Das schlechte Gewissen der Nation, das selbst oft genug ohne Gewissen sein soll, schwingt den moralischen Jauchekübel und schüttet ihn über zwei Autoknacker:
„Schämt Euch, Ihr fiesen Friedhofs-Diebe!“ titelt BILD.de und berichtet über den „Gipfel der Bösartigkeit“, eine „herzlose Tat“ bei der die einschlägig vorbestraften Ronny R. aus Blochwitz und Marko K. aus Meißen die Fahrzeuge älterer Friedhofsbesucher aufgebrochen hatten, um Handtaschen, Geld und EC-Karten zu stehlen.
BILD meint ja, das sei Raub und schreibt: „Es ist wirklich gemein, einen Menschen zu berauben“, ich glaube fast, daß das nur Diebstahl oder Einbruchdiebstahl war.
Recht hat sie ja, die BILD, es ist wirklich gemein, jemanden zu berauben, so ganz allgemein einmal gesagt. Es ist aber auch gemein, jemanden zu vergewaltigen oder ins Ohr zu beißen.
Aber die „fiesen Typen“ haben weder das eine noch das andere gemacht.
Klar, wer trauernde Rentner beklaut, der ist ein fieser Typ und die gestern über die beiden Täter verhängten Strafen gehen in Ordnung, aber wenn jemand „an den Gräbern seiner Verstorbenen steht“ und draußen vor dem Friedhof Marko und Ronny ein Auto aufbrechen, dann ist das nach meinem Rechtsempfinden kein Raub, denn, so wie ich das bisher immer verstanden habe, gehören zum Raub immer wenigstens mal zwei dazu, nämlich ein Räuber und ein Beraubter und die sollten sich zumindest halbwegs am selben Fleck befinden. Man kann also nicht beraubt werden, wenn man gar nicht dabei war.
Aber die BILD ist da ja geschickt und spickt den Artikel auch noch mit den Begriffen Bande, Ganove, aufbrechen und plündern.
Besonders intensiv widmet sich BILD der Rentnerin Sigrid R. (70), die nicht nur ihre EC-Karte unbeaufsichtigt im Auto ließ, sondern auch passenderweise gleich noch die PIN-Nummer gleich bei der EC-Karte im Portemonnaie aufbewahrte und nun von ihrer Bank eine gewisse Mitschuld angerechnet bekam, von den 1.800 Euro Schaden bekommt sie nur 1.300 Euro zurückerstattet.
Aber BILD weiß, wie man das zu bewerten hat und kommentiert die Bestrafung mit den Worten:
„Wirklich zu Recht, denn Ihr beiden seid richtig, richtig FIES!“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Der verantwortliche Redakteur sollte gezwungen werden, fünfhundert Mal zu schreiben: Dieser Artikel war das Textäquivalent zu einem Stoffwechselendprodukt.
Mit der Hand.
Das wär aber fies, und gemein noch dazu.
ach Tom, so viele Buchstaben für das Blatt mit den vier Grossbuchstaben? 😉
Wenn das Fzg. verschlossen war, ist es sogar „schwerer Einbruchdiebstahl“ -stand jedenfalls auf dem Bescheid der StA, als die Ermittlungen wg. des Einbruchs in mein Auto eingestellt wurden.
So eine Anzeige koennte man sich eh schenken -aber ich brauchts halt fuer die Versicherung.
Wundert mich, dass die Rentnerin etwas von der Bank zurück bekommen hat. Wer so grob fahrlässig handelt, der schaut normalerweise in die Röhre.
Ich dachte, Friedhofsräuber rauben Friedhöfe?
@3 – Techniker: Was soll denn bitte „schwerer Einbruchdiebstahl“ sein? Der Einbruchdiebstahl ist eine Alternative des „besonders schweren Falls des Diebstahls“, aber einen „schweren Einbruchdiebstahl“ gibt es nicht. Wenn das Fahrzeug nicht vershlossen war, dann war es kein Einbruchdiebstahl und damit auch kein besonders schwerer Fall des Diebstahls.
@Topic: Auch die Verwendung des Begriffs „Bande“ ist schön. Das ist auch ein vom Geset verwendeter Begriff, von dem der BGH eindeutig entscheiden hat, dass er begrifflich einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraussetzt, eine Bande (zumindest im rechtlichen Sinne) kann hier also schon aus diesem Grund nicht vorliegen.
Tja, ist halt die BLÖD-Zeitung. Ich sach nur: mer niwoh!
Die Polizei warnt immer davor, Wertsachen im Auto liegen zu lassen – Portemonnaie und EC-Karte sind für mich auch Wertsachen und haben auf einem (wahrscheinlich unbewachten) Parkplatz nichts im Auto zu suchen. Daher habe ich für die Rentnerin nur begrenztes Mitleid, und sie kann sich wirklich freuen, dass die Bank so außerordentlich kulant war.
B!LD ist numal der Kaempfer fuer den kleinen Mann. Sie setzt sich fuer arme, alte Omas ein, die ja nun ueberhaupt nichts dafuer koennen, wenn solche fiesen Raubmoerder in ihr Auto einbrechen und die EC-Karte samt Geheimzahl klauen. Das kann schliesslich _jedem_ passieren. Zumindest jedem, der diese Art von Boulevardblatt liest.
Naja – juristischer und allgemeiner Sprachgebrauch. Ich bin mittlerweile von der (m.E. etwas unangenehmen) Erstsemestergewohnheit abgegangen, solche Fehler zu korrigieren.
Wenn die BILD mit „Raub“ einen Diebstahl meint, der den Betroffenen besonders schwer verletzt (=> Friedhof), dann soll mir das recht sein. Ich beschwere mich ja auch nicht, wenn in der Zeitung etwas von Raub steht, obwohl klar eine räuberische Erpressung vorlag, wenn man im täglichen Gespräch Hypotheken und Grundschulden oder Eigentum und Besitz verwechselt. Oder, was allerdings von kompletter Ahnungsbefreitheit zeugt, die Begriffe des Hedge Fonds und des Private Equity Investors synonym verwendet werden. Oder, wenn Freshfields Bruckhaus Deringer von linken Hetzblättern als „amerikanische Großkanzlei“ bezeichnet wird.
Alles in allem: entspannter sein, auch gegenüber der BILD 🙂
@9 – Till: Das ist schon richtig, dass viele Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch eine andere (bzw. weitere, nicht so klar abgegrenzte) Bedeutung haben als im juristischen Sprachgebrauch, und dass man demnach auch nicht davon ausgehen sollte, alle Begriffe, die in einem Gesetz vorkommen, seien auch immer in diesem Sinne zu gebrauchen – „Erstsemestergewohnheit“ trifft dies ganz gut. Zumal ja auch viele Begriffe in unterschiedlichen Rechtsgebieten unterschiedliche Bedeutungen haben.
Deshalb stimme ich dir weitgehend zu: Besitz und Eigentum, Hypothek und Grundschuld, Raub und räuberische Erpressung, alles geschenkt.
Bei der Gleichsetzung von Hedgefonds und private equity kommt’s dann auf den Zusammenhang an, ob das akzeptabel ist, da es ja, wie du schreibst, wirklich von Ahnungslosigkeit in dem Bereich zeugt.
Aber einen Diebstahl von Wertgegenständen aus einem Auto als „Raub“ zu bezeichnen, ist einfach nur wieder Übertribung um der Sensation willen, um etwas berichtenswertes zu haben. Und das (insgesamt, nicht an dem Wörtchen „Raub“ festgemacht) halte ich für nicht akzeptabel.
Und Freshfields als US-Kanzlei hab ich auch noch nicht gehört 😉