Immer wieder versuchten Senioren- und Pflegeheime neue Bewohner und deren Angehörige zum Abschluss von Bestattungsverträgen zu drängen.
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- Kooperationen mit Bestattern
- Es gibt durchaus gute Gründe
- Neue Bewohner durch Vertrag gezwungen
- Erfolgreiche Klage der Wettbewerbszentrale gegen unlauteren Wettbewerb
- Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Limburg:
- Folgen des Urteils und Einsicht des Pflegeheimbetreibers:
- Wie ist dieses Urteil zu sehen?
- Was ist hier noch zu berücksichtigen?
- Fazit:
Nicht viele alte Menschen haben das Glück oder zumindest die Gelegenheit, im Kreise ihrer Familie wohnen und schlussendlich auch sterben zu dürfen.
Viele verbringen ihre letzte Zeit in Seniorenheimen, Altenheimen, Pflegeheimen, sogenannten Residenzen oder anderen Einrichtungen, die sich wirtschaftlich orientiert auf die Unterbringung und Pflege von alten Menschen spezialisiert haben.
In den seltensten Fällen werden solche Heime von aus altruistisch-gutherzigen Gründen handelnden Personen betrieben, sondern große Konzerne wollen hier Geld verdienen. Die monatlichen Preise für die Unterbringung, Verköstigung und Pflege sind exorbitant hoch und stehen in keinerlei erklärbarem Verhältnis zu den geringen Löhnen, die den Pflege- und Hilfskräften gezahlt werden.
Eine Bekannte arbeitet als Pflegehilfskraft in einem Altersheim, das von einer kirchennahen Organisation betrieben wird und auch den Namen der Gottesmutter trägt.
Sie muss noch abends einen Nebenjob übernehmen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Nach den, in der Folge von Corona ausgelösten, schmalen Lohnerhöhungen kommt sie auf einen Nettobetrag von knapp über 1.000 Euro, den man ihr für ihre Tätigkeit im Heim überweist.
Pflegegrad | Heimkosten | Leistung Pflegekasse | Restbetrag Bewohner |
---|---|---|---|
1 | 3.733,75 € | 125,00 € | 3.608,75 € |
2 | 4.322,07 € | 770,00 € | 3.552,07 € |
3 | 4.814,27 € | 1.262,00 € | 3.552,27 € |
4 | 5.327,15 € | 1.775,00 € | 3.552,15 € |
5 | 5.557,13 € | 2.005,00 € | 3.552,13 € |
Kleiner beispielhafter Überblick über Heimkosten. Quelle Caritas
Kooperationen mit Bestattern
Zur Gewinnoptimierung vieler Heime gehört es, dass Kooperationen mit bestimmten Bestattern eingegangen werden. Die Heimbewohner werden mehr oder weniger dazu gedrängt, Bestattungsvorsorgeverträge ausschließlich mit diesem Bestatter abzuschließen.
Das geht so weit, dass sogar Druck auf solche Personen ausgeübt wird, die bereits einen gültigen, sinnvollen und bezahlten Bestattungsvorsorgevertrag bei einem anderen Bestattungsinstitut haben.
Ob und in welcher Form und Höhe der vom Heim bevorzugte Bestatter Provisionen an das Heim zahlt, kann von mir nicht gesagt werden. Ich weiß aber, dass hier schon immer Gelder geflossen sind, und sei es nur der unter der Hand gereichte Hunderter an die diensthabende „Nachtschwester“, die den jeweiligen Bestatter gerufen hat. Das soll übrigens auch bei den Ärzten manchmal so sein, die den Totenschein ausstellen. Wie bekannt ist, rechnen einige Ärzte die gesetzlich vorgeschriebene Leichenschau recht phantasievoll ab. Obwohl die Sätze für ihre Tätigkeit in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) fest geregelt sind, wird fröhlich aus diesen Bausteinen der GOÄ zusammengewürfelt, was irgendwie geht. Unterm Strich kommen bisweilen Honorarrechnungen von bis zu 500 Euro zusammen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden.
Es gibt durchaus gute Gründe
Gerechtfertigt ist der Wunsch der Heime, einen sogenannten Hausbestatter auszuwählen, aus einem Grund. Nämlich dann, wenn sich ein Bestattungsunternehmen als besonders zuverlässig, eventuell sogar günstig und fair erwiesen hat.
Wird immer dieser Bestatter gerufen, ist gewährleistet, dass die Abläufe bekannt sind, alles reibungslos vonstattengeht und dem Heimpersonal nicht auch noch zusätzliche Arbeit gemacht wird.
Dennoch ist es aber so, dass Heime den Abschluss eines Bestattungsvertrags, sei es als Vorsorgevertrag oder im aktuellen Sterbefall, bei einem bestimmten Bestatter allenfalls vorschlagen dürfen.
