg bemalt hat. Es gab schon Familien, die weitere Kinder haben und mit denen gemeinsam den Sarg gestaltet haben. Oft basteln die Geschwister auch zu Hause etwas und bringen es dann, damit wir es mit in den Sarg legen.

Wir möchten auch immer, dass man uns Kleidung von daheim bringt. Was allerdings nie vorkommt, ist der Wunsch, beim Einbetten mitzuwirken. Ganz selten wollten die Familien auch das Kind noch einmal sehen. Es ist einfach ein Unterschied, ob man einem älteren, in Würden verstorbenen Menschen noch einmal die Ehre erweist oder ob man einen jungen, aus dem Leben gerissenen Kind/Jugendlichen noch einmal anschauen muss.

Ist aber der Wunsch da, das Kind noch einmal zu sehen, machen wir niemals eine offene Aufbahrung auf dem Friedhof. Stattdessen gibt es eine solche in unserer hauseigenen Kapelle. Da sitzen die Eltern dann manchmal stundenlang und nehmen Abschied. Ja, da kann man sitzen, da darf man seinen Verstorbenen anfassen, küssen, streicheln, ihm Sachen in den Sarg legen, an der Decke zupfen, das Kissen richten, zwischendurch aufs Klo gehen, mal im Nebenraum einen Kaffee oder einen Schnaps trinken, eben einfach Abschied nehmen, so lange oder so kurz man will.

Durch die Aufbahrung in unserer Kapelle bzw. in unserem Aufbahrungsraum verhindern wir den Leichentourismus. Es gibt nämlich eine große nicht zu unterschätzende Zahl von Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, wie jeden Tag auf dem Friedhof Leichen angucken zu gehen. Reine Sensationsgier spielt da bei einigen eine Rolle.

In jedem Fall versuchen wir Kinderbestattungen so individuell wie möglich zu gestalten. Das versuchen wir bei jeder Bestattung, aber in den meisten Fällen greifen die Leute von sich aus auf traditionelle Dinge zurück und wollen keine Besonderheiten. Die Abwicklung innerhalb der traditionellen Schienen gibt auch Halt, das darf man nicht vergessen.

Egal wie, Kinderbestattungen sind etwas ganz besonders Schwieriges.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 19. August 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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Mario
17 Jahre zuvor

Krokodilstränen? Glaub ich jetzt nicht wirklich, dass Du das meinst, was es i.A. bedeudet…

Siehe Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Krokodilstr%C3%A4ne

"…Daher sagt man bis heute über Menschen, die Trauer und Betroffenheit nur vortäuschen, sie vergössen Krokodilstränen. Als Krokodilstränen werden oft falsche, übertriebene und geheuchelte Gefühlsbekundungen bezeichnet, denn das weinende Krokodil ist immer noch zum Zubeißen bereit und der Mensch, mit noch so großen Krokodilstränen in seinen Augen, kann genau so tödlich zuschnappen, wie sein natürliches Vorbild in den Feuchtgebieten…."

Chris
17 Jahre zuvor

Krokodilstränen? Das sind doch Tränen geheuchelter und bloß vorgespielter Trauer. Sicher, dass Du das so gemeint hast?

Und "Leichentouristen"? So was gibt's? Krank! Vielleicht kannst Du da später mal drauf eingehen.

undertaker
17 Jahre zuvor

Ich kenne Krokodilstränen nur als besonders dicke und viele Tränen, zumindest habe ich es so gemeint.

17 Jahre zuvor

der sohn unserer nachbarn ist letzte woche gestorben. der war auch erst 20 – hatte nen herzfehler, der am nächsten tag operiert werden sollte. das war auch sehr tragisch. alle nachbarn waren zur beerdigung da. und selbst die, von denen man es am wenigsten erwartet hätte, haben geweint. ich kann mir vorstellen, dass man sich selbst als bestatter an sowas nie gewöhnt?!

