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Obst, Gemüse, Fuchs und Birnbaumer-Nüsselschweif

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Wir alle lieben ja ganz besonders Frau Birnbaumer-Nüsselschweif, diese Ausgeburt der selbstverliebten Hilfsbereitschaft zu Schaden eines Jeden, der keine Hilfe benötigt.

Heute Morgen wurde ich Zeuge ihres Auftretens bei der örtlichen Obst- und Gemüsehändlerin. Frau Fuchs betreibt diesen Gemüseladen schon in vierter Generation, obwohl man dazu sagen muß, daß der Laden ganz früher nur aus zwei Böcken und ein paar Brettern bestanden hat, die in einer Hofeinfahrt als einzelner Marktstand aufgebaut waren.

Frau Fuchs ist immer sehr laut und sehr direkt und eine von den Personen, die niemals ein Blatt vor den Mund nehmen und ihr Herz auch noch auf der Zunge tragen. Kein Thema ist ihr zu hoch, keine Frage zu blöd und wenn man will, daß irgendeine Neuigkeit besonders schnell Verbreitung findet, dann erzählt man sie Frau Fuchs und sagt am Besten noch dazu, sie solle es auf gar keinen Fall irgendwem weitererzählen. Man kann sich zuverlässig darauf einstellen, daß es nur etwa 37,5 Minuten dauert und der ganze Stadtteil weiß Bescheid.

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Im Grunde ist die Fuchs also eine sehr nervende Person und ich meide normalerweise laute, vor allem aber vorlaute Menschen. Aber will man frisches Obst und frisches Gemüse von sehr guter Qualität, dann kommt man an Frau Fuchs‘ Laden nicht vorbei. Ja und weil meine Frau die Fuchs überhaupt nicht ausstehen kann, bittet sie mich stets besonders liebevoll, die dort anstehenden Einkäufe stellvertretend für sie zu erledigen: „Mann! Obst, Gemüse! Zack, zack!“

So stehe ich also heute Morgen, kurz nach Acht in Frau Fuchs‘ Laden und warte darauf, bedient zu werden, was erfahrungsgemäß ein Weilchen dauern kann. Vor mir sind noch drei andere Leute dran und ich warte geduldig neben der Tür, als die Birnbaumer-Nüsselschweif gleich einem heliumgefüllten Walroß hereinschwebt.

„Morgääään!“

Dann wendet sie sich der offenen Auslage an Früchten und Gemüse zu und beginnt aus jeder Kiste ein Stück zu entnehmen, es zu betatschen, auch mal daran zu riechen, das Obst zu beklopfen und zu drücken und legt alles wieder hin.
Ich sehe schon, daß das Frau Fuchs nicht entgeht und diese über die Köpfe der anderen Kunden hinweg das Tun der Birnbaumer-Nüsselschweif mit der Gelassenheit eines kurz vor dem Ausbruchs stehenden Vulkans kritisch beäugt.

Als die Birnbaumer-Nüsselschweif eine Birne in die Luft wirft und wieder auffängt, wohl um am Klang der in die Hand klatschenden Frucht den Grad der Reife zu ermitteln, kann sich die Fuchs nicht mehr beherrschen und kräht in bester Marktlautstärke:

„Sie da, Frau Stüsselweib, packe‘ Sie nich mei ganzes Obst an, ja? Sie betatschen ja alles, das verdirbt mir ja!“

Die Birnbaumer-Nüsselschweif erstarrt mitten in der Bewegung, legt in Zeitlupe die Birne wieder auf den Haufen mit den anderen Birnen, dreht sich wie in Zeitlupe zu Frau Fuchs um und funkelt diese mit zusammengekniffenen Augen und Lippen an, dann sagt sie:

„Wiederholen Sie das!“

Die Fuchs ist aber nun zerebral-kognitiv gar nicht in der Lage, irgendetwas, was sie sechs Sekunden vorher gesagt hat, nochmals zu repetieren. Ihr Sprechzentrum ist eher vorwärtsgewandt und nicht retrospektiv funktionierend. Deshalb wiederholt sich auch nicht, sondern ergänzt:

„Wenn Sie was zum Obst wissen wollen, könne‘ sie mich was fragen, ich schneid Ihnen gern auch mal ein Stück ab, für so zum Probieren, ja?“

Die Birnbaumer-Nüsselschweif reagiert auf dieses eigentlich doch recht freundliche Angebot nicht und geht auf das vorher Gesagte ein:

„Ich soll das Obst nicht anfassen, weil es dann verdirbt? Ja hat man sowas denn schon gehört? Ja hat man sowas denn schon erlebt? Was fällt Ihnen denn eigentlich ein? Wieso sollte das Obst denn verderben, wenn ich es anfasse? Na sagen Sie mal!“

