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Nah am Wasser und kostenlos

Wenn man mein Weblog so liest, könnte man den Eindruck gewinnen, ich sei besonders nah am Wasser gebaut und würde mir die Schicksale meiner Kunden in fast schon übertriebener Weise zu Herzen nehmen.

Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall. Als Bestattungsunternehmer und oberster Zeremonienmeister für Lebensendveranstaltungen stehe ich dem Tod nicht mit entsetzter Überraschung gegenüber und der Tod hat für mich jeglichen Schrecken verloren. Er macht jeden friedlich. Und selbst wenn ich mit den Angehörigen fühle, bringt es weder ihnen noch mir etwas, wenn ich jedes Mal in Tränen ausbrechen würde oder mich von Trauer und Mitgefühl übermannen lassen würde. Einer muß ja einen kühlen, klaren Kopf behalten.

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Wenn aber hier im Weblog immer mal wieder Geschichten erzählt werden, die mir besonders an die Nieren gegangen sind, dann hängt das sicherlich auch damit zusammen, daß ich ausgerechnet diese Geschichten erzähle und das tägliche Allerlei weglasse.

Heute Morgen waren drei Familien bei uns. Eine 73jährige Frau mit ihrem Sohn mußte ihren Mann gehen lassen, zwei alte Menschen meldeten ihre tote Schwester/Schwägerin zur Bestattung an. Für beide Familien werden wir eine einzigartige und „schöne“ Bestattung liefern, ganz individuell und gemäß ihren Wünschen. Für uns werden das aber dennoch unaufgeregte Routine-Beerdigungen sein. Und genau die bringen letztlich das Geld.

Manche haben sich und mich schon gefragt, warum wir denn so großherzig mal dies, mal das arrangiere und nichts dafür berechne. Naja, das ist doch klar, viele Dinge kosten uns wenig, machen aber auf die Kunden einen großen Eindruck, dann wollen wir natürlich auch die Leistungsfähigkeit unseres Hauses unter Beweis stellen und was die Leute nicht kennen, müssen wir ihnen immer wieder mal zeigen.

Aber: Aufwendige Dinge kosten oft eben auch doch viel Geld. Deshalb sind mir große, aufwendige, ja fast schon pompöse Bestattungen zwar lieb, weil wir uns da mal austoben dürfen, letztendlich steht aber oft der Gewinn in keinem Verhältnis zum Aufwand.

Alltägliche 08/15-Bestattungen hingegen sind unser Schwarzbrot, sichern unseren Fortbestand und bringen letztenendes auch das Geld.

Ich will das mal an einem Beispiel verdeutlichen.
Nehmen wir an, wir haben drei tote Opas in unserem Kühlraum und bewahren die dort für zwei Tage auf. Die Aufbewahrungs- und Kühlkosten, die wir den Kunden in Rechnung stellen, sind im Einzelfall gering, in der Summe aber verdienen wir daran.

Zur gleichen Zeit haben wir nochmal drei Personen, die jeweils einzeln in unseren „geschmackvollen und persönlichen“ Aufbahrungsräumen oben liegen. Das lassen sich die Kunden etwas kosten. Der Aufwand ist aber ungleich größer, neben den sechsfachen Kühlkosten kommen die höheren Instandhaltungs- und Erstellungskosten zum Tragen und die notwendige Kundenbetreuung bei den Besuchen usw. usf.
Jedenfalls ist der Ertrag um die Hälfte geringer obwohl es für die Kunden mehr als doppelt so teuer ist.

Schon aus dem Grund erfährt die kleine, arme Oma mindestens die gleiche Aufmerksamkeit und zuvorkommende Behandlung wie der pensionierte Bankdirektor der schon beim Betreten unseres Hauses mit den 500ern wedelt.


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. November 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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6 Kommentare
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Torky
17 Jahre zuvor

Ui wenn man das so dem Kunden erzählt bekommt man aber Gewissensbisse ..

Sollen wir den Verstorbenen unten in unserem Gruppenkühlraum verst..Äh aufbewahren, oder möchten sie einen Platz hier oben in unseren geschmackvollen und persönlichen Einzelaufbewahrungsräumen?

Wer kann da guten Gewissens den Verstorbenen in den Keller zum Gruppenkuscheln schicken 😉 ?

Torky
17 Jahre zuvor

Hmpf – das Zweite "man" bitte durch ein "der" ersetzten, danke 🙂

Newty
17 Jahre zuvor

Naja, oben werden doch die, die für eine Abschiednahme am offenen Sarg vorgesehen sind, aufbewahrt während die Verwandschaft da ist. Wenns durch ist, kommen die ja auf wieder runter und die Kühlung wird ausgemacht – spart immens… so glaube ich 😀

undertaker
17 Jahre zuvor

@Newty: Ganz so ist es nicht. Wenn die Familie eine Abschiednahme wünscht, bleibt der Verstorbene von Anfang bis Ende im Abschiedsraum. Die Familien haben nahezu jederzeit die Möglichkeit, zu Besuch zu kommen. Die Aufbahrung vor einer Trauerfeier hingegen, bei der die Trauergäste etwa eine halbe Stunde Zeit haben, sich zu verabschieden, kostet nichts extra.

Newty
17 Jahre zuvor

Okay – dann Daumen hoch für euch… Wir haben damals bei meinem Vater nen Termin bekommen und länger als ne Stunde wollte man uns partout auch nicht dahaben – dass das bei euch anders läuft, war klar. Aber dass die Verstorbenen wirklich die ganze Zeit im "Luxus" liegen, hätte ich wirklich nicht gedacht

fredi
17 Jahre zuvor

du musst deine aufbahrungsräume halt besser isolieren, das spart mit den jahren auch enorm kosten 😉




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