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Montagmorgen

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Behördengänge unternimmt niemand gerne, für Bestatter gehören sie zum Alltag.
Wenn ich ein Auto zulassen oder ummelden muß, dann rufe ich Ralf an. Ralf hat einen Zulassungsdienst und macht das beruflich. Er kommt, holt die Papiere, erledigt den Behördengang und bringt ein, zwei Stunden später alles wieder. Das kostet pauschal 20 Euro und ich habe keine Lauferei, keine Warterei und keine Mühen.

So erledigen wir auch alle Behördengänge für unsere Kunden und bei uns geht das ebenso fix wie bei Ralf. Auf „unserer“ Behörde kennt man uns, wir kommen schnell dran und brauchen auch nicht zu warten.
Heute Morgen mußte ich in eine benachbarte Stadt zum Amt.

„Zimmer 21, erster Stock!“ raunzt mich der Zerberus in der Glaspforte an, ohne hinter seiner BILD-Zeitung hochzuschauen. Also nehme ich die Treppe nach oben (ich soll immer die Treppen nehmen, sagt meine Frau, und ja nicht mit dem Aufzug fahren) und will gerade an Zimmer 21 klopfen, da höre ich von drinnen Stimmen und denke mir, daß da noch jemand vor mir dran ist, also setze ich mich auf einen der beiden Stühle auf dem Gang und warte ein bißchen.

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Nach 15 Minuten wird mir das aber zu lang und ich klopfe mal vorsichtig, bekomme aber keine Antwort von drinnen, ich klopfe nochmals, diesmal etwas fester und mache dann einfach die Tür auf.
Im Büro bietet sich mir folgendes Bild: Etwa zwölf Beamte und Bedienstete beiderlei Geschlechts fahren herum, starren mich für eine Sekunde an wie einen frisch gelandeten Marsmenschen und machen dann mit dem weiter, mit dem sie gerade beschäftigt sind. Alle tragen bunte Hütchen auf dem Kopf und Hawaii-Girlanden aus Papier um den Hals und haben Gläser mit Schirmchen in der Hand. Auf der Theke, die das niedere Volk von den Hoheitlichen trennt, stehen mehrere Platten mit belegten Brötchen und auf einer Torte weiter rechts prangt eine goldene 50.
Offenbar feiert einer der Anwesenden seinen 50. Geburtstag und hat dazu das halbe Amt eingeladen.

So stehe ich nun da mit meinen Unterlagen in der Hand und keiner hat Lust sich um mich zu kümmern. Na gut, so ein belegtes Brötchen mit gekochtem Schinken, etwas Remoulade und Spargelspitzen kann ich mir ja nehmen und während ich kaue, erbarmt sich dann doch eine und fragt: „Ja?“

„Ich wollte einen Sterbefall anmelden.“

„Heute Zimmer 36, ein Stockwerk höher!“

Ich nehme mir noch zwei belegte Halbe mit auf den Weg und begebe mich anweisungsgemäß zu Zimmer 36. Dort klopfe ich, trete sofort ein und finde mich in einem Büro mit vier Schreibtischen und vier städtischen Bediensteten. Jeweils zwei Schreibtische stehen aneinander und die Leute sitzen sich gegenüber, jeweils ein Mann und eine Frau.
Mich zu übersehen ist eine Kunst, die vier schaffen das aber; niemand nimmt auch nur im Geringsten Notiz von mir und selbst als ich freundlich mal ein „Guten Tag“ in den Raum werfe, guckt nur eine der Frauen mal eben zu mir hoch, wendet sich dann aber wieder ihrer Computertastatur zu.
„Hallo!“ sage ich mal vorsichtig, doch keiner kümmert sich, die heben nicht einmal die Köpfe…

„Äh, ich möchte einen Sterbefall anmelden…“

Keine Reaktion, nur geschäftiges Geklappere von vier PC-Tastaturen.

„Sind Sie da?“ frage ich und wiederum erfolgt keine wie auch immer geartete Reaktion.

„Haaalloooo?“

Nix.

So geht das wenigstens vier Minuten und ich komme mir schon etwas lächerlich vor, fühle mich verarscht und habe das Gefühl, die hoffen nur darauf, daß ich lästiger Eindringlich einfach wieder weggehe, da dreht sich Dame Nummer Zwei auf einmal zu mir um, schaut mich tatsächlich an und nickt nur fragend.
Nein, sie sagt nicht: „Entschuldigung, so jetzt haben wir Zeit für Sie, was können wir denn für Sie tun?“ Nein, sie nickt nur so, zieht die Stirn in Falten und sperrt etwas den Mund auf.

„Ich hätte einen Sterbefall, der beurkundet werden muß“, sage ich.

„Machen wir nicht“, lautet die knappe Antwort und bevor die Tante sich wieder ins geschäftige Klappern vertieft, sage ich schnell:

„Die im Zimmer 21 haben mich hergeschickt.“

Statt einer Antwort streckt die Tante einfach ihre Hand aus. Offenbar möchte sie, daß ich ihr die Unterlagen gebe und das tue ich auch.
Sie schaut die Unterlagen nichtmal an, legt sie wortlos in einen grauen Ablagekorb auf ihrem Schreibtisch und dreht sich tatsächlich wieder weg.

„Und nun?“ frage ich und sie sagt, ohne sich zu mir umzudrehen: „Kommen Sie morgen wieder, aber nicht vor elf.“

Es ist doch immer wieder eine Freude, wie zuvorkommend man behandelt wird und daß auch Behörden erkennen, daß der Bürger freundlich behandelt werden muß.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#montagmorgen

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(©si)