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Lebensmüde

Ich bin doch nicht lebensmüde! Da sitzt mir Frau Heuchling gegenüber, die ihren Mann Rene beerdigen lassen muß. Der war lange Jahre als Jurist bei der Postbank tätig und so gönnt sie ihm eine doch recht umfangreiche Beerdigung.
Irgendwann kommt während des Beratungsgesprächs immer der Punkt, an dem ich auch Damen ganz uncharmant nach ihrem Alter bzw. nach ihrem Geburtsdatum fragen muß, ich brauche das für die Behörden.

Frau Heuchling lehnt sich zurück, lächelt keck, schlägt die Beine übereinander und sagt: „Na, raten Sie mal! Schätzen Sie doch mal!“

Ha! Nicht mit mir!

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Das ist genau so eine vertrackte Frage wie die Frage, die meine Frau mir immer wieder stellt: „Sag mal, Schatz, steht mir diese Bluse hier eigentlich?“

Ich schaue, es ist eine schöne Bluse und nicke: „Ja, die steht Dir?“

Damit wäre für mich und für 65% aller Erdenbewohner die Frage eindeutig und abschließend beantwortet. Nicht jedoch für die 45% der blusentragenden Frauen. „Also ist die schöner als die hellblaue Bluse?“

Man binde mich auf ein Rad, schlage mich mit Ruten oder zwicke mich mit glühenden Zangen: Ich könnte nicht sagen, daß ich jemals in meinem Leben eine hellblaue Bluse an meiner Frau bemerkt habe. Was also soll ich antworten? Soll ich lügen?
Nein, ich sage die Wahrheit: „Du, ich kann mich jetzt auf Anhieb an die hellblaue Bluse nicht erinnern“, füge aber klugerweise noch hinzu: „sie ist aber gewiss auch sehr schön, Du hast immer schöne Sachen an.“

„Wie, Du kannst Dich an diese Bluse nicht erinnern? An die hellblaue? Die habe ich doch am 26. September letztes Jahr angehabt.“

„Ach die“, sage ich, „die ist sehr schön.“

„Männer! Ihr könnt nie unsere Fragen beantworten. Ich möchte wissen, ob die Weiße hier schöner ist, als die Hellblaue!“

Was soll ich tun? Ich weiß nur, daß meine Frau gewiss nicht ohne Bluse oder T-Shirt herumgelaufen ist, wenngleich ich das auch sehr schön fände…

„Hör auf so dreckig zu grinsen!“ unterbricht sie meine Gedankenflug: „Welche ist also schöner?“

Ich sage jetzt einfach mal: „Diese hier, diese weiße Bluse ist ein kleines bißchen schöner.“

„Warum?“

„Einfach so.“

„Du mußt doch wissen, warum Du die schöner findest.“

„Nee, ich finde sie ein kleines bißchen schöner, Punkt.“

„Die hellblaue ist etwas tailliert, diese hier nicht.“

„Ach was.“

„Hm, Du findest also diese nicht-taillierte Bluse besser? Du meinst also, ich sei fett geworden, oder?“

„Um Himmels Willen, nein, Du bist schöner denn je zuvor! Selbst wenn Du zugenommen haben solltest, dann nur an den richtigen Stellen.“

Schon stehen Tränen in ihren Augen und sie zieht maulend von dannen: „Fett und häßlich findest Du mich, jawoll. Du willst es nur nicht zugeben! Du bist auch nicht mehr so schlank wie vor 20 Jahren und hast auch nicht mehr so viel Haare auf dem Kopf wie früher.“

Ich rufe ihr hinterher: „Dein Haar ist wunderschön!“

Doch ich höre nur noch ein vorwurfsvolles: „Männer!“ Dann ist für eine Sekunde Ruhe und es folgt noch ein Schniefen und: „Schuft!“

Diesen Diskussionen sind wir Männer nicht gewachsen. Egal was wir antworten, es wird immer falsch sein. Diese Lektionen lernen Frauen dann gemeinsam auswendig, wenn sie zu zweit aufs Klo gehen. Dort wo bei uns im Hirn quasi ein ganzes Navigationssystem abgespeichert ist und die Synapsen für das Rückwärtseinparken gebildet wurden, ist bei Frauen ein Deichmann-Katalog abgelegt und etwas Speicherplatz für Diskussionen über Schuhe, Kleidung und Kosmetik. Und diese Abteilung des weiblichen Gehirns ist absolut nicht männertauglich.

Aus dieser Abteilung des weiblichen Gehirns kommt auch Frau Heuchlings Frage: „Na, was schätzen Sie denn, wie alt ich bin?“

Ich kann nur verlieren!

Aber ich bin ja durch hunderte harter Ehejahre gestählt und antworte: „Hm, leider kann ich nur ganz schlecht schätzen, aber ich finde, daß Sie genau das richtige Alter haben, vermutlich würde ich Sie wesentlich jünger schätzen, als Sie wirklich sind, aber eine Höflichkeit verbietet es mir, eine genaue Zahl zu nennen.“

„Nein, sagen Sie doch mal, was denken Sie?“

Aber auch auf diese Nachfrage bin ich bestens vorbereitet und sage: „Ich sollte vielleicht noch dazu sagen, daß ich einer kleinen religiösen Minderheit angehöre, der es verboten ist, das Alter von Frauen zu schätzen; wir dürfen auch keine Körpergröße oder das Gewicht raten und müssen uns auch der Beurteilung von Bekleidungsfragen enthalten, uns schmeckt jegliches von Frauen zubereitetes Essen und wir sind durch ein Gelübde dazu gezwungen, Fernsehsendungen schweigend anzuschauen.“

„Ach, was es nicht alles gibt“, staunt Frau Heuchling.

Ich nicke vielsagend und schaue sie fragend an, sie sagt dann: „Siebenundfünfzig“ und ich bin froh, daß ich meine Einschätzung nicht ausgesprochen habe, die hätte mich getötet.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#lebensmüde

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