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Melanie II

orgel

Es ist wirklich nicht einfach mit Eltern, die ein Kind verloren haben. Aber ich will natürlich nicht jammern, schließlich ist das unser Beruf und auch so etwas gehört dazu, auch wenn es zu den eher unangenehmen Seiten gehört. Doch obwohl wir immer versuchen, unser Maximum zu geben und jede Trauerfeier so gut wie möglich zu gestalten, muß ich zugeben, daß die Einheitstrauerfeiern von hochbetagt verstorbenen Menschen schon in einer gewissen Routine ablaufen.

Bei Kindern ist das ganz etwas anderes, überhaupt bei jungen Menschen und jeder kann für sich selbst die Definition von jung festlegen.

Melanies Eltern waren am späten Nachmittag nochmals zu uns gekommen, dieses Mal ohne das kleine Baby.
Frau Büser war extra länger geblieben, es kann nicht schaden, eine Frau dabei zu haben.
In unserer Trauerhalle hatten wir Särge, Decken, Kissen und Urnen aufgebaut, das Licht heruntergefahren und ein paar Punktstrahler eingesetzt. Es sollte keine kalte Lagerhallenatmosphäre aufkommen

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Markus und Ramona hielten sich an den Händen als sie in die Trauerhalle kamen und ihre Schritte wurden langsamer als sie die Sachen vorne stehen sahen. Ramona fing sofort an zu weinen, Frau Büser brachte sie dazu, sich hinzusetzen. Markus wollte Stärke zeigen, ging nach vorne um sich alles anzuschauen, doch ich sah, daß seine Hände zitterten und er blass wurde.
Wir haben uns auch gesetzt, allerdings weiter vorne.
So saßen wir da vielleicht zehn Minuten, es war ohrenbetäubend still und man hörte die anderen atmen.

Es war Ramona die das Schweigen unterbrach: „Los, Markus, es hilft ja doch nichts.“

Der Pietätwarenhändler stellt uns für solche Fälle eine ganze Reihe von Artikeln zur Verfügung, was nicht benötigt wird, bringen wir wieder zurück. Es gab einen Sarg in dunkelblau mit kleinen silbernen Sternchen, einen hellgelben mit kleinen Marienkäfern und zwei Modelle in warmen Naturholzfarben.
Etwas abgeschlagen an der Seite stand einer unserer weißen Särge, die wir für alle Fälle immer am Lager haben.
Ja, und was soll ich sagen, genau den haben Ramona und Markus ausgesucht.
Sie entschieden sich für eine Decke und ein Kissen in zartrosa mit viel Rüschen. Ein Totenhemd wollte Markus nicht, er meinte, man könne gut Kleidung von zu Hause nehmen, aber seine Frau war da anderer Meinung. „Guck doch mal, in diesem Hemdchen sieht sie aus wie ein Engelchen.“

Markus schluckt und nickt stumm, dann dreht er sich um, sagt mit trockener Stimme: „Eine Urne brauchen wir nicht, wir nehmen eine Erdbestattung.“

Er sagt das aber nur, um irgendwas zu sagen, um einen Grund zu haben, nach rechts an den Urnen vorbei ins Dunkel zu gehen und sich dort weinend auf einen Stapel Klappstühle zu setzen.
Ich lasse ihn in Ruhe. Besser ist, das kommt raus, die beiden haben noch genug damit zu tun.

Mir steht noch eine schwierige Aufgabe bevor. Melanie wurde inzwischen überführt, sie ist bei uns unten in der Kühlung und ich muß den Eltern die Frage stellen, ob sie das Kind noch einmal sehen wollen.

„Darf man das denn?“ will Ramona wissen, ich nicke und sie geht zu ihrem Mann. Die beiden beraten sich eine Weile, dann kommt Markus und fragt zögernd, wie Melanie denn aussieht. Ich beruhige ihn, das Kind sieht aus, als wenn es schläft.

„Das können wir jetzt nicht entscheiden, wir sind uns nicht einig und wir werden heute Nacht darüber nachdenken, wir können seit Tagen sowieso nicht schlafen“, sagt er.

Ist in Ordnung so. Frau Büser und ich begleiten das Ehepaar zunächst in die Halle, dann in einen Besprechungsraum, es gibt noch einiges zu klären. Ramona und Markus wollen kein Kindergrab, die finden sie schrecklich, es soll ein ganz normales Reihengrab sein, auch wenn das mehr kostet. Ein Familiengrab kommt für sie nicht in Frage, das müssten sie zu oft verlängern, weil sie selbst noch so jung sind. Recht haben sie.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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#Lektorin A #melanie

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