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Olaf hat Hunger

Drei Geschwister sind heute Morgen da gewesen, das heißt: zuerst waren nur zwei da. Sie möchten die Beerdigung ihres Vaters abwickeln, man könne schon mal mit den Formalitäten beginnen, weil ihr Bruder Olaf noch fehle, aber der komme dann gleich. Gut, wir setzen uns in einen Beratungsraum und ich schreibe mir die notwendigen Sachen auf. Nur schwer kann ich ein Grinsen unterdrücken, als die beiden sich über verschiedene familieninterne Dinge unterhalten und sich dabei ständig mit den Vornamen anreden. Er heißt Michael und sie Marianne…
Na, wenigstens haben sie nicht gesungen. Aufgrund ihres Alters kann ich mir nicht vorstellen, daß die Eltern damals in irgendeiner Weise an das Volksmusikduo Marianne & Michael gedacht haben könnten. Aber lustig fand ich’s schon.

Die Vordertür hatte ich auf „Durchzug“ gestellt, also den kleinen Schnäpper hochgemacht, sodaß der noch fehlende Bruder einfach eintreten konnte. Es macht dann leise Ding-Dong, wenn jemand reinkommt. Ich bin gerade bei der Frage nach dem Stammbuch, da höre ich eben dieses Geräusch. Marianne und Michael nehme ich gleich mit vor, denn wenn der Bruder Olaf schon mal da ist, können wir auch gleich mal in den Ausstellungsraum gehen und einen Sarg raussuchen.
Wir biegen aus dem Beratungsraum in die Halle, da schlägt mir der Geruch nach frischem Brathähnchen in die Nase. Da steht doch diese Bruder Olaf an einem Sonntagmorgen um kurz vor zehn in meinem Bestattungshaus und frißt ein halbes Hähnchen mit den bloßen Fingern aus der Tüte.

Da stellen sich mir mehrere Fragen auf einmal:
Wo um alles in der Welt kann man sonntagsmorgens ein frisch gebratenes halbes Hähnchen kaufen?
Wie verhindere ich, daß der mit seinen Fettfingern irgendwas anpackt?
Wie kriege ich den Hähnchengeruch wieder aus dem Bau?
Und: Was ist das überhaupt für ein Benehmen, beim Bestatter einen Gockel zu fressen?

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Ich habe dann auf die Tüte gedeutet und nur gesagt: „Aber nix anpacken, okay?“
Er hat genickt, seine Tüte leergefressen (anders kann man diesen Akt nicht nennen), die Tüte mit den Knochen zusammengeknüllt und einfach in den Blumentopf einer großen Zimmerpflanze gelegt. Dann hat Olaf seine Finger erst abgeleckt und dann am Arsch seiner Hose abgewischt. Ich bin mit den Dreien dann in das andere Beratungszimmer und habe Olaf den abwaschbaren Plastikstuhl gegeben.

Unmöglich sowas!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#hunger #olaf

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(©si)