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Leipzig 3

Nach dem kurzen Beineausstrecken und einer schnellen Dusche im großzügigen Bad des Hotelzimmers wurden wir, also die Allerliebste und ich, schon wieder abgeholt, weil die Leseveranstaltung eine nachmittägliche sein sollte, Beginn 15 Uhr.
Das Haus Hoensch, in dem sich die Eventhalle befindet, ist ein ganz modernes Haus. So und nicht anders hätte ich ein neues Haus gebaut; alles auf einer Ebene in sinnvoller Anordnung, großzügige Räumlichkeiten, alles ohne falsche Heimelichkeit.
Die Menschen die dort arbeiten, vom sehr rührigen und beeindruckenden Seniorchef und seiner Frau über die zwei hauseigenen „Eventmanager“ Frau Sommer und Herrn Casus Caspari begegneten uns absolut respektvoll und mit ausgesuchter Höflichkeit und Gastfreundlichkeit.
Man konnte sich richtig wohlfühlen.

Der Musiker hatte abgesagt. Ach, es wäre doch so schön gewesen, wenn zwischen meinen einzelnen Texten immer ein kleines musikalisches Intermezzo stattgefunden hätte.
Aber nein, die Leute von Hoensch hatten sich etwas einfallen lassen. Einer hatte auf die Schnelle ersatzweise einen Pianisten besorgt und ein anderer hatte schnell noch drei Chinesen mit ’nem Kontrabaß besorgt.
Okay, ich gebe es zu, es waren nur zwei Chinesen, die Chinesen waren in Wirklichkeit Japaner und der Kontrabaß ein Cello.
Das ist natürlich eine Herausforderung für die Musikanten, zu einem Event kurzfristig etwas beisteuern zu sollen, mit einem fremden Musiker im Wechsel spielen zu sollen und dann noch die richtigen Stücke auszuwählen.

Das obligatorische Glas Wasser stand bereit, ich brauche es weniger zum Trinken, als mehr zur Abrundung meiner Geschichte aus der Frauenbuchhandlung, ein Mikro und ’nen Kaffee gab es auch. Und: In Leipzig bekommt man guten Kaffee ohne Schaum!
Schon mittags im Lokal hatte man mich ausdrücklich gefragt, ob ich Kaffee Crema oder Filterkaffee möchte.

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Leute ich will immer nur Kaffee und kein kaffeeähnliches Schaumgetränk.
So muß ein Kaffee aussehen:

leipzig-kaffee1

Perfekt!

Und so sollte er nicht aussehen:

leipzig-kaffe2

Unter dem an sich geschmacklosen Schaum lauert meist eine brodelnde, bittere Automatenbrühe, die selbst nach einer halben Stunde noch vesuvische Temperaturen entwickeln kann. Aber so wie man den Menschen dreißig Jahre lang eingebläut hat, nur saurer Wein sei ein guter Wein, so hat man sie von herrlichem deutschen Filterkaffee innerhalb weniger Jahre auf italienische Automatenschaumbrühe umerzogen. Mich nicht!

Es ist 15 Uhr, ich lasse noch vier Minuten verstreichen, weil noch nicht alle sitzen und schon schon heißt es mahnend: „Eigentlich lieben wir das pünktliche Anfangen.“
Jau, ich mach ja schon hinne…

Erstaunlicherweise sind sogar richtig viele Leute gekommen, um ausgerechnet mich zu hören, das hat mich sehr gefreut.
Nach einer durchaus launigen und mit einem Hauch landestypischen Akzents gefärbten Einleitung durch Casus sprach dann noch Firmensenior Jürgen Hoensch, der absolut bescheiden und bodenständig seinen Stolz auf das noch echt neue Gebäude zum Ausdruck brachte.
Dann schlug meine große Stunde, genauer gesagt meine gut zwei Stunden Lesung. Wie immer habe ich die einzelnen Texte durch Plaudern etwas aufgelockert und hatte eigentlich durchweg den Eindruck, daß es den Leuten sehr gut gefallen hat.

Nach der Lesung gab es noch eine kurze Fragerunde und dann standen vielen nette Leute in einer Reihe und mochten gerne eine Widmung oder eine Signatur in einem Buch. Das ist oft der schönste Teil der Veranstaltungen für mich, weil ich da meine Leser mal persönlich sehe und sich wenigstens kurz die Gelegenheit zu einem Gespräch ergibt. Ob Sandy nun mehr auf Jungs oder Mädchen steht, wann wieder was von Antonia kommt und wie das denn nun mit den Cliffhangern sei…

In den so genannten Bühnenanweisungen steht, was für Anforderungen erfüllt sein müssen, damit eine Lesung mit mir funktionieren kann.
Das hat nichts mit einem gesteigerten Anspruchsdenken meinerseits zu tun, sondern soll nur Selbstverständlichkeiten sicherstellen. Für mich und erfahrene Veranstalter selbstverständlich, für manchen Veranstalter ein Buch mit sieben Siegeln, weil er noch nie so etwas veranstaltet hat.
Keine Stehplätze in der ersten Reihe, ab einer gewissen Raumgröße ein Mikrofon, keine Film- und Audioaufnahmen, ein Glas Wasser und ein Kaffee… Nix Versponnenes, nur so Kleinigkeiten.