Dieser Aufforderung der Birnbaumer-Nüsselschweif will Frau Fuchs vielleicht nachkommen, kann es aber nicht, denn die Birnbaumer hat sich mit ein, zwei rudernden Armbewegungen durch die vor ihr stehenden Kunden hindurchgedrängt, steht jetzt der Gemüsehändlerin direkt gegenüber und faucht ihr ins Gesicht:

„Was wollen Sie denn damit sagen? Wollen Sie sagen, daß ich krank bin oder die Seuche habe? Ihr Obst soll faul werden, wenn ich es anpacke? Ich bin doch sauber und habe doch nicht die Pest! Warum sollte den das Obst schlecht werden? Hä? Na? Was? Das ist ja das Frechste was mir jemals untergekommen ist! Sie wollen mir verbieten, die Ware vor dem Einkauf zu prüfen und anzuschauen? Weil ich das Obst faul mache!
Ich bin eine saubere Frau und wir sind alle geimpft, wollen Sie mir unterstellen, ich sei irgendwie verseucht oder ich hätte was Ekelhaftes an mir! Das ist ja wohl die Höhe, sowas muß ich mir nicht bieten lassen! Wissen Sie was, sie können sich ihr Obst in die Haare schmieren, bei Ihnen kaufe ich nie wieder ein. Das ist ja wohl das Allerhinterletze. Ich würde das Obst vergiften, ja hat man sowas schon gehört? Du ahnst es nicht! Das gibt’s ja gar nicht! Das ist ja wohl eine absolute Frechheit. In was für einem Land leben wir denn eigentlich? Deutschland ist ein freies Land, da werde ich ja wohl noch eine Birne anfassen dürfen!“

Ich weiß gar nicht, wie lang diese Tirade ging, es kam mir unwahrscheinlich lang vor. Die Birnbaumer-Nüsselschweif mußte während des ganzen Redeschwalls nicht einmal Luft holen. Gut, das ist bei Frauen ja nichts Ungewöhnliches, die atmen vermutlich beim Quatschen sowieso durch die Ohren, anders geht das gar nicht! Aber die Birnbaumer-Nüsselschweif hat nicht geatmet, deshalb traten mit jedem Wort ihre ohnehin nicht gerade unauffälligen Augen noch ein Stückchen weiter hervor und am Ende, als ihr Gesicht schon ganz rosa war, schien es fast so, als würden die Augen gleich mit einem ‚Plopp‘ herausspringen.

Frau Fuchs hat sich ob der näherrückenden Hunnin mit einer holländischen Schlangengurke bewaffnet, die sie vorsichtshalber rhythmisch in die Handfläche der linken Hand schlägt. Die Birnbaumer sieht das:

„Sie drohen mir mit einer Gurke?“

Die Umstehenden murmeln, keiner stellt sich auf die Seite der Birnbaumer-Nüsselschweif, die sich die ganze Zeit immer beifallheischend umgeschaut hatte und die sieht somit nun ihre Felle davonschwimmen. Frau Fuchs fühlt, daß das Publikum im Laden ihr zugeneigt ist und setzt noch eins obendrauf:

„Sie, Sie können meinetwegen Ihr Obst im Supermarkt kaufen, gehen Sie jetzt aus meinem Laden weg!“

„Was? Ich soll mein Obst im Supermarkt kaufen? Da ist ja alles gespritzt und man darf gar nichts probieren.“

„Hauen Sie ab!“ ruft die Fuchs und weist der Birnbaumer mit der einem Feldherrnstab gleich in die Höhe gereckten Schlangengurke den Weg.

Ich trete vorsichtshalber einen Schritt zur Seite, denn ich wollte nicht Gefahr laufen, vom Nüsselschwein niedergewalzt zu werden. Doch die bleibt stehen, verschränkt die Arme vor der nicht unerheblichen Brust und schürzt trotzig die Lippen:

„Versuchen Sie es doch! Na, versuchen Sie doch, mich rauszuwerfen!“

Es kreist die Gurke über den Haupt der Gemüsehändlerin, dann öffnet sich die Hand und die Gurke fliegt pendelnd durch die Luft und trifft die Birnbaumer-Nüsselschweif an der fetten Hochrippe und klatscht dann auf den Boden, wo sie sich spontan entscheidet, zu zerplatzen und sich in Zellwände und Wasser zu zerlegen.

„Ich habe Gurke am Schuh! Sie sind alle meine Zeugen, ich habe Gurke am Schuh!“ kreischt die Birnbaumer, dreht sich um und dampft von dann, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen und zu rufen: „Sie werden noch von mir hören!“

So und ich mußte ganz schnell nach Hause, um das meiner Frau und meinen Lesern zu erzählen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#birnbaumer-nüsselschweif #fuchs #gemüse #obst

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