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Pronto!

Eigentlich wollte ich heute mal etwas länger Ruhe haben. Besonders lange schlafen kann ich sowieso nicht. Wenn es mal 9 Uhr wird, dann habe ich für meine Verhältnisse unwahrscheinlich lange geschlafen. Das ist wohl Bestatterlos.

Man darf ja nicht vergessen, daß ein Bestatter an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr ansprechbar sein muß. Und wenn man sein Geschäft mit Leib und Seele betreibt, helfen einem da Angestellte auch nur bedingt weiter, denn letztendlich ist es immer der Chef, den sie fragen, wenn irgendwelche Probleme auftauchen und immer ist es der Chef, der ran muß, wenn Schwierigkeiten auftreten.
Ich habe manchmal so das Gefühl, als ob es ein unausgesprochener Wettbewerb ist. Meine Leute versuchen, soviel wie möglich alleine zu bewerkstelligen und mich so wenig wie möglich zu ‚belästigen‘. Auf der anderen Seite gebe ich ihnen den Rückhalt immer zur Verfügung zu stehen, wenn sie mich tatsächlich brauchen. Das funktioniert wunderbar.
Natürlich gibt es Tage und Situationen, an denen ich mich ausdrücklich ausklinken kann, beispielsweise wenn man mal wegfährt oder ins Theater geht usw. Aber letzten Endes ist irgendwie immer der Chef gefordert.

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Und genau das steckt einem Bestatter im Blut. Man hat quasi immer einen Finger am Handy, man ist bei jedem lauteren Geräusch sofort hellwach. So einen tiefen, gesunden und erholsamen Schlaf fördert das nicht unbedingt. So ist das wenigstens bei mir.

Wenn dann so Tage wie Allerheiligen sind, dann denkt man sich: „Ach heute könnte ich doch mal ein Stündchen länger liegen bleiben.“

Aber genau das war mir heute nicht vergönnt. Um 8 Uhr begann jemand an unserem Haus zu klingeln. Wer mitten in der Nacht bei uns klingelt, dem mache ich dann auf, wenn ich noch wach bin oder wenn ich mich dazu bereit fühle, Leute einzulassen. Ansonsten prangt da unten an der Eingangstür ein kleines Schild das besagt: „Außerhalb der Öffnungszeiten wählen Sie bitte die Tel.-Nr. xxxxx“
In den Filialen ist das anders. Wer dort zur Unzeit einfach so klingelt, der wird über die Sprechanlage direkt mit unserem Telefondienst verbunden, der dann einen Termin abspricht.

Derjenige, der hier an unserem Haupthaus klingelte, fand aber kein Gehör, ich habe mich nämlich einfach umgedreht und wollte weiterpennen. Wenn was Wichtiges ist, rufen die immer die Nummer auf dem Schild an. Diese Person aber war an Hartnäckigkeit nicht zu überbieten, sie hat es fertiggebracht, links am Haus vorbeizugehen, durch unseren privaten kleinen Garten und an der privaten Haustüre zu klingeln. Meine Frau knurrte nur: „Mach was!“ und ich zog mir einen Jogginganzug an und schlurfte hinunter. Schon wieder klingelte es.

Als ich die seitliche Haustüre öffne, steht eine Frau von etwa 40 Jahren vor der Tür und keift mich sofort an: „Das wird aber auch Zeit, hören Sie mal!“

„Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?“

„Was Sie für mich tun können, na erlauben Sie mal!“

„Was möchten Sie denn?“

„Ja, ich will rein, was denken Sie denn?“

„Haben Sie einen Sterbefall in der Familie?“

„Ach was, geschäftstüchtig sind Sie gar nicht, was?“

„Das ist hier ein Bestattungshaus…“

„Heute ist Tag der offenen Tür und jetzt will ich mal rein.“

„Bei uns ist kein Tag der offenen Tür.“

„Doch, das steht in der Zeitung!“

„Ich weiß nicht, was da in der Zeitung steht, aber bei uns ist jedenfalls kein Tag der offenen Tür.“

„Dann sollten Sie sich mal sachkundig machen. Heute IST Tag der offenen Tür.“

„NEIN, heute ist NICHT ag der offenen Tür, zumindest nicht bei uns.“

„Können Sie mal Ihren Chef holen?“

„Ich bin hier der Chef.“

Sie schaute an mir herunter und sagt: „So wie Sie angezogen sind, sind Sie der Hausmeister.“

„Es ist kurz nach Acht morgens und es ist Feiertag, da kann ich herumlaufen wie ich will.“

„Ach, hören Sie doch auf, Sie wissen ja nichtmal daß heute Tag der offenen Tür ist.“

„Sie können gerne an einem anderen Tag kommen und ein Mitarbeiter wird Ihnen dann den ganzen Betrieb gerne mal zeigen. Aber heute ist hier definitiv kein Tag der offenen Tür.“

„Das wollen wir aber mal sehen!“ Sie entfaltete die Zeitungsseite, die sie zusammengelegt unter dem Arm trug und zückt ihr Handy.
„So, entweder hier ist jetzt Tag der offnen Tür, und zwar PRONTO, oder ich rufe jetzt sofort die Zeitung an und beschwere mich!“

„Sie können meinetwegen den Papst und Fidel Castro gleichzeitig anrufen, aber im Moment gehen Sie mir fürchterlich auf den Keks.“

„Eine Uuuuuuunverschämtheit!“

Bums, die Tür ist zu.
Ich schiele durch das Glas, die Tante geht. Im Büro finde ich die Zeitung von gestern und durchsuche sie. Tatsächlich, da steht: „Traditionell laden an den Totengedenktagen viele Friedhofsgärtnereien und Bestattungsunternehmen im gesamten Bundesgebiet zu einem Tag der offenen Tür ein.“

Viele ist nicht alle, oder?

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#pronto!

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