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Marzipankugeln

Der liebe Gott hat ja viele Pflanzen wachsen lassen…

Ich bin ja tolerant, bloß lernfaul, weshalb mir manchmal Wörter wie Schwule, Neger, Zigeuner über die Lippen / Tasten kommen, über die sich dann die neudeutsch politisch Korrekten immer so aufregen. Daß ich aber auch immer noch Straßenbahn sage und nicht „City-Train“ wie es hier jetzt heißt und daß ich immer noch von Fett am Spieß rede, wenn ich Nordic Walking meine, das stört dann niemanden. Merkwürdige Welt.

Naja, ich bemühe mich ja schon, aber ehrlicherweise muß ich gestehen, daß ich immer noch Negerkuß sage und mir gar nichts Böses dabei denke…

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Egal, ich wollte was über Toleranz schreiben. Mir ist es also vollkommen egal, ob jemand beispielsweise glaubt, der Mond bestehe aus grünem Käse oder ob er meint, wir alle lebten auf einer Hohlkugel aus Marzipan. Meinetwegen kann er sich auch eine Frikadelle ans Knie nageln, solange er -und das ist entscheidend- nicht verlangt, daß ich da auch so mache und solange es nicht mein Geld kostet.

Mit dieser Einstellung bin ich immer ganz gut gefahren wenngleich ich zugeben muß, daß ich bei machen Früchtchen doch zweimal hingucken muß, um überhaupt begreifen zu können, was die da machen.

Warum erzähle ich das alles? Nun, gestern bat mich Frau Krampenbuschler ihr dabei behilflich zu sein, das richtige Grab zu finden.
Ihre Mutter ist verstorben und die beiden hatte eine sehr innige Beziehung, haben immer zusammengelebt und man hielt sie hier im Stadtteil allenthalben für Geschwister. Nicht etwa, daß die Mutter so jugendlich geblieben wäre…

Nun ist also die alte Krampenbuschler verstorben und ihre Tochter Jutta steht vor der Frage, ob sie ein Reihengrab, ein Familiengrab oder gar Ehrengrab für ihre Frau Mutter kauft.
So ein Ehrengrab das ist ein historisches Grab auf dem Friedhof, in dem entweder jemand bestattet ist, der irgendwann mal irgendwas für die Stadt getan hat oder es ist ein Grab, das besonders prunkvoll gestaltet und über Generationen von einer Familie immer wieder angemietet wurde. Lebende Verwandte der dort Bestatteten gibt es nicht mehr und so übernimmt die Stadtverwaltung, zur Erhaltung des historischen Charakters des Friedhofs die Pflege dieser Gräber.
Jetzt ist ein kluger Kopf auf die Idee gekommen, diese Gräber zu einem besonderen Preis als Ehrengräber wiederzubelegen. Jetzt können Familien mit entsprechendem Geldbeutel so ein historisches Grab „ankaufen“, ihre Toten dort bestatten, dürfen aber, bis auf einen kleinen liegenden Gedenkstein mit den Namen der neu Bestatteten, am Grab nichts verändern, müssen aber die Pflege des Grabes übernehmen und sicherstellen.

Frau Krampenbuschler will das alles persönlich sehen und meint, es sei meine Aufgabe, sie dabei zu begleiten und ihr die entsprechenden Stellen zu zeigen. Jau, mache ich.

Als wir aber am ersten in Frage kommenden Grab angekommen sind, zückt Frau Krampenbuschler eine zwanzig Zentimeter lange Kette mit einem kleinen Gewicht dran. „Ein Lot“, denke ich und wundere mich. Will sie den Grabstein ausloten, gucken ob er gerade steht?
„Das ist mein Pendel“, belehrt sie mich und kniet sich mitten auf die Grabstelle. Dann wartet sie, ob das Gewicht am Ende der Kette in der von ihr erwarteten Form zu schwingen anfängt.
Keine Ahnung was das Gewicht machen soll oder was es gemacht hat, jedenfalls habe ich festgestellt, daß das Pendeln ziemlich lange dauert.
Immerhin zwölf verschiedene Stellen, an weit auseinanderliegenden Plätzen des Friedhofs, wollte sie auspendeln. Schon bei der zweiten Pendelaktion verkündete sie aber, meine negativen Schwingungen würden das Ergebnis verfälschen und ich solle etwas abseits warten.
Ich glaube aber eher, daß ihr das peinlich war, daß ich ihr dabei zugesehen habe. Aber wer sowas macht, der muß auch aushalten können, daß Leute zugucken.

Das ist so wie bei der Frau mit dem Raben. Mir ist mal eine Frau begegnet die einen Raben oder eine Dohle auf der Schulter sitzen hatte. Gut, Leute mit Ratten oder Wanzen am Körper habe ich schon häufiger gesehen… Aber eine Dohle, das war interessant, da habe ich hingeschaut. Und die blöde Kuh bemerkt das und sagt zu mir: „Ey Alter, willste ‚en Paßbild?“

Naja, jedenfalls habe ich fast zwei Stunden auf dem Friedhof gefroren, bis endlich die richtige Grabstelle gefunden war.
„Da scheint so schön die Abendsonne drauf!“

Ist klar, die scheint ja auch jeden Abend im selben Winkel auf die selbe Stelle, die Erde ist ja eine Scheibe oder eben doch eine Hohlkugel aus Marzipan…

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#marzipankugeln

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