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Olugulade -17-

Die Herren Ossomowa, John, Smith und Kalombolawa wollen nicht nur „joy and happiness“ bringen, sondern grinsen und strahlen über das ganze Gesicht und das die ganze Zeit. Sie sprechen alle besser Englisch als Deutsch, können sich aber in unserer Sprache halbwegs verständlich machen.
Her Smith betont, und lässt dabei seine beneidenswert weißen Zähne aufblitzen, daß er Christ sei, katholischer Christ und an die Mutter Gottes glaube. Herr John bestätigt das und beteuert, Herrn Smith schon sehr lange zu kennen, daß sei ein „good guy“, ein guter Kerl und vor allem seien sie alle ganz besonders enge Freunde der Familie.

Herr Kolambowala trinkt ein bißchen Kaffee, knabbert einen Keks, strahlt die ganze Zeit wie ein Pfund Plutonium …

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und nickt dann Herrn Ossomowa aufmunternd zu. Kurz noch unterhalten sich die Männer in einem Gemisch aus Englisch und Edo. Dieses Edo ist, wie ich später erfahre, neben Englisch der gemeinsame Nenner, denn eigentlich spricht jeder der Anwesenden eine andere Sprache und sie beherrschen alle mehrere der in Nigeria üblichen Sprachen und wechseln auch scheinbar Vokabeln und ganze Satzreihen zwischen den Sprachen hin und her. Für einen Außenstehenden, selbst wenn er eine oder zwei der Sprachen beherrschte, wäre es unmöglich, die Männer zu verstehen.

Daniel weicht auf einmal zurück; er hatte die ganze Zeit sehr verlegen und etwas verschüchtert da gestanden und ich sehe ihm an, daß er sich mehr als unwohl fühlt. Das merkt auch Herr Ossomowa und wendet sich in seinem Sprachgemisch direkt an Daniel. Auch hier werde ich später erfahren, daß Daniel diese Sprachen bei weitem nicht gut beherrscht; seine Mutter spricht natürlich stolz mit ihm auf Nigerianisch, aber ihr Nigerianisch ist Ugbo oder Igbo, eine völlig andere Sprache. Einige Wörter nur kann Daniel verstehen, Herr Ossomowa erkennt das wohl schnell und spricht langsam und gedehnt, verwendet wohl dann auch hauptsächlich die Sprache von Daniels Mutter und der wird regelrecht blaß.

Man mag es ja gar nicht glauben, daß ein Schwarzer blaß werden kann, aber doch, das geht. Die Haut bekommt einen ganz anderen Schimmer, vor allem die Lippen verlieren an Farbe und Daniel sagt mir später, daß ihn absolut erschreckt hat, daß Ossomowa von Daniels Heimat sprach, die auf ihn warte.
Glücklicherweise kommt in diesem Moment meine Tochter, um Daniel zu holen. Herr John ruft dem weggehenden Jungen noch etwas hinterher, aber der Klang seiner Stimme und das Grinsen in seinem Gesicht passen nicht zusammen.

Ich bin mit den Männern alleine und frage sie, was sie eigentlich wollen, wie sie helfen wollen und in welcher Beziehung sie zu der Familie Olugulade stehen.
Herr Kolambowala, an Liebenswürdigkeit nicht zu überbieten, erklärt in Deutsch-Englisch, wie nahe sie alle der Familie stünden und dann auf einmal erklärt er, ja, die anwesenden Herren seien sozusagen auch alle mit den Olugulades verwandt. Der Schwager des Onkels von Herrn Smith sei mit einer Schwester des Verstorbenen verheiratet und er selbst habe eine Schwester, die mit dem Bruder des Schwagers verheiratet sei… Genau kann ich die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht mehr wiedergeben, aber irgendwie war jeder mit einer Schwester von irgendwem verschwägert und alle hatten eine schwägerliche Wurzel in der Olugulade-Sippe.

Nun bin ich ja nicht mit der Muffe gepufft oder auf der Einbrennsuppe dahergeschwommen, sondern ein halbwegs gebildeter Mitteleuropäer, dem permanent andere Nigerianer, alles Bankpräsidenten, per E-Mail Geld aus der Tasche ziehen wollen. So hatte ich, sicher ein Vorurteil, sowieso keine gute Meinung von Nigerianern.
Auf der anderen Seite konnte ich vor Jahren mal einen unserer Doppelkabinen-Leichenwagen, einen schwarzen Mercedes-Lieferwagen, für einen recht ordentlichen Betrag an einen Nigerianer verkaufen. Der hat ihn nach Afrika verschifft und später bei mir nach weiteren guten Autos nachgefragt und mir erzählt, mein Leichenwagen würde vermutlich noch 10 bis 20 Jahre frisches Obst und Gemüse durch Nigeria kutschieren.

