Ich habe so schöne Notizbücher. Für jemanden, der seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben verdient, sind Notizbücher natürlich ein wunderbares Geschenk. So bekomme ich immer mal wieder welche geschenkt.
Da schreibe ich Ideen auf, Dialoge, die ich nicht vergessen will, und andere Sachen, von denen ich denke, man könnte sie später in einem Buch oder einer Geschichte verwenden.
Hin und wieder schaue ich sogar in diese Aufzeichnungen hinein und brüte dann darüber, was wohl „Knabenlurch mit Jkalimu“ bedeuten könnte. Auch der Eintrag „Walte Deines Helmes, Schelm derselben Tat“ lässt mich heute noch grübeln.
Um ehrlich zu sein: Als langanhaltendes Papiergedächtnis taugen Notizbücher für mich nichts. Ich kann mich aber schon jetzt kaputtlachen, wenn ich mir vorstelle, was meine Nachfahren dereinst mit dem Silbenschrott anfangen. Aber vermutlich werden sie alles einfach wegwerfen. Sie werden es in einen Container oder ein Mülltonne werfen, so wie sie alles, was mir lieb und teuer ist, eines Tages einfach wegschmeissen werden.
Das ist ja immer so und beschäftigt mich auch schon lange: Was eben noch wertvolles Hab und Gut war, was bis vor einem Tag noch gepflegt und geschätzt wurde, das wird mit dem Tod eines Menschen zum Gerümpel.
Ein ganzes Leben lang hat ein Mensch Andenken und kleine Kunstwerke aus aller Herren Länder zusammengetragen, die von seinen Gästen auch bewundert wurden, und dann: Seine Enkel werfen alles weg. Das Wertloseste versuchen sie vielleicht noch bei Ebay zu verkaufen, und weil das nichts eingebracht hat, wird auch der wertvolle Rest entsorgt.
Ich halte heute noch Gegenstände in Ehren, die mal meinen Großeltern gehört haben.
Die Allerliebste und ich bedauern schon jetzt, dass unsere umfangreiche Bibliothek eines Tages Altpapier und Belastung sein wird. Doch was will man von einer Generation, die sich über Social Media definiert, erwarten?
Bei Büchern kann man ja verschiedene Einstellungen haben. Ein Kumpel aus Kanada kauft sich ständig dicke Paperbacks. Gute Literatur, Unterhaltungsquatsch und alles, was auf der Bestsellerliste steht. Hat er ein Buch gelesen, wandert es auf einen Stapel in seinem Flur und jeder kann sich davon mitnehmen, was er will.
Die Allerliebste und ich stellen Bücher ins Regal.
Unser Kumpel fragt sich, weshalb wir das tun. „Ihr habt die doch schon gelesen und erfahrungsgemäß lest ihr sie nie wieder. Alles Staubfänger!“
Wir halten ihm entgegen, dass wir Bücher nicht nur konsumieren, sondern auch immer mal wieder als Referenz und zum Nachschlagen zur Hand nehmen.
Ein gutes Argument…
… allerdings ist es gelogen. Denn seit man online alles nachschlagen kann, hat sich das Nachschlagen in Büchern im Grunde genommen auch für uns erledigt.
Vor einigen Wochen fuhr ich durch eine Stadt hier in Südwestdeutschland. Ich kam an einem Haus vorbei, das ganz offensichtlich gerade entrümpelt wurde.
Ein schöner verschnörkelter Stuhl weckte mein Interesse und ich hielt an. Aus dem Haus kam eine junge Frau, die eine Kiste mit Büchern heraustrug und zu den übrigen Gegenständen an den Straßenrand stellte. Ich fragte, ob das alles weggeworfen würde und ob ich mir eventuell was wegnehmen dürfe.
Das wisse sie nicht, sie sei nämlich nur die Selina, würde aber mal den Max fragen, denn es sei Max‘ Vater, dessen Sachen hier rausgestellt würden. Nach drei Minuten war sie wieder da und nickte mir zu: „Geht klar, Opa, kannst Dir was wegnehmen, wir tun gern was für die Armen, hat Max so gemeint.“
Der Stuhl entpuppte sich als Schrott, aber mein Blick fiel auf einen großen Bilderrahmen. Ich drehte ihn um und sah, dass ich eine Urkunde einer angesehenen Universität in Händen hielt. Vor über 60 Jahren war dem verstorbenen Günther M. die Doktorwürde verliehen worden.
Eine pompös gestaltete Urkunde mit Unterschriften, Siegel und schwungvollen Lettern. Vermutlich hat sie 60 Jahre lang an der Wand gehangen und war die Grundlage für das Wohlergehen der gesamten Familie. Heute steht sie neben einem Blecheimer am Straßenrand und wartet auf den Müllwagen.
Ich glaube, ich fange an, in der Familie das Gerücht von einem großen Vermögen zu säen. Ein Vermögen, das gut verborgen ist und nur von dem gefunden werden kann, der sorgfältig genug in meinem Nachlass nach dem entscheidenden Hinweis sucht.
Dann klebe ich kleine Zettel auf alles Mögliche. Nebulöse Hinweise auf den vermeintlichen Schatz.
Wie geht Dir das bei diesen Gedanken?
Richtig viel zu vererben habe ich nicht, aber ich möchte auch nicht, das alles weggeworfen wird.
- notizbuecher: Peter Wilhelm
- schelm: Peter Wilhelm
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Ich finde das eine Wohnung etc etwas sehr individuelles ist, und den Menschen sowie seine Entwicklung wiederspiegelt. Mir läge z.B. fern in eine Wohnung zu ziehen ohne sie zu renovieren. Genauso fände ich den Gedanken befremdlich das jemand meine Einrichtung 1:1 übernimmt. Ich denke die Kinder werden sich ein paar Erinnerungsstücke aussuchen, und der Rest ist für sie emotional wertlos… sie haben die Reisen eben nicht gemacht, diese Bücher/Geschichten nicht gelesen etc. Man sagt ja auch, etwas ist nur so viel Wert wie ein anderer bereit ist dafür zu bezahlen. Und bei einer emotionale Bindung gilt irgendwie das gleiche, es ist nur so viel Wert wie jemand damit verbindet. Ich bin da nicht böse drum, man sollte sich grundsätzlich nicht zu sehr mit Besitz belasten, ich glaube man ist sorgenloser mit weniger. Ich erlebe etwas ähnliches mit sowas banalem wie meinem alten Lego… Ich hänge total da dran, erfreue mich an den raffinierten Modellen und Funktionen… unsere Kinder finden nur die Masse an Bausteinen cool, die Modelle triggern die Kids nicht, da gibts heute spannendere…… Weiterlesen »
Das empfinde ich als schönen und vernünftige Gedanken. Ich bin inzwischen in einem Alter angekommen in dem meine Großeltern und Eltern verstorben sind. Und leider hat man nicht unendlich viel Platz in seiner Wohnung – der auch noch mit den eigenen tw. jahrzehntelang geliebten Dingen angefüllt ist.
Ich war nicht bereit mich von meinen eigenen „Krempel“ zu trennen um „Krempel“ meiner Großeltern und Eltern aufzubewahren. Also ist, wie der Vorredner schon sagte, alles bis auf ein paar wenige Erinnerungsstücke, am Müll gelandet.