Frag doch den Undertaker

Leiche hinter Glas, ist das normal?

Bei uns gab es vor kurzem einen Trauerfall. Mein enger Freund und Partner starb mit nur 35 durch Fehldiagnosen an einem Herzinfarkt.
Als seine Familie eine Woche danach entschied, ihn noch einmal aufbahren zu lassen, damit ich ihn noch einmal sehen kann, geschah dies hinter Glas.
Auf die Frage, ob ich direkt zu ihm dürfte um ihn noch einmal zu berühren oder ihm etwas mit auf den Weg zu geben, sagte man, dass sei nicht möglich.
Begründung war, dass er inzwischen schon eine Woche verstorben sei, es dann so üblich sei.

Ich fand das sehr schade, denn ich hatte als ich ihn hinter Glas sah, das sehr starke Bedürfnis ihn noch einmal zu berühren.
Auch wenn es in dem Augenblick für mich nur noch die „Hülle“ von ihm war. Am Ende gestattet man uns dafür aber, der Urne noch etwas beizulegen. Bzw in die Überurne etwas beizulegen.

Nun die Frage, ob es da wirklich Vorgaben gibt, wie lange man einen Toten direkt aufgebahrt bekommt, mit der Möglichkeit diesen zu berühren?
Was könnte der Grund gewesen sein, dass dies nicht erlaubt wurde? Er war jung und sah – zumindest hinter Glas- auch noch gut aus.
Der Schritt ist freilich schwer, aber wäre für mich eine wichtige Möglichkeit während des Abschieds gewesen.

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Daß Verstorbene noch einmal aufgebahrt werden, hat seinen Grund darin, daß auch die Trauergäste, die von weither anreisen, aber auch die Familie, mit eigenen Augen sehen kann, daß der Verstorbene wirklich tot ist.
Man erfährt nicht nur vom Tod eines Menschen und er ist dann einfach weg, in einer Kiste und dem Blick entzogen.
Sondern man kann es mit eigenen Augen sehen und natürlich auch (im wahrsten Sinne des Wortes) begreifen.

Die Aufbahrung zu Hause war viele Jahrhunderte üblich. Da war es auch Gang und Gäbe, daß man den Verstorbenen berührte, streichelte und evtl. auch küsste.

Mit der Industrialisierung wurde der Tod zunehmend aus unseren Häusern verbannt. Heute herrscht oft sogar eine Art Entsorgungsmentalität vor. Ein Verstorbener wird fast wie Sondermüll betrachtet und viele Menschen wollen ihn weder länger als nötig im Haus haben, noch ihn sehen und ihn auf gar keinen Fall berühren.
Deshalb nimmt das Aufbahren und Abschiednehmen am offenen Sarg leider immer mehr ab. Es herrscht der Satz vor: „Wir möchten ihn in Erinnerung behalten, so wie er war.“
Das ist natürlich auch zu verstehen.

Aber eine richtige Abschiednahme, mit dem wörtlichen Begreifen des Todes, kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Trauerbewältigung sein.

Leider gibt es immer noch Friedhöfe (und erschreckenderweise werden auch solche neu gebaut), auf denen das Anschauen des Verstorbenen nur hinter Glas möglich ist.
Dafür gibt es aber keine gesetzliche Regelung. Das ist alleine eine Entscheidung des Friedhofsbetreibers.

Angehörige können trotzdem darauf bestehen, den Verstorbenen direkt, ohne trennendes Glas, zu sehen. Ein kleine Spende an den Hilfsfond für sozial schwache Friedhofsbedienstete kann hier wahre Wunder wirken. Sie haben diese Regelung ja nicht getroffen, aber wie das bei Subalternen so ist, setzen sie selbst den größten Blödsinn mit Vehemenz um.

Nun kann es aber in diesem Fall durchaus so ein, daß nach einer Woche schon ein gewisser Zerfall des Leichnams eingesetzt hatte. Das mag man nicht direkt sehen können, es könnte aber so weit vorangeschritten sein, daß eine starke Geruchsentwicklung als natürliche Begleiterscheinung vorhanden war.
In diesem Fall ist es wirklich besser, man guckt nur durch trennendes Glas, als daß man direkt am Sarg steht.

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