Branche/Kommune

Man muss auch mitweinen dürfen!

Detlef Rech ist Bestatter in der sechsten Generation, seine Familie macht das seit 200 Jahren. In einem Artikel in der Allgemeinen Zeitung wird im Zusammenhang mit ihm die Aussage gemacht: „Wer mitweint, der kann nicht mehr helfen“

Das sehe ich ja nun elementar anders.

Sicher, als Bestatter hat man eine wichtige und vertrauensvolle Arbeit zu erledigen und oft genug habe ich zu den Angehörigen gesagt, daß ich ihre Trauer verstehe und mit ihnen fühle, jetzt aber nicht selbst in Tränen ausbrechen kann, weil einer von uns ja nun mal einen klaren Kopf bewahren muß.
Dennoch:

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Man darf als Bestatter auch weinen, man darf mitweinen und kann gerade dadurch helfen. Davon bin ich fest überzeugt.
Ich weine nicht oft, ich kann gerade in brenzligen und dramatischen Situationen einen kühlen Kopf bewahren, das war schon immer so. Mich reißt es auch nicht vom Hocker, wenn alte Menschen eines Tages ihren Lebensweg zu Ende gegangen sind.
Ja, ich muß noch nicht einmal weinen, wenn Kinder oder Jugendliche betroffen sind. Der Bestatter bewahrt den kühlen Kopf, er muß klar denken können und ist derjenige in der Runde, der den Überblick behalten muß, denn alle anderen sind ja schon von Trauer übermannt und kaum zu einer vernünftigen Entscheidung in der Lage. Da bringt es nichts, wenn der Bestatter oder die Bestatterin in puncto Empathie übertreibt und jedem Trauernden schluchzend um den Hals fällt.

Ich kenne da eine Bestatterin, die es als ihre urwichtigste Aufgabe ansieht, mit den Trauernden in die „Phase der gemeinsamen Totenklage“ zu gelangen. Wer’s braucht…

Aber wenn da jemand weint und wenn mein Herz gerührt ist und ich das Gefühl habe, jetzt wäre es gut, warum soll es dann den Menschen, die sich mir anvertrauen und oft ihr Innerstes nach außen kehren, dann schaden, wenn man mit ihnen weint?
Helfen kann man als Bestatter trotzdem, denn man verfügt über die Fachkenntnisse und den notwendigen Sachverstand um auch eine durchweinte Situation wieder in den Griff zu bekommen.

Gerade vor dem Hintergrund der Anonymisierung der Großstädte, des Weitauseinanderlebens der Familien und der oft nicht gewünschten Betreuung durch einen Pastor erfüllt doch gerade der Bestatter heute Aufgaben, die man mit Fug und Recht als Seelsorge und psychologische Arbeit bezeichnen darf. Nicht jeder kann das, nicht jeder Bestatter tut das; und das ist auch gut so!
Aber die, die es können, die leisten einen wertvollen Beitrag bei der Bewältigung der Trauer und da kann gemeinsames Weinen auch mal sehr gut tun.

Außerdem: Ein Bestatter kann noch so professionell und routiniert sein, es wird immer Situationen geben, die ihn so bewegen, daß er gar nicht anders kann. Was ist daran verkehrt? Auch Bestatter sind nur Menschen.

Bild: U. Herbert/pixe lio.de

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    Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

    Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 26. September 2012 | Revision: 5. Februar 2014

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    4 Kommentare
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    12 Jahre zuvor

    Analog ist es in der Pflege. Manchmal hätte ich gerne mitgeweint, aber ich kann das irgendwie nicht. Auch privat nicht. Leider.

    Ich

    ich habe in meinem pflegepraktikum einen alten mann erlebt, den alle fuer dement hielten (und der es wohl auch war). er sollte dann wieder ins pflegeheim verlegt werden und dazu sollte ich ihm helfen, sich anzuziehen. und da hatte er einen klaren (?) moment, in dem er mir viel aus seinem leben erzaehlte. es kam dann auch noch eine andere schwester dazu und wir konnten beide nicht anders als mit dem mann weinen. und ich fand das in dem moment vollkommen in ordnung so.

    Öschi
    12 Jahre zuvor

    Den letzten Absatz unterschreibe ich sofort.
    Es gibt Sterbefälle, die kommen nicht an einen ran, wie auch immer und andere berühren dich und dann sind auch welche, wo man feuchte Augen kriegt – trotz aller Professionalität – und das ist es aber dann auch, was die Angehörigen spüren, weil dieses Mittrauern ehrlich rüberkommt. Dann spüren alle, dass so ein Bestatter auch Gefühle zeigen kann und sie in ihrer Trauer ein Stück weit begleitet – und Routine kenne ich nicht.
    Wenn ich anfange Sterbefälle als Routinefälle zu erledigen, wechsle ich den Beruf.

    12 Jahre zuvor

    …genau das das, was professionelle Empathie ausmacht!
    In unserem Job ist es nicht anders: die Schicksale unserer Patienten lassen uns ja nicht kalt. Aber wenn wir jedes Mal vor Schreck wie versteinert dastehen oder in Tränen zerfließen ist niemandem gedient… also: Verständnis und Mitgefühl zeigen, aber mit kühlem Kopf und professionell reagieren…
    Was ich aber immer schon mal wissen wollte: Gibt es für Bestatter eigentlich auch so etwas wie Supervision?




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