Seit ich mal im Norden der Republik in einem recht unbelebten Kaff nach der Lesung in einer Buchhandlung quasi mutterseelenallein auf der Straße stand und mich nur zwischen der Rotlichtbar „Bei Uschi“ und einem „Herren-Sauna-Tempel (jetzt mit frischen Bulgarinnen)“ ((das stand da wirklich so!)) hätte entscheiden können, steht in der Bühnenanweisung, daß ich nach der Veranstaltung gerne ein Häppchen essen würde.
Man kommt ja oft direkt vom Flughafen, hat vor Aufregung vorher nichts gegessen und steht dann allein im Hotelzimmer vor der Minibar mit den obligatorischen Minitüte „Ültjes“ für 6,95 €.

Bei Hoensch wurde das mit den Häppchen wörtlich genommen und man hatte tatsächlich drei Platten mit herrlich belegten Schnittchen vorbereitet.
„Wir packen Ihnen den Rest ein, vielleicht bekommen Sie später ja noch Hunger“, lautete das nette Angebot.

Aber glücklicherweise hatte das Hotel ein Restaurant und die Allerliebste und ich hatten uns schon darauf eingestellt, dort später noch essen zu gehen.

Doch zuvor mochte eine Reporterin einer Leipziger Zeitung noch ein Interview. Den Namen der Zeitung hatte ich nicht richtig verstanden und ihn dann wiederholt falsch mit „Völkischer Beobachter“ wiedergegeben… Fauxpas!
Auch ein Audio-Interview war noch gefragt, dann war beinahe Feierabend.

Aber ich wollte das Haus Hoensch nicht verlassen, ohne eine kleine Betriebsführung zu bekommen, was mir auch bereitwillig gewährt wurde. Wie oben schon beschrieben: Alles sehr modern, schön und geschmackvoll:

leipzig-haus1
leipzig-haus2

Besonders gelungen fand ich den kleinen Aufbahrungsraum, den ich nicht fotografiert habe, den die Angehörigen durch einen seitlichen Eingang nach Terminabsprache jederzeit mit einem zur Verfügung gestellten Schlüssel selbst öffnen können, um vom Verstorbenen Abschied zu nehmen.

Danach ging’s ins Hotel. Die Allerliebste und ich waren seit frühmorgens auf den Beinen und uns war klar, daß das Leipziger Nachtleben an diesem Tag ohne uns würde auskommen müssen.

Auf der kleinen Anrichte in der Suite lag sie dann, die „Abmahnung“.
Die Kippe im Klo hatte die Hotelleitung dazu veranlaßt, uns einen Brief zu schreiben.

Okay, es war ein Nichtraucherzimmer, da hat jemand zwei Züge gequalmt bevor seine Zigarette im Klo versenkt worden war.
Ich verstehe das. Nichtraucher sind da empfindlich und wenn jemand ein solches Zimmer bucht, dann will er nicht in einer verqualmte Zigarettenbude kommen. Mein vollstes Verständnis!
Jedoch: Die Suite ist mit einer kompletten Küchenzeile, Herd, Mikrowelle und allen möglichen Töpfen und Pfannen ausgestattet.
Was, wenn wir da abends noch ein leckeres Knoblauch-Zwiebelgericht mit viel Räucherspeck zubereitet hätten, so mit fast schwarzen Zwiebeln?
Oder wenn wir Harzer Käse geschmolzen hätten? Oder ein schmackhaftes Spitzkohlgericht?
DAS geht dufttechnisch erst mal richtig in die Gardinen, Auslegeware und Polster!

Die komische Apparatur hinter der Wandverkleidung über dem Fernseher…

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und das seltsame Überwachungsteil über der Zimmertür…

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…sorgten dafür, daß wir nicht einmal unsere Shisha anmachten oder zur Amtseinführung des neuen Papstes mit Weihrauch bembelten.

Übrigens: Nein, ich will das Hotel nicht in despektierlicher Weise beschreiben. Es ist ein sehr schönes Hotel mit sehr zuvorkommenden Leuten gewesen und ich würde gerne bei meinem nächsten Leipzig-Besuch wieder dort absteigen.
Die Apparatur hinter der Wandverkleidung entpuppte sich später als ein Paar Lautsprecher für die zimmereigene CD-Anlage und der Überwachungsdödel über der Tür stellte sich schlicht und ergreifend als Lampe heraus.

Alles in allem: Ein ganz wunderbarer Tag!
Supernette Leute, schöner Veranstaltungsort, eine sehr schöne Stadt und vor allem eine sehr aufmerksame und uns zugewandte Betreuung. Wir haben uns richtig wohl gefühlt.

Bildquellen:

  • leipzig-kaffee1: Peter Wilhelm

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