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Kundenfang am Unfallort: Bestatter als Geier

In Taiwan kam kürzlich ans Licht, dass ein Hacker das Notrufsystem der Feuerwehr infiltriert hat, um Bestattern in Echtzeit Daten über schwere Unfälle und mögliche Todesfälle zuzuspielen. Ziel: Möglichst früh am Einsatzort sein, um trauernden Angehörigen sofort einen Vertrag aufzuschwatzen.

So etwas hat man ja schon häufiger von Abschleppunternehmern gehört, und ein Bekannter, der als Reporter arbeitet, hat in seinem Wagen alle möglichen Empfangsgeräte, die es offiziell gar nicht in privater Hand geben dürfte.
Ziel des Ganzen: Am Einsatzort der Erste zu sein. Der Abschleppunternehmer lädt einfach auf, wer fragt auf der Autobahn schon am Unfallort nach, ob der jetzt der Bestellte ist oder nicht?
Der Reporter profitiert, weil er erste Eindrücke knipsen kann, während andere nur noch späte Spuren fotografieren können.

Dass aber Bestatter mit ihrem Leichenwagen zu Unfallorten düsen, das ist schon etwas Besonderes. Bei uns in Deutschland ist das (noch) kein Thema. Hier ist es meist streng organisiert, welcher Bestatter zu Polizeieinsätzen gerufen wird. Das ist oft der mit den besten Beziehungen oder der, der eine entsprechende Ausschreibung gewonnen hat, oder beides.

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Man stelle sich das mal vor: Jemand wird gerade von der Feuerwehr aus einem Autowrack geschnitten, daneben stehen schon die Bestatter bereit, Visitenkarten in der Hand, mit ernster Miene, aber glänzenden Augen.

Der Hacker in Taiwan, ein ehemaliger Rettungssanitäter, nutzte sein Insiderwissen und knackte ab 2022 das Leitstellensystem des taiwanesischen Innenministeriums. Über einen eigens programmierten Server konnte er sich Informationen in Echtzeit besorgen: Notfallart, Einsatzort, exakte GPS-Daten — alles, was man braucht, um schneller als die Konkurrenz am Ort des Geschehens zu sein.

Die Daten verkaufte er an mehrere Bestattungsunternehmen. Monatlich kassierte er dafür mehrere Tausend bis Zehntausend Neue Taiwan-Dollar, also umgerechnet ein paar Hundert Euro. Nicht die Welt, mag man meinen — aber ein lohnendes Geschäft, wenn man damit fünf bis zehn zusätzliche Aufträge pro Monat einsackt.

Die betroffenen Bestatter schickten ihre Leute dann wie die sprichwörtlichen Geier los. Ziel war es, den Angehörigen in ihrem ersten Schockmoment „unter die Arme zu greifen“ — oder, um es weniger euphemistisch zu sagen: sie in einer Phase absoluter Überforderung abzufangen und sofort einen Auftrag an Land zu ziehen.

Die ganze Sache flog nun Anfang dieses Jahres auf. Bei Hausdurchsuchungen am 28. März sowie am 13. und 24. Juni wurden beim Hacker und den involvierten Bestattern Server, Handys und weitere Geräte beschlagnahmt. Einige Mitarbeiter der Bestatter wurden vernommen und gelten mittlerweile als Verdächtige. Der Hacker selbst hat bereits gestanden.

Man kann nur den Kopf schütteln. Als Bestatter kenne ich das Bild vom „Leichenhai“, der mit Flyern um Unfallstellen schleicht, natürlich auch — allerdings ist das hier eine ganz neue Dimension.

Was für eine ethische Verwahrlosung muss in einem Unternehmen herrschen, wenn man sich auf solche Methoden einlässt? Angehörige im Moment des größten Schmerzes zu instrumentalisieren, ist an Skrupellosigkeit kaum zu überbieten.

Ich hoffe, dass dieser Fall zumindest in Taiwan eine Diskussion über Pietät und Anstand anstößt. Und bei uns? Bei aller Kritik an unserem oft bürokratischen System: Solche Eskapaden sind hier glücklicherweise seltener.

Aber es zeigt: Auch das Bestattungswesen ist vor Gier, Tricks und Manipulation nicht gefeit.

Was es bei uns gibt, sind Krankenschwestern, Pfleger, Altenheimpförtner und sogar Ärzte, die gegen kleine Gefälligkeiten von Bestattern den Angehörigen gegenüber Empfehlungen aussprechen. Oder sie belügen die Trauernden schlicht und ergreifend: „Sie müssen diesen Bestatter anrufen, das ist so Vorschrift.“
Was auch gerne gemacht wird: Die Bestochenen beauftragen einfach von sich aus den Bestatter, von dem sie Provision erhalten, und tun dann so, als gäbe es keine Alternative.

In den USA und wohl auch in anderen Ländern ist es üblich, dass an passenden Stellen in Krankenhäusern, Unfallstationen und vor Polizeiwachen die Kundenfänger von Bestattern, Anwaltskanzleien und Kautionsvermittlungen herumlungern, um Menschen in Ausnahme- und Notsituationen ihre oft überteuerten Dienste anzubieten.

Schlimm finde ich auch, wenn Kommunen einen eigenen Bestattungsdienst unterhalten. Das ist an sich zunächst mal nichts Schlimmes. Solche Dienste wurden eingeführt, um im Sinne der Daseinsfürsorge für die Bürger eine preislich faire Bestattung anbieten zu können. In früheren Zeiten wurden diese städtischen Bestatter oft auch aus dem Stadtsäckel subventioniert. Mittlerweile sind das aber in der Regel alles kommunale Eigenbetriebe, wenn nicht sogar regelrechte Firmen. Sie müssen Gewinne machen, oft auf Teufel komm raus.

Das führt dann dazu, dass städtische Friedhofsämter, Friedhofsbeschäftigte und überhaupt das städtische Personal gerne mal den Bürgern gegenüber den Eindruck erwecken, man müsse die Bestattung über diese kommunalen Dienste abwickeln.
„Sie haben jetzt die behördliche Anmeldung des Sterbefalls erledigt, gehen Sie einfach nach nebenan und regeln Sie den Rest.“

Auch glauben viele Bürger, diese Bestattungsdienste seien besonders günstig, weil es ja „von der Stadt“ ist. Auch das ist nicht richtig, ich beobachte immer wieder, dass dort im Gegenteil sehr hohe Rechnungen geschrieben werden.

Man soll sich im Trauerfall nicht zu vorschnellen Entscheidungen drängen lassen. Auch ein gut gemeintes Angebot, ein scheinbar netter Hinweis kann auf einem Bestechungsgeld basieren und führt zu einem teuren Anbieter.

Quelle: Golem, gemeldet von Bernd

Bildquellen:

  • geier: Peter Wilhelm KI

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