Grundsätzlich kommen mir die Herren hier aber merkwürdig vor und ich frage erneut nach ihren Beweggründen. Da bleiben sie aber nebulös und sprechen nur von „helf and joy“, wollen also nicht raus mit der Sprache.
Ob sie denn von der Botschaft kämen, will ich wissen. „No, no, no!“ Sie fuchteln mit den Händen: „No embassy, no gouvernment, wir sind privat, nur privat, good friends and family!“
Aha, die lügen mich an, das ist sonnenklar. Doch Herr Smith beteuert, sie seien alle Studenten, man kenne den Verstorbenen vom Studium her.
Ach nee, eben noch „good friends“, dann auf einmal „family of Schwagers“ und jetzt Studienkollegen. Die verarschen mich doch und glauben wohl, ich sei total bescheuert.

„Das können Sie erzählen, wem Sie wollen, mir ist es auch egal. Ich will von Ihnen nur wissen, was Sie genau von der Familie wollen.“

Das aber wollen sie mir nicht sagen. Joy, Happiness und „good feelings with the wife of the deseased“. Sie wollen gute Gefühle mit der Frau des Verstorbenen teilen und sind auf einmal ganz mitleidig und zeigen großes Verständnis für die Witwe. Man müsse der Frau helfen und ihr jetzt den Weg ebnen.
Jetzt und auf der Stelle müssen sie mit der Frau sprechen und auf einmal sind die Herren Smith, John, Kolambowala und Ossomowa kein bißchen freundlich, sondern bestimmt und fordernd.

Das lehne ich ab, schütze vor, der Frau gehe es nicht gut, das käme gar nicht in Frage. Herr Kolambowala kneift die Augen zusammen, beugt sich nahe zu mir herüber, sodaß ich sein Rasierwasser riechen kann und sagt in auf einmal doch sehr gutem Deutsch: „Ich MUSS diese Frau sehen und ich werde diese Frau sehen und sprechen. Wenn nicht heute, dann morgen!“

Schnell hat man sich verabschiedet, alle sind urplötzlich wieder strahlende Freundlichmänner, schütteln mir überschwenglich die Hand, klopfen mir auf die Schulter und dann sind sie verschwunden.
Etwas später spreche ich mit Frau Olugulade und ich kann diese Situation nicht richtig wiedergeben. Sie zeigt Entsetzen, das ist ganz eindeutig zu erkennen. Die Situation ist für sie bedrohlich und sie hat auch Angst, das erkennt man auch. Aber sie setzt ein Lächeln auf, ein falsches Lächeln und erklärt, daß sei so in Nigeria, da sei eben jeder mit jedem verwandt und das habe alles seine Richtigkeit.
Ich sehe aber deutlich, daß sie mich anlügt und erkläre ihr, um sie zu beruhigen, daß sie nicht mit den Männern zusammentreffen muß, ich könne das abblocken. „Nein, ich muß!“ sagt sie, „ich muß mit denen sprechen, sonst gibt es große Probleme!“

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    Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 22. Februar 2009 | Revision: 22. Februar 2014

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    21 Kommentare
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    Ronald
    15 Jahre zuvor

    Wird jeder der zu Dir rein kommt erstmal fotografiert? 🙂

    Squirrel
    15 Jahre zuvor

    Du meine Güte…wer hätte gedacht, daß die Geschichte plötzlich solche mysteriösen Auswüchse annimmt. o_O

    Tom, mach hinne mit der Fortsetzung, büddeeee!

    Andre
    15 Jahre zuvor

    Tataaaa .. und wieder ein meisterlicher Clifhanger 🙂

    Kommentator
    15 Jahre zuvor

    Cliffhanger-Blog, in der Tat. Aber die Geschichten lohnen das Warten.

    Norbert
    15 Jahre zuvor

    Ok, lasst mich raten: Die unermüdliche Frau Birnbaumer-Nüsselschweif hat da irgendwelche schlafenden Hunde geweckt. Und diese wussten über den Verstorbenen mehr als Tom und dieser nicht allzu allgemeinnützige Verein zusammen.

    julian
    15 Jahre zuvor

    also dieses Seiten blätter wie auch immer Plugin hier im Beitrag finde ich nicht gut!

    nie
    15 Jahre zuvor

    Ich glaube, ich werde diese Blog-Telenovela mit noch weniger Inhalt bald nicht mehr lesen. Ist mir zu nervig – und es gibt genug abgeschlossene Beiträge.

    Nichts für ungut 🙂

    Madner Kami
    15 Jahre zuvor

    Wenn das tatsächlich der Verwandtverschwägertbefreundetstudiumsverein auf den Fotos ist, dann hat Tom das vermutlich in weiser Vorraussicht gemacht.
    Nigeriaconnection, kann man da wohl bloß sagen… Schade, daß Vorurteile so unsanft und von solchen Scharlatanen bestätigt werden :/

    Auch wenn du das bereits angedeutet hast, Tom, so hoffe ich, daß das Ganze dennoch irgendwie gut aus gegangen ist und nicht mit einem verschwundenverkauften Kind in der „Heimat“… Dumpfdöseliges Rüsselschwein, würde mich nicht überraschen, wenn die dafür verantwortlich wäre.

    mimi
    15 Jahre zuvor

    du solltest Phantasie-Romane schreiben

    DerBayer
    15 Jahre zuvor

    @9
    Das Leben schreibt oft skurrilere Geschichten als es irgendein (wirrer?) Kopf jemals erdenken kann.

    Tom, das mit den zwei Seiten – naja, mir persönlich gefällt Fließtext besser

    Und lass Dir von den Herren und Damen und Vereinen nicht die Tage versauen.

    -thh
    15 Jahre zuvor

    Nun ja, möglicherweise ist’s ja ganz harmlos, und es sind nette Helfer aus der Heimat. — Oder es sind die Schlepper, die die Einreise nach Europa samt notwendiger Papiere ermöglicht haben, und bei denen noch ein paar tausend Euro abzuarbeiten sind. — Oder irgendetwas zwischendrin …

    Blümchen
    15 Jahre zuvor

    Wir wolln die Fortsetzung, wir wolln die Fortsetzung, wir wolln wir wolln die Fortsetzung! 😉

    suwiesu
    15 Jahre zuvor

    @6 oder auch nie: Der Mann muss vielleicht zwischendurch auch mal arbeiten???? Bin die Tage hierdrauf gestossen und finde es absolut gigantisch…. Meilenweit besser als jede schlechte Soap..
    Gruß

    nie
    15 Jahre zuvor

    @13: Ah, echt? Krass! Was hat das denn damit zu tun? Nix… egal…

    Das war ein Feedback von mir. Das ist meine Meinung. Kein Grund einen Hass auf eine Taste mit den gefühlsbetonenden Satzzeichen zu bekommen.

    Der Schnüffler
    15 Jahre zuvor

    Ich glaube tatsächlich, dass Tom hier nicht übertreibt.
    Ich selbst habe angehriatete afirkanische Verwandte, die zwar bislang nie bedrohlich wirkten, aber über einige Probleme kann man mit denen wirklich nicht sprechen, weil die tatsächlich wie ein Pfund Plutonium strahlen und garnich zurhören wollen.

    Die Familienbande ist dort auch sehr stark.

    Ich habe absolut nichts gegen Afrikaner, aber die Kultur dort ist wirklich ganz anders, das muss man sich immer vor Augen halten wenn man mit welchen zusammenlebt o.ä.

    15 Jahre zuvor

    Au wei… das arme Kind!
    *gespannt auf Fortsetzung ist*

    Anne
    15 Jahre zuvor

    Mich erstaunt es, dass bei Tom an der Wand so viele religiöse Bilder hängen. Ich nehme mal an, diese Bilder hängen in der Firma. Das ist doch etwas zu viel, wenn man bedenkt, dass nicht jeder Kunde christlich ist.

    MacKaber
    15 Jahre zuvor

    Wer es nicht aushält wegen der Fortsetzungen, der braucht doch diese bloß einmal die Woche gesammelt öffnen. Ich muß doch bei der Lindenstrasse oder den Fallers auch immer eine Woche warten.

    15 Jahre zuvor

    @Anne, machst du die Qualität eines Bestatters an Heiligenbildchen fest?

    Und was ist Lindenstraße? 🙂

    MacKaber
    15 Jahre zuvor

    @Kerstin: Die Fernsehserie mit den grundsätzlichen Cliffhangern, die keinerlei Zuschauerzahlen hat, da niemand sie anschaut, keiner sie je gesehen hat, und alle sie blöd finden.

    15 Jahre zuvor

    Wahrscheinlich soll Frau Ogulade einfach helfen 42 Millionen US-Dollar aus Nigeria zu transferieren, die seit dem letzten Umsturz auf irgendeinem Geheimkonto vor sich hinschlummern….




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