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Public Viewing 2010

Schon vor zwei Jahren schrieb ich über „public viewing“.

Jetzt ist ja wieder Fußball-WM und allerorten wird erneut von public-viewing gesprochen und nicht nur zum gemeinsamen Fußballgucken treffen sich die Leute in Scharen an öffentlichen Guckstellen zum „öffentlichen Schauen“, also zum public viewing. Lena Meier-Waldschrat durfte uns in Oslo zum Sieg singen, während hier in der Heimat Tausende vor Großbilschirmen public viewten.

Vor zwei Jahren schrieb ich sinngemäß:

Manchmal ist es einfach zu blöd, für ein sehr kurzes englisches Wort, nach einer Übersetzung zu suchen. Im Gegensatz zu den Sprachnazis, die sich über jegliche nichtdeutsche Begriffe aufregen, sehe ich das pragmatischer.

Dass man die öffentliche Übertragung der Fußballspiele jetzt „public viewing“ nennt, löst bei englischsprachigen Menschen mitunter völlig befremdliche Assoziationen aus.
Denn mit visitation oder public viewing ist vor allem in den Vereinigten Staaten die Aufbahrung eines Verstorbenen zur Abschiednahme gemeint.

Dieser Artikel wird auch heute noch sehr stark nachgefragt und ich bekomme sehr viele Mails deswegen.
Manche möchten das was ich damals schrieb, so gar nicht akzeptieren, übersehen aber, daß der Artikel schon mehrere Jahre alt ist und sich die Sache und die Sprache entwickelt haben.

Zunächst einmal: Public viewing hat noch nie ausschließlich soviel wie öffentliche Aufbahrung einer Leiche bedeutet. Der Amerikaner schlechthin würde das als „öffentliches Anschauen“ verstehen, wobei es vollkommen egal ist, um was es sich bei dem Anzuschauenden handelt. So wurde und wird der Begriff auch früher schon für andere Veranstaltungen verwendet. So habe ich z.B. schon bei einem Gebrauchtwagenhändler, der sonntags öffentliche Autovorführungen anbot, ein Schild gesehen:
SUN public viewing 10 am – 6 pm

Man fand diese Bezeichnung aber in der Tat auf den Ankündigungs- und Schautafeln der „Funeral Homes“ wenn es darum ging, die Zeiten für die Abschiednahme von Verstorbenen bekanntzugeben.

Deshalb wirkte es auf Amerikaner oft befremdlich, wenn hier bei uns Leute mit bunten Fähnchen an der Mütze und einem Bierfass um den Hals zum public viewing gingen.
Vom Begriff her, ist die Verwendung für „gemeinsames öffentliches Fernsehgucken“ durchaus korrekt, aber es weckte im amerikanischen Betrachter mitunter zunächst einmal falsche Assoziationen.

Inzwischen ist das anders, es wurde auch in den USA anlässlich der Trauerfeier von Michael Jackson schon im vergangenen Jahr „public geviewt“ und mittlerweile ist es keine Besonderheit mehr, das zu sagen.

Manche Wörter bekommen eben durch die dauernde Verwendung in einem bestimmten Kontext eine bestimmte, fast schon feste Bedeutung, die sie an sich gar nicht haben.
Nehmen wir als Beispiel das Wort Abschiednahme. Hier im Weblog und unter Bestattern wird darunter das stille Besuchen und Verabschieden eines Verstorbenen verstanden. Hören wir etwa am Ende eines Staatsbesuchs unserer Kanzlerin im Fernsehen den Satz: „Auch Präsident Lumbalumba ist zur Abschiednahme von Angela Merkel gekommen“, so würde das sicher dem einen oder anderen ein Schmunzeln auf die Lippen treiben.

Auf der anderen Seite ist es für uns völlig normal, daß das Wort Urne eine Doppelbedeutung hat, einmal als Behälter für die Totenasche und einmal als Kasten für Stimmzettel.
So gesehen ist die Verwendung von „public viewing“ in völlig unterschiedlichen Bedeutungen durchaus entspannt zu sehen.

Witzig finde ich, wie nahezu alle Medien auf den Zug aufgesprungen sind, den Begriff „public viewing“ als falsch darzustellen versuchten. Mit hochgezogenen Augenbrauen entblödete sich ja nahezu jeder und stellte die Deutschen als blöd hin, weil sie diesen Begriff verwenden.
Genauso blöd finde ich die vielen klugen Sprachkundler, die sich nun zu Wort melden und wichtig kundtun, daß „public viewing“ eigentlich nur „öffentliches Anschauen“ bedeutet.

Das alles wissen wir doch schon lange, Bestatterweblog-Leser zumindest.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. Juni 2012 | Peter Wilhelm 26. Juni 2012

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13 Jahre zuvor

Lesen