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Olugulade -12-

Es wurde dringend Zeit, daß Frau Olugulade kam. Jussip, ein Bekannter der Familie, hatte die Frau und den neugeborenen Benjamin hierher begleitet. Wir waren zum Bahnhof gefahren und haben die drei abgeholt. Frau Olugulade war ziemlich fertig von der Fahrt und wollte zu allererst ihren verstorbenen Mann sehen.

Die Nonnen im Krankenhaus hatten ihr erklärt, daß ich Bestatter bin und sie ging fälschlicherweise davon aus, daß der Verstorbene sich in meiner Obhut befinden würde. Tatsächlich liegt dieser aber in getränkten Tüchern im rechtsmedizinischen Institut und ist keinesfalls in einem Zustand, der es erlaubt, ihn der Witwe zu zeigen.

Es ist viel zu viel Zeit vergangen und die Trauerfeier muß jetzt unverzüglich stattfinden. Ich hatte in der Zwischenzeit nochmals im Krankenhaus angerufen und die Schwestern gebeten, bei Frau Olugulade einmal vorsichtig vorzufühlen, ob nicht die Möglichkeit besteht, daß wir den Toten einäschern können und dann nur noch mit der Urne auf sie warten. Das wollte die Witwe aber auf gar keinen Fall.

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Jetzt wird es so sein, daß der Verstorbene im kleinen Trauerraum der Rechtsmedizin seine Feier bekommt. Das kostet die Familie ebenso nichts, wie die lange Aufbewahrung des Mannes. Die Olugulades sind, wie ich mittlerweile weiß, ja nicht mittellos und bekämen auf gar keinen Fall öffentliche Unterstützung. Die Frau hat immer als Krankenschwester gearbeitet und er -das habe ich jetzt erst erfahren- studierte Medizin und wollte hier AIP (Arzt im Praktikum) werden, deshalb der Umzug. Nebenher hatte er im Ruhrgebiet, woher er jetzt kam, in einem Chemiewerk gearbeitet, weshalb die Polizei -und auch das kam mir erst nachträglich zu Ohren- auch dort ermittelt hatte, ob seine tödlichen Atemprobleme eventuell da herrühren.

Frau Olugulade nahm gerne die neue Wohnung an, war sehr dankbar und hat viel geweint, mich und viele andere immer wieder gedrückt und wir alle haben unseren Spaß mit dem kleinen Benjamin gehabt. Ich bin immer wieder von so kleinen Würmchen fasziniert, die kleinen Finger mit Fingernägeln, da ist einfach alles dran, ich bin ja nicht so der Baby-Fan, aber süß sind die doch (wenn man sie nicht saubermachen muß).

Daniel war heilfroh, daß seine Mutter wieder in seiner Nähe ist, aber von seinem Stolz und seinem fast an Überheblichkeit grenzenden Selbstbewußtsein nahm er auch in Gegenwart seiner Mutter keinen Abstand. Wir sind übereingekommen, daß Daniel noch zwei oder drei Tage bei uns bleiben sollte, damit sich seine Mutter besser einleben kann und nicht um zwei Kinder kümmern muß.
Für Jussip war es irgendwie sonnenklar, daß er auch bei uns einziehen kann, aber das ging mir dann doch zu weit, er nistete sich dann auf dem Sofa bei Frau Olugulade ein, denn bis nach der Trauerfeier wollte er bleiben.

Der Mütterkreis, ach dieser Mütterkreis! Im Doppelpack kamen die frommen Mütter und boten ihre Hilfe an. Ganz automatisch habe ich hinter ihnen nach Frau Birnbaumer-Nüsselschweif gesucht, aber von der war weit und breit nichts zu sehen. Ich meine, wenn die helfen will, wirklich helfen will, dann soll das sehr willkommen sein.

Die Mütter brachten Kinderkleidung, Babynahrung, Windeln und allerlei Spielzeug, das hat mir gefallen. Ich hatte zwar auch was gekauft, aber so’n Baby scheißt schon was voll, da kann man gar nicht genug Windelkram haben.

Dramatisch wurde es für mich am nächsten Tag. Morgens um kurz nach Acht stand Frau Olugulade geschniegelt und gestriegelt bei uns und wollte jetzt ihren Mann sehen. Es halfen keine guten Worte, keine ernsten Worte, kein energisches Nein, sie bestand darauf, sie wurde laut, sie zeterte und heulte, wie es nur Frauen ihrer Herkunft wohl können, sehr theatralisch, aber irgendwie auch alles sehr verständlich.

Was sollten wir tun?

Fortsetzung kommt, Ihr lest, ich schreibe derweil


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 30. November 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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Christian
17 Jahre zuvor

Als Krankenschwester und angehende Ärztin wird sie wohl wissen was auf sie zukommt.

LeSmou
17 Jahre zuvor

fertiggelesen…also hopp auf fertigschreiben 🙂

Matten
17 Jahre zuvor

F5

Anke
17 Jahre zuvor

@Christian: der Verstorbene war angehender Arzt, nicht sie

jemand
17 Jahre zuvor

Um 21:00 Uhr alle F5 ?

undertaker
17 Jahre zuvor

Er war Mediziner, sie Krankenschwester. Nicht arm also, aber knapp an Geld, wer Medizin studiert, weiß wie „gut“ man da bezahlt wird.

MacSpi
17 Jahre zuvor

Die Geschichte ist aber schon reichlich alt. Seit wann gibt es keinen AIP mehr? 2003? 2004?
Naja, wenn deine anderen Geschichten auch so alt sind ist zumindest die Entdeckungsgefahr gering.

powermax
17 Jahre zuvor

Hatte nicht damals die Pietät Eichenlaub Herrn Olugulade abgeholt?

undertaker
17 Jahre zuvor

@powermax: Ja und? Solche Abholungen im Auftrag der Behörden bringen ja nicht automatisch einen Bestattungsauftrag mit sich. Das ist so wie bei einem Unfall. Der Abschlepper, der ein Auto nach einem Unfall von der Autobahn holt, bekommt ja auch nicht unbedingt den Reparaturauftrag.

Mac Kaber
17 Jahre zuvor

Wenn sie darauf besteht, kann man nichts machen – und wenn nur noch Reste da sind. Wer will das verbieten und hat das Recht dazu? Man kann eine Person warnen, den Zustand beschreiben, ja und was machen wir, wenn sie dann zum Gericht läuft und eine einstweilige Verfügung beantragt? Dann findet der Richter kein Gesetz, das verbietet, dass sie ihren Mann sieht. Dann lieber nach entsprechender Vorbereitung evtl mit teilw. Einschränkungen in Begleitung einer Vertrauensperson.

16 Jahre zuvor

Nicht Christian sondern die Krankenschwester galube ich.




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