Olga
Reply to  smarti
5 Jahre zuvor

Mein Sohn ist im Kinderhospiz verstorben. Trotz einer Krebserkrankung, kam es sehr plötzlich. Auch seine grosse Schwestern waren dabei. Wir lagen alle vier auf zusammengeschobenen Betten. Wann der Kleiner,er wurde nicht mal drei Jahre, früh morgen sein letzte Atemzug los lies, durften wir ihn lange im Arm halten. Danach wurden wir, begleitet von Personal mit Kerzen in den Händen in gekühlten sonnigen Abschiedsraum geführt.Rund um die Uhr hatten wir freien Zugang zum Verstorbenen wärend für uns ein Appartment Etage höher zur Verfügung stand.So hatten wir die Möglichkeit, die Veränderungen des Körpers fast fünf Tage lang zu erleben um den Tod zu realisieren.Ich war über den Vorschlag, Asche meines Kindes zu Hause zu behalten, sehr glücklich. Etwas so wertvolles konnte ich nicht in der kalte Erde alleine unter Fremden, jedem Peiniger ausgesetzt lassen. Auch habe ich ein Familienfoto von einem Profi am Abschiedstag machen lassen,letztes halbes Jahr kam ich nicht dazu. Nach der Abschiedszeremonie schloss ich den Deckel eines kleinen bunt bemalten Sarges und uberlies alles weitere den Bestattern. Gut, dass bei Gestaltung letzter Reise spielte… Weiterlesen »

G
17 Jahre zuvor

Mal ne Frage zum Leichentourismus:

Wo findet der denn statt? Ich kenne es nur so, dass z.B. eine Aufbahrung in einer "Leichenhalle" (nennt man das so? – also ein spezieller Raum neben der Kirche) stattfindet. Zutritt bekommt man da dann eigentlich nur als Angehöriger. Oder kommt es doch öfters vor, dass der Verstorbene dann bei der Trauerfeier in der Kirche offen aufgebahrt wird. Dachte eigentlich, dass sowas hier in Deutschland relativ unüblich ist. Außerdem fallen doch dann Fremde schnell auf.

undertaker
17 Jahre zuvor

Leichentourismus: Dazu schreibe ich noch mal was.

Kristian
17 Jahre zuvor

Das ist ja furchtbar. Ich glaube, an solche Situationen möchte man sich auch als Bestatter gar nicht gewöhnen.

nimue
17 Jahre zuvor

ich hab beim lesen tränen in den augen gehabt. ja.

ich finde es schön, wie du mit den eltern umgehst. meine mutter hatte vor mir einen zwillingstotgeburt, sie durfte sich nicht verabschieden. nach fast 9 monaten im bauch.

glücklicherweise ist das heute in den meisten krankenhäusern anders.

Katrin
17 Jahre zuvor

@Leichentourismus: genau deshalb wünsche ich mir für mich später eine Aufbahrung irgendwo, wo nur Freunde und Famile etc. Zutritt haben. Die Vorstellung von Hinz und Kunz begafft zu werden finde ich abscheulich…

17 Jahre zuvor

Man könnte natürlich für Touristen eintritt verlangen und den Erlös spenden 😉

*omg*, dass war wieder mal geschmacklos von mir *selbst Ohrfeig*….

17 Jahre zuvor

Der Gedanke bzw. die Vorstellung, ein Kind zu verlieren, ist schon mehr als bedrückend, wenn man sich in die Situation versetzt. Ihr Einblick vertieft dieses Gefühl noch mehr, hat aber gleichzeitig etwas "schönes": die Art und Weise, wie Sie darauf eingehen.

kir
17 Jahre zuvor

Bei den Beerdigungen meiner Großeltern, waren sie in der Friedhofskapelle aufgebahrt (mein Opa in seiner Urne, also nicht so richtig, bei meiner Oma weiß ich es nicht mehr), dort hatten auch alle Zutritt, nicht zuletzt, weil beide sehr lange Zeit Lehrer und Rektoren in einer Kleinstadt waren, da kamen dann auch ein paar ehemalige Schüler zur Trauerfeier…

Shawty
11 Jahre zuvor

Da ich mich gerade einmal wieder durch den Kompletten Blog klicke bin ich nun auch auf diesen Beitrag gestoßen er mag zwar schon sehr alt sein doch… ich bin selbst froh das es solche mitfühlenden Bestatter gibt was Beerdigungen von Babys / kindern /Jugendlichen angeht da ich selbst meinen kleinen verloren habe.




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