Geschichten

Opa Kleiber VI

So schlecht geht es Opa Kleiber gar nicht. Frau Büser hat die Birnbaumer am Zeitungsstand getroffen und die hatte den Zustand des alten Herrn als sehr bedenklich geschildert, der rede ja nur noch von früher und von seiner verstorbenen Frau. Das sei, und das wisse sie ganz genau, ein ganz typisches Anzeichen für Alzheimer und deshalb habe sie für sich beschlossen, der alte Mann sei jetzt dement.

„Alles Quatsch“, sagt Frau Bissinger, die bei Opa Kleiber um die Ecke wohnt und dem Alten bisweilen das eine oder andere vom Einkaufen mitbringt. „Der ist genau so, wie der immer war. Meine Güte, der vermißt halt seine Frau und sitzt gerne im Wohnzimmer, blättert in seinen Fotoalben und erzählt seinen Besuchern, wie schön das mit ihr gewesen ist. Was ist daran denn schlimm? Ansonsten ist der ganz klar. Das ist die dicke Frau Nüsselschweif, die dem das einredet. Dabei will der von der Nüsselschweif gar nichts wissen und er hat auch gar keine Lust zu den Treffen der Trauernden zu gehen; und genau das ist es, was die Nüsselschweif nicht einsehen will. Einerseits vermißt der seine Frau und andererseits will er nicht in der Gruppe trauern. Dabei macht sie doch angeblich alles soooo schön und wenn dann ein Alter nicht kommen will, kann sie das nicht einsehen und erklärt die Alten dann für verrückt. So einfach ist das! Gehen Sie mir bloß weg mit der Nüsselschweif, die hat doch nicht alle auf dem Regal!“

Werbung

„Passen Sie auf“, sagt Frau Büser kurz darauf im Büro zu mir: „Die bringt es noch fertig und lässt den armen alten Mann entmündigen, warten Sie’s ab.“

Sandy neigt ja dazu, sich in alle möglichen Dinge einzumischen. Erstens hat sie ein Helfersyndrom und zweitens regt sie sich immer ganz fürchterlich vor allem über Sachen auf, die sie gar nichts angehen. Da kann bei ihr selbst die Hütte in Flammen stehen, sie findet aber immer noch jemanden, der irgendein Problemchen hat und meint dann, es sei wichtiger jetzt mal zuerst dem zu helfen.
Oftmals, so habe ich den Eindruck, geschieht das auch nur, um sich von den eigenen Problemen etwas abzulenken.

Jedenfalls hat Sandy beschlossen, der Birnbaumer-Nüsselschweif eins auszuwischen und die „dicke Quallensau auf dem Friedhof“ mit dem Kopf voran in ein frisch gegrabenes Urnenloch zu stopfen.

Den kann sie nämlich überhaupt nicht leiden, nachdem er es gewagt hat, ihr gegenüber anzüglich zu werden.
„Los bück dich doch mal, aber nicht so kurz wie sonst immer!“ soll er gesagt haben und sich dabei in den Schritt gefasst und meckernd gelacht haben.
Ich habe ihn am nächsten Tag zur Rede gestellt und er behauptet, er habe Sandy nur darauf hingewiesen, daß das Blütenblätter runtergefallen seien und sie die bitte aufheben soll. „Und da hab ich gesagt, daß die sich dafür auch mal bücken muß und zwar gründlich, nicht nur so mal eben mit dem Fuß unter die Heizung schieben.“
Außerdem behalte er sich vor, gegen Sandy Anzeige zu erstatten, die habe ihn am Kragen gepackt und an die Wand gedrückt. „Bis ich mit den Füßen nicht mehr an den Boden kam! Die ist gefährlich, die gehört weggesperrt!“

Jetzt hat der Mann aber echt ein Problem, mit Sandy legt man sich nicht ungestraft an und auch wenn das wochenlang nichts passiert, irgendwann, wenn man schon gar nicht mehr dran denkt, dann geschieht es und das langbeinige, bleiche Monster aus Amerika schlägt rächend zurück.

Ich muß das im Auge behalten, denn ich habe zwar Verständnis für ihren Zorn, aber ich muß sie soweit auf den Boden der Tatsachen zurückholen, daß ich auch nach ihrem ganz persönlichen Feldzug noch die Genehmigung habe, auf den Friedhöfen zu arbeiten. Das darf nicht auf das Unternehmen zurückfallen.

„Wieso denn? Wenn ich den abends mal abpasse und ein bißchen teere und federe, das ist doch nichts Schlimmes.“

Es gelingt mir nur mühsam, sie von diesem Plan abzubringen.

„Gut, dann schmeiß ich den in ein frisches Grab und schaufele zu, nur soweit, daß nur noch der Kopf rausguckt.“

Auch das untersage ich ihr bei Androhung allerschlimmster Bestrafung. „Du kannst mit dem Deine Spielchen treiben, aber bitte so, daß dem Mann nichts Ernsthaftes passiert, daß er Dich nicht verklagen kann und daß es nicht auf uns zurückfällt.“

„Ich lass mir was einfallen.“

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)