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Parasiten – Die Laus im Pelz

Heute haben wir mal eine Geschichte, die sehr aktuell ist und die mich auch staunen läßt. Es ist ja bekannt, daß ein Bestatter dem anderen oft das berühmte „Schwarze unterm Fingernagel“ nicht gönnte, aber das hier schlägt dann doch dem Faß die Krone in die Morgenstund:

„Liebe Herr Undertaker,

ich muß etwas weiter ausholen, damit Sie die Hintergründe meiner Mail verstehen. Ich bin jetzt 72 Jahre alt und betreibe in dritter Generation ein Bestattungshaus in H. Wie das so ist, habe ich mich ab dem 60. Lebensjahr allmählich nach einem Nachfolger umgesehen. Einen Sohn habe ich nicht und meine Tochter studierte Design und hatte mit unserem mühsam aufgebauten Betrieb (die Nummer 1 am Platze) nichts am Hut.
Was meinen Sie, wie ich mich gefreut habe, als meine Tochter einen Mann kennen lernte, der Ambitionen entwickelte, die Firma zu übernehmen.
Er hat bei mir eine Ausbildung gemacht und ich habe ihn auch auf den Thanathologie-Lehrgang nach England geschickt. Ziemlich teuer das alles.

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Aber das war es mir wert, schließlich war ich inzwischen fast Ende Sechzig. Vor einigen Jahren erfolgte dann die Betriebsübergabe. Das habe ich so geregelt, daß alles an meine Tochter geht und ihr Mann ihr Angestellter ist. Aber 60% von allem habe ich behalten und testamentarisch meiner Tochter vermacht. Die jungen Leute sollten jetzt wirken können wie sie wollten und frischen Wind ins Unternehmen bringen und sich alles so aufbauen, wie es ihnen passte. Die Jungen haben ja oft andere Vorstellungen als wir.
Aber so ganz sollte sie das alles erst haben, wenn ich mal tot bin. Um ganz offen zu sein, war mein Gedanke natürlich auch, daß ich mit meinen 60% wenigstens noch ein bißchen Einfluß nehmen kann.

Wir bewohnen die Wohnung rechts über der Trauerhalle, meine Tochter und ihr Sohn wohnen links über den Büros.
Als wir sahen, so etwa nach zwei Jahren, daß alles bestens lief, haben meine Frau und ich uns unseren Lebenstraum verwirklicht und 12 verschiedene Länder bereist.
Irgendwann ist man ja zu alt um das ganze Aufgeschobene noch zu verwirklichen und dem wollten wir zuvor kommen.

Meine Tochter hat sich in der Firma um die Kundengespräche und die Trauerdrucksachen sowie die Deko gekümmert. Mein Schwiegersohn leitete faktisch das Unternehmen und vertrat es auch nach außen als Chef.

Für mich und meine Frau sah alles gut aus, bis wir eines Tages mal die Bücher prüften. Das war in einer jährlichen Gesellschafterversammlung. Da habe ich gesehen, daß der Schwiegersohn Investitionen zurückgestellt hat und hohe Kredite aufgenommen hat, sich aber gleichzeitig drei Autos (Sportwagen, Geländewagen, Limousine) gönnt und ein Gehalt von 22.000 Euro auszahlt.
Ich habe noch gelernt, daß man in den ersten Jahren buckeln und schwitzen muß und sich dann wenn man etwas erreicht hat, auch mal was gönnen kann.
Schlecht leben sollen die ja nicht, aber mit dem Gehalt für meine Tochter zogen die an die 30.000 jeden Monat aus dem Betrieb.

Mir fiel dann auch auf, daß die alles neu und modern machten. Eine großspurige Internetseite mit internat. Leichentransporten, für die wir keine Kapazität haben.
Ich will das nicht alles erzählen, das würde zu weit führen. Aber eines Tages, anläßlich einer Trauerfeier, kam es zu einem Eklat und ein Wort gab das andere. Ganz unschuldig war ich an dem Streit nicht, zugegeben.

Aber statt sich mit mir auseinander zu setzen, stand am nächsten Tag schon im Internet, daß meine Tochter und mein Sohn einen „anderen Wirkungskreis“ in einem anderen Bestattungshaus „auf Leibrente, Kauf- oder Pachtbasis“ suchten.

Haben sie aber nicht gemacht, sondern sind seitdem oben in der Wohnung und sprechen kein Wort mit mir und meiner Frau.

Notgedrungen sitze ich seitdem wieder im Büro und mache Bereitschaft und Beratungen.
Ein Jahr habe ich gebraucht, um meine Altersversorgung aufzulösen und die Kredite abzulösen.
Jetzt ist das Bestattungshaus wieder schuldenfrei wie es vorher auch war.

Aber wir haben jetzt die Tochter und den Schwiegersohn oben in der Wohnung und die torpedieren alles. Wenn wir eine Trauerfeier im Haus haben, steht ihr Wagen vor dem Eingang quer und die sind nicht zu erreichen. Die Trauergäste müssen dann seitlich reingehen.
Wenn wir Beratungen im Haus haben, liegt auf einmal Verpackungsmüll vor dem ganzen Haus, raus geworfen oben aus dem Fenster.
Sind Aufbahrungen, dann machen die laut ihre Rockmusik an und stören den Ablauf.

Ich war schon beim Anwalt, die haben schon die entsprechenden Schreiben bekommen, aber sie reagieren nicht. Dummerweise hat meine Tochter den Nießbrauch an der Wohnung, ich kann die also nicht einfach vor die Tür setzen, was ich am liebsten machen würde.
Dann wäre die Wohnung auch frei und ich könnte das Unternehmen verkaufen. Mit den Parasiten da oben drin geht das aber nicht.
Ich könnte klagen, anzeigen und prozessieren, aber würde das was bringen? Dann machen sie trotzdem weiter, vielleicht nur etwas subtiler.

Mit 72 fehlt einem da auch irgendwann die Kraft. Ich hätte mir doch meinen Ruhestand nach 56 Jahren im Bestattungswesen nun wirklich verdient.

Ich möchte keinen Rat und brauche auch keine Antwort. Ich wollte Ihnen das nur einmal schreiben, damit Sie sehen, daß es nicht immer die beste Lösung ist, den Betrieb an die „Kinder“ zu übergeben.
Es ist mir klar, daß ich auch viel falsch gemacht habe, aber ich will doch nur in Ruhe und Frieden meinen Lebensabend verbringen können.“

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