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Pappsärge

Ich habe jetzt wieder von einem Hersteller gelesen, der Pappsärge auf den Markt bringt. Sowas gibts doch schon länger. Was sind denn die Vorteile und warum findet man diese Pappsärge nicht bei den Bestattern? In einem Krimi habe ich gesehen, dass in Amerika die Bestatter ganz viele Pappsärge verwenden, auch in six-feet-under kam das mehrmals vor.

Es ist richtig, daß sich nunmehr ein weiterer Hersteller mit Pappsärgen an die Vermarktung seines Produktes heranmacht.

Kremierungsschachtel in Amerika

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Zunächst zur Situation in Amerika:
Tatsächlich finden Pappsärge in den Vereinigten Staaten bei Einäscherungen sehr viel Verwendung. Die Amerikaner stellen die Verstorbenen in geliehenen Schausärgen bei der Aufbahrung aus und anschließend wird der Leihsarg gereinigt und wiederverwendet. Der Verstorbene kommt dann in eine Pappschachtel und wird damit eingeäschert.

So etwas könnte man sich durchaus auch für Deutschland vorstellen. Es ist in jedem Fall Unsinn, was manche Familien machen, einen Verstorbenen in einem ganzen Zentner Mahagoni einzuäschern. Man muß aber wissen, daß das amerikanische Verfahren auch nicht gerade sehr billig ist. Auch für den Leihsarg und die Pappschachtel fallen Kosten an. So ein Pappsarg liegt bei rund 190 bis 300 Dollar, was im Vergleich zu den für die typischen amerikanischen Prunksärge mit Klappdeckel verlangten Preise ein Klacks ist.

In Amerika haben wir es aber mit anderen Einäscherungsverfahren zu tun und die Verwendung eines Pappsarges ist dort möglich und deshalb auch erlaubt.

In Deutschland ist die Situation etwas anders. Hier sind Vollholzsärge vorgeschrieben. Für Erdbestattungen ist das wegen des Erddrucks und der Feuchtigkeit und bei Feuerbestattungen ist das Sargholz wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen und möglichst vollständigen Einäscherung.
Im Gegensatz zu Verbrennungsanlagen für andere Sachen wird in einem Krematoriumsofen keine gas- oder ölgespeiste Feuerung eingesetzt, um den Sarg zu verbrennen. Vielmehr wird der Ofen auf eine bestimmte Temperatur gebracht und dann der Sarg eingeschoben, der sich dann aufgrund der großen Hitze sofort entzündet. Das brennende Holz sorgt für die notwendige Verbrennungsenergie, damit der Verstorbene eingeäschert wird.
Pappe kann das derzeit nicht leisten, soviel ich weiß.

Die Hersteller von Pappsärgen argumentiere immer mit den absolut günstigen Preisen ihrer Produkte. Das kann aber am Markt von den Bestattern nicht nachvollzogen werden. Es wird immer gesagt, Holzsärge würden ab 700 Euro kosten und der Pappsarg läge bei rund 300 Euro.
So gesehen wäre der Pappsarg ja wirklich günstig. Allerdings kostet der günstigste Holzsarg im Einkauf unter 100 Euro und wir bieten derzeit ganz einfache Schlichtsärge für 199,- Euro an, es gibt ja auch Kunden, denen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen.

Etwas bessere Särge schlagen im Einkauf zwischen 100 und 200 Euro zu Buche und sind schon ganz ansehnlich und durchaus brauchbar. Sie kosten dann beim Bestatter etwa 290-450 Euro. Für 700 Euro kann ich schon einen hervorragenden Sarg liefern, der allen Ansprüchen gerecht wird.
Somit scheint es mir hier also, als habe man Äpfel mit Birnen verglichen.
Eine Pappschachtel für 300 Euro würde ich jedenfalls bei meinen Kunden, in Anbetracht der günstigeren Alternative aus Holz, nicht los.

Für Erdbestattungen sind diese Schachteln sowieso nicht denkbar und bei Feuerbestattungen fallen sie aus den oben genannten Gründen ebenfalls aus.
Wir lagern eine bestimmte Anzahl an Pappsärgen, weil sie eben sehr flach zusammenlegbar sind, seit Jahren für einen hoffentlich nie eintretenden Katastrophenfall. Um schnell eine große Zahl an Särgen für Verunglückte zur Verfügung zu stellen, damit man sie nicht nur mit Leintüchern bedeckt irgendwo nebeneinander legen muß, dafür halte ich diese Schachteln durchaus geeignet.

Mir selbst erschließt sich der angebliche ökologische Vorteil dieser Särge auch noch nicht ganz. Ich habe vor einiger Zeit einmal eine Papierfabrik besichtigt und der Betriebsführer dort wurde nicht müde, zu erzählen, wieviele Bäume zur Herstellung von Pappe und Papier benötigt werden. Außerdem fallen bei der Papierproduktion nicht unerhebliche Belastungen der Umwelt an. Papiermühlen verbrauchen schier unglaubliche Mengen an Energie und Wasser. So könnte ein Vorteil für die Umwelt aus meiner Sicht vor allem im geringeren Schadstoffausstoß bei der Einäscherung liegen.
Hier argumentieren die Krematorienbetreiber allerdings, daß sie ohnehin schon alles tun, um ihre Abgase entsprechend sauber zu filtern.
Die Sarghersteller geben zu bedenken, daß es sich bei dem von ihnen verwendeten Holz um einen nachwachsenden Rohstoff handelt, der in der CO2-Bilanz nicht negativ zu Buche schlägt. So wie es vom Baum komme, werde das Holz verarbeitet ohne daß es erst noch zu Pappe verarbeitet werden müsse.

Als letztes Argument zählt für mich aber vor allem die mangelnde Akzeptanz der Kunden. Wir haben immer mal wieder versucht, einen solchen Pappsarg an den Mann zu bringen und in all den vielen Jahren erst ein- oder zweimal damit Erfolg gehabt und dann auch nur als Wegwerfsarg für Überführungen. Die Menschen wollen den traditionellen Holzsarg, und sei es auch nur eine ganz einfache Ausführung, und keine Pappschachtel.

Wir haben Särge aus Pappelholz und müssen das Wort Pappel entweder vermeiden oder sehr deutlich sprechen. Schon wenn die Leute Papp…. hören, winken sie ab und wollen das nicht mehr.
Ab und zu kommen Kunden und fragen gezielt nach einem Pappsarg. Sie haben im Fernsehen oder Internet davon gehört und meinen, nun etwas Gutes zu tun oder Geld sparen zu können. Sie kommen sofort vom Pappsarg wieder weg, wenn man ihnen einen solchen zeigt und dann sagt, was er kosten soll.

Die Bestatter sträuben sich nicht gegen diese neuen Särge, es sind letztlich gesetzliche, technische und kaufmännische Gründe, die bislang einen vermehrten Einsatz unmöglich gemacht haben.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#pappsärge

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