Eine Verpflichtung, dieser Empfehlung zu folgen, gab es noch nie.
Neue Bewohner durch Vertrag gezwungen
Weiter gehen manche Heimbetreiber, wenn sie die Bevorzugung eines Bestatters zur vertraglichen Verpflichtung machen. So ist diese Verpflichtung sogar Bestandteil mancher Pflegeverträge.
Und ich finde, dass das gar nicht geht.
Dieser Meinung war auch die Wettbewerbszentrale, die diese Sache gerichtlich prüfen ließ:
Erfolgreiche Klage der Wettbewerbszentrale gegen unlauteren Wettbewerb
In der Pflegebranche steht der Schutz und die Würde der Heimbewohner an oberster Stelle. Doch immer wieder werden Vertragsklauseln aufgedeckt, die fragwürdige Praktiken ermöglichen. Ein aktuelles Beispiel hierfür war die Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale gegen einen Pflegeheimbetreiber vor dem Landgericht Limburg im Mai 2023. Der Vorwurf lautete, dass in den Heimverträgen den Bewohnern im Falle ihres Todes ein bestimmtes Bestattungsunternehmen vorgegeben wurde. Das Landgericht Limburg stellte fest, dass diese Klausel gegen das Gesetz verstößt und eine unlautere Beeinflussung der Heimbewohner darstellt.
Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Limburg:
Die Wettbewerbszentrale, als Klägerin, setzte sich erfolgreich gegen eine fragwürdige Vertragsklausel in den Pflegeheimverträgen durch. Die kritisierte Klausel ermächtigte die Heimleitung, im Namen der Heimbewohner im Todesfall ein bestimmtes Bestattungsunternehmen zu beauftragen. Das Landgericht Limburg urteilte, dass diese Praxis einen klaren Verstoß gegen § 4a Absatz 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) darstellt. Die Verwendung dieser Klausel wurde als „aggressive geschäftliche Handlung“ gewertet. Das Gericht begründete dies damit, dass pflegebedürftige Vertragspartner aufgrund ihrer Situation leicht unter Druck geraten und solche Klauseln daher unangemessen beeinflussend seien. Das Resultat wäre eine einseitige Benachteiligung der Heimbewohner, die somit gezwungen wären, ein bestimmtes Bestattungsunternehmen zu akzeptieren.
Folgen des Urteils und Einsicht des Pflegeheimbetreibers:
Das Landgericht Limburg fällte ein wegweisendes Urteil, das nicht nur für den konkreten Fall Bedeutung hat, sondern auch Signalwirkung für die gesamte Pflegebranche entfaltet. Der Betreiber des Pflegeheims akzeptierte schlussendlich den rechtlichen Standpunkt des Gerichts durch Anerkenntnis. In der Anerkenntniserklärung verpflichtete er sich, die Verwendung der kritisierten Klausel in zukünftigen Heimverträgen zu unterlassen. Dieses klare Bekenntnis zur Einhaltung der Rechtsnormen ist ein wichtiges Signal für die Branche, ihre Vertragspraktiken zu überdenken und im Sinne der Heimbewohner anzupassen.
Wie ist dieses Urteil zu sehen?
Heimbetreiber haben ein berechtigtes Interesse, dass die Bewohnerinnen und Bewohner einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen haben. In einem solchen wird festgehalten, was im Todesfall mit dem Leichnam geschieht und wie die Bestattung abläuft. Es muss beim Tod des Vertragskunden nur die Servicenummer des Vertragsbestatters angerufen werden und alles läuft sicher und zuverlässig ab.
Seniorenheime können es sich nicht erlauben, beim Tod einer Mieterin bzw. eines Mieters erst noch aufwendige Entscheidungsprozesse einer unschlüssigen Familie abzuwarten. In den meisten Heimen besteht überhaupt keine Möglichkeit, einen Leichnam aufzubewahren.
(Wenngleich ich es für sinnvoll halte, dass Institutionen, die eine bis zum Lebensende dauernde Unterbringung anbieten, auch auf eben dieses Lebensende organisatorisch vorbereitet sein müssten.)
Es ist also nach meinem Dafürhalten überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Seniorenheime Vertragsklauseln in den Heimverträgen haben, die ihnen die Möglichkeit einräumen, dann ersatzweise eine Entscheidung zu treffen, wenn der Heimbewohner einfach nicht bereit war, hier selbst vorbeugend tätig zu werden. Irgendjemand muss ja im Todesfall baldmöglichst eine Entscheidung treffen können. Da kann man nicht abwarten, bis eine Tochter aus 600 km Entfernung angereist ist und dann erst anfängt, bei einem halben Dutzend Bestatter Angebote einzuholen.
Aber viele Heime gehen zu weit. Es wird nicht nur das Recht für eine Ersatz-Entscheidungsbefugnis gefordert, sondern die grundsätzliche Entscheidung für einen bestimmten Bestatter. Das muss man auseinanderhalten.
Mit anderen Worten:
Was ist hier noch zu berücksichtigen?
Solche Klauseln sind nicht unüblich. Auch die AGB und Verträge bestimmter Kliniken enthalten ganz ähnliche Vertragsbedingungen. Diese besagen in den meisten mir bekannten Fällen, dass das Krankenhaus den Angehörigen sagen wir 48 Stunden einräumt, in denen diese ihren eigenen Bestatter mit der Abholung und Lagerung des Leichnams beauftragen können. Findet das nicht statt, wird der Vertragsbestatter des Krankenhauses damit beauftragt. Die Angehörigen können dann natürlich einen eigenen Bestatter mit der weiteren Abwicklung betrauen, müssten aber für die anfänglich entstandenen Kosten des Hausbestatter des Krankenhauses zusätzlich aufkommen.
Diese Vorgehensweise führt aber auch immer wieder zu Irritationen. Die Angehörigen fühlen sich bedrängt, wenn sie nun binnen eines oder zweier Tage etwas entscheiden sollen und es ihnen quasi angedroht wird, dass ansonsten ersatzweise seitens des Krankenhauses etwas angeordnet wird.
Durch diese Methode kommt es oft zu doppelten Kosten. Beispielsweise für Fahrten, evtl. für einen Sarg und Ähnliches. Das sehen dann viele Hinterbliebene auch nicht ein.
Fazit:
Das Urteil des Landgerichts Limburg markiert einen Sieg für den Verbraucherschutz in der Pflegebranche. Es verdeutlicht, dass die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Heimbewohner auch im Todesfall gewahrt werden müssen. Die Verwendung von Klauseln, die ein bestimmtes Bestattungsunternehmen vorschreiben, wurde als rechtlich unzulässige und ethisch bedenkliche Praxis gerügt. Die Anerkenntniserklärung des Pflegeheimbetreibers unterstreicht die Wichtigkeit einer transparenten und fairen Vertragspraxis. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil als Weckruf für die gesamte Branche dient, ihre Vertragsbedingungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Rechte und Würde der Heimbewohner stets an erster Stelle stehen.
- seniorenheim-pixabay: Symbolfoto: Bild von F. Muhammad auf Pixabay
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„ermächtigte die Heimleitung, im Namen der Heimbewohner im Todesfall ein bestimmtes Bestattungsunternehmen zu beauftragen“
Für mich liest sich das auf den ersten Blick gar nicht schlimm, denke ich mir doch: Na ja, wenn der Bewohner keine andere Vorsorge getroffen hat, dann erlaubt er uns eben, den zu rufen, den wir immer rufen und gut kennen. Eine „Verwendung von Klauseln, die ein bestimmtes Bestattungsunternehmen vorschreiben“ sehe ich da noch nicht. Der Ausgang des Verfahrens (Anerkenntniserklärung) lässt mich außerdem vermuten, dass da keine böse Absicht dahinter steckte, sondern das Ganze lediglich etwas unglücklich formuliert war.
Denn man muss auch mal schauen, wer da wieder mal geklagt hat: die Wettbewerbszentrale. Ob die oder die Verbraucherschützer, die sind immer die Guten und haben einen großen Sieg errungen, zumindest wenn man ihren Pressemitteilungen glaubt. Wahrscheinlich haben die wieder mal aus einer Mücke einen Elefanten gemacht, einen Sturm im Wasserglas entfacht und viel Lärm um nichts gemacht.
Und weil mir jetzt die Redewendungen ausgehen, hör‘ ich auf.
Ja, was Du sagst, ist im Grunde völlig richtig.
Würde ich ein Heim betreiben, dann würde ich auch Wert darauf legen, dass die Bewohner auf jeden Fall eine Bestattungsvorsorge abschließen.
Und selbstverständlich ist es völlig okay, wenn die Heimverwaltung ein routiniertes Unternehmen empfiehlt, mit dem sie gute Erfahrung gemacht hat.
Oft sind auch bestimmte Abläufe mit diesem Institut vereinbart, die alles besonders reibungslos und evtl. kostengünstig machen.
Aber: Wenn die Bewohner bereits eine Bestattungsvorsorge haben oder ein anderes als das bevorzugte Unternehmen haben möchten, dann gehen Regelungen zu weit, die ihnen etwas anderes aufzwingen.
Und genau darauf läuft es leider bei einigen Heimen hinaus.
Es steht einfach die unausgesprochene Drohung im Raum: Du kündigst Deine Vorsorge jetzt und wechselst zu unserem Bestatter, sonst bekommst Du kein Zimmer hier im Heim.