DIREKTKONTAKT

Allgemein

Henning -11-

Seit Hennings Verurteilung mag ein Zeitraum von einem halben Jahr vergangen sein, es können auch durchaus 8 oder 9 Monate gewesen sein, da hörte ich so unter Kollegen, daß Henning tatsächlich eine Stelle als ungelernter Bestattungshelfer bei einem Bestatter in der Nachbarstadt bekommen hat.

Mann, was hat es mir in den Fingern gejuckt, den Kollegen anzurufen und ihm zu erzählen, was ich von Henning halte. Aber ich habe es gelassen, denn irgendwie sträubte sich da was in mir. Wenn mich der Kollege gefragt hätte, hätte es keinen Grund für mich gegeben zu schweigen, aber einfach so anrufen? Nee.

Doch eines Tages kam es, wie es kommen musste. Wir haben einen Sarg in eben diese Nachbarstadt zu überführen und biegen auf den dortigen Hauptfriedhof ein, da sehe ich jenen Kollegen, nennen wir ihn Grottengruber, und unseren herzallerliebsten Henning. Die beiden laden einen Sarg ein, schließen die Heckklappe und Grottengruber wirft mir einen der unter Kollegen üblichen unfreundlichen bis haßerfüllten Blicke zu.

So ist das unter Bestattern. Ich nehme mich da mal ganz bewusst aus und weiß von vielen Kollegen, die hier mitlesen, daß sie genauso denken wie ich. Man könnte soviel gemeinsam bewegen und sich das Leben um so vieles einfacher machen, würde man nur etwas besser zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. In einigen ganz wenigen Städten klappt das, aber in der Mehrzahl der Fälle ist das Gewerbe eher von Ablehnung, hartem Konkurrenzdenken und gegenseitiger Ablehnung geprägt.
Man sollte ja meinen, daß gerade die Ausübenden eines so speziellen Berufes in irgendeiner Weise zusammenrücken, aber leider ist das Gegenteil der Fall.

Wir bemühen uns ganz intensiv darum, zu allen Kollegen freundlich und hilfsbereit zu sein. Niemals, und das ist feste Regel bei uns, sprechen wir Kunden gegenüber schlecht über die Konkurrenz, es sei denn jemand entpuppt sich tatsächlich als schwarzes Schaf der Branche.

Je weniger Bestatter miteinander zu tun haben und je weiter sie voneinander entfernt wirken, umso hilfsbereiter sind sie. Rufe ich jetzt irgendeinen Kollegen im südlichsten Bayern, an der Nordseeküste oder an der polnischen Grenze an, dann kann ich fast gewiss sein, daß der sich für uns eine Bein ausreißen würde. Brauche ich jedoch was von einem Kollegen aus der Nachbargemeinde, werde ich genauso gewiss Probleme haben.

Grottengruber ist ein typischer Schnittbroterfinder. Der hat nicht nur das Bestatten an sich erfunden und weiß alles besser, sondern wenn man den so hört, dann hat er neben dem Schnittbrot auch das Atmen und die Benutzung des Zeigefingers zum Popeln erfunden, er ganz allein.

Vor Jahren hatte ich mal versucht, mit Grottengruber eine Allianz im Polizeidienst aufzuziehen, weil er ansonsten nämlich ganz ordentlich arbeitet, hatte aber nur höhnische Ablehnung kassiert und dann auch keinen weiteren Versuch mehr unternommen, mich mit dem einzulassen. Es wäre für uns beide ein Bombengeschäft gewesen, wenn wir zusammengearbeitet hätten. Er allein hat gar nicht die Kapazität, um einen ordentlichen Dauerdienst für Polizeieinsätze auf die Beine zu stellen und wir als ortsfremdes Unternehmen durften uns damals an der Ausschreibung nicht beteiligen. Wenn er mit uns eine Kooperation eingegangen wäre, so meine Idee, hätten wir gemeinsam mit ihm diesen Dienst gefahren und dann fifty-fifty gemacht…
Naja, wer nicht will der hat schon und fragen kostet bekanntlich nichts. Aber seine Aussagen von damals klingen mir heute noch im Ohr: „Den Polizeidienst machen wir hier vor Ort schon ganz alleine, da brauchen wir bestimmt keinen von Euch, unser Unternehmen gibt es schon seit 1860, da brauchen wir keine windigen Geschäftemacher.“

Wäre ja schön für ihn gewesen, wenn er dann den Auftrag auch bekommen hätte, aber seit Jahren macht das dort jetzt exklusiv die „Pietät Eichenlaub“ und es hat nie wieder eine Ausschreibung gegeben.

Kommen wir zurück auf das kollegiale Zusammentreffen auf dem Friedhof.
Wir stehen mit unserem Bestattungswagen ganz rechts am großen Rondell, Grottengruber muss also einmal wenden. Dazu muss Henning ihn einweisen und das macht der Kerl, indem er sich quasi direkt vor unseren Wagen stellt und mich die ganze Zeit kaugummikauend frech angrinst.
„Arschloch“, denke ich, tue aber so, als ob ich ihn gar nicht sehe.

Wenige Minuten später sind die Grottengrubers verschwunden und wir erledigen unsere Arbeit. Es gilt, einen Sarg abzuliefern und die darin befindliche Verstorbene für eine offene Aufbahrung vorzubereiten. Das heißt, vorbereitet ist die Dame schon, aber nach einem Sargtransport müssen Kissen und Decke wieder gerichtet werden und manchmal möchten die Toten auch noch einmal etwas gepudert und gekämmt werden, die achten ja auch so gar nicht auf sich, wenn wir sie herumfahren.

Mein Fahrer macht das und ich gehe zum Friedhofsverwalter, um abzuklären, wie es weitergeht. Das ist die Nachbarstadt und mir wäre es lieb, wenn er sich um den weiteren Fortgang kümmert. Das macht er gerne und bekommt auch was in seine Kaffeekasse. Dafür guckt er dann ab und zu nach unserer Verstorbenen und sorgt dafür, daß sie auch weiterhin schön aufgebahrt bleibt, zumindest aber ruft er uns an, falls irgendwas Größeres gemacht werden muss und schließlich wird er den Sarg ordentlich verschließen. Das klappt normalerweise auf allen Friedhöfen zuverlässig. Schließlich bringen ja auch Bestatter vom weit entfernten Bodensee oder von der holländischen Grenze mal Verstorbene und die können auch nicht alle paar Tage nach dem Rechten sehen.

Was könnte den passieren, mag manch einer fragen. Nun, Verstorbene verändern sich, der körperliche Zerfall ist schließlich im Gange, manchmal muss der Sarg auch von einer Zelle in die andere umgeparkt werden und dabei verrutscht schon mal was und es kommt auch vor, dass die Angehörigen an den Toten herumzupfen usw.

Jedenfalls will der Verwalter sich kümmern und das ist auch gut so.

Wir fahren wieder heim und wenden uns dem Tagesgeschäft zu. Trotz der vielen Arbeit geht mir der kaugummikauende, grinsende Fatzke nicht aus dem Kopf. So ein frecher Hirni!


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

Schlagwörter:

Allgemein

Die Artikel in diesem Weblog sind in Rubriken / Kategorien einsortiert, um bestimmte Themenbereiche zusammenzufassen.

Da das Bestatterweblog schon über 20 Jahre existiert, wurde die Blogsoftware zwei-, dreimal gewechselt. Dabei sind oft die bereits vorgenommenen Kategorisierungen meist verlorengegangen.

Deshalb stehen über 4.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

Lesen Sie bitte auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
13 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
elfchen
16 Jahre zuvor

Da kommt sicher noch was…*G*

die treue Leserin
16 Jahre zuvor

Hallo Undertaker, ich denke, das wird Dir ab und an passieren, dass Dir der herrlichste aller Azubis über den Weg läuft. Behalte Contenaince. Doof bleibt nun mal doof!

Anni
16 Jahre zuvor

Naja da scheinen sich dann zumindest der richtige Herr und Schüler gefunden zu haben 😉
Zumindest könnte man ja ein klein bisschen Schadenfreude empfinden, dass der „freundliche“ Kollegen, den „ehrlichen“ Mitarbeiter bekommen hat. *g*

16 Jahre zuvor

Redewengungsfehler gefunden:
„Man könnte soviel gemeinsam bewegen und sich das Leben um so vieles einfacher machen, würde man nur etwas besser zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen.“

Korrektur: […] vieles einfacher machen, würde man nur etwas besser zusammenarbeiten und an einem <<>> ziehen.“
🙂

Gruss

Yvonne
16 Jahre zuvor

@ Simon
Wo ist da nun die Änderung? *blindbin*

Ich glaub auch, dass da noch was kommt, dass kann doch nicht alles gewesen sein mit Henning…
*gespanntbin*

Bitghost
16 Jahre zuvor

Ich hoffe Du hast die Seite Deines Wagens geprüft, nicht dass der Fatzke hier ein wenig zu weit gewunken hat…würde mich nicht wundern.

Habe auch das Gefühl das hier noch was kommt…

Anicatha
16 Jahre zuvor

Ich vermute mal die Geschichte geht noch weiter ….
Liege ich da richtig ?

Alex
16 Jahre zuvor

also tom, manchmal muss auch ich daran zweifeln, dass du ein einfacher bestatter bist und kein kunstfertiger autor, so wie du die spannungsbögen setzt. das hier erinnert mich irgendwie an stephen king`s „friedhof der kuscheltiere“, ich weiss auch nicht warum. man wartet die ganze auf den „bäng!“ und es zieht sich eine subtile anspannung durch den text. chapeau, mr. undertaker… es bleibt spannend!

16 Jahre zuvor

Henning weckt wirklich die niedersten Triebe.

Nur vom Lesen verspüre ich den innigen Wunsch nach „Fresse hauen!!“, wie muss es da erst Dir als direkt Betroffenen gehen…

16 Jahre zuvor

@Anicatha

Liege ich da richtig ?

Fragen, die man einem Bestatter nicht stellen sollte…

Britta
16 Jahre zuvor

Ich wette, Dir fehlte nachher die linke Blinker-Abdeckung und sie tauchte auch nie wieder auf… 😉

Es ist ganz schön fies, die Geschichte an der spannendsten Stelle abzubrechen!!!

Sabine
16 Jahre zuvor

Der Bestattungswagen von Tom war ein Mercedes und der Heini hat den Stern mitgehen lassen…

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Das sicherste ist jetzt:
1. Eine Henningphobie bekommen.
und deshalb
2. Bis zur Bestattung Tag und Nacht im Verborgenen auf der Lauer liegen, oder eine Webcam installieren und warten was Henning anstellt. Er wird seinen neuen Chef schon informiert haben, was Du für ein komischer Vogel bist. Anstatt dankbar zu sein, dass man Dein gesammeltes Altmaterial entsorgt, machst Du ihm auch noch Schwierigkeiten und zeigst ihn an. Das riecht nach Rache……Fortsetzung folgt bestimmt.




Rechtliches


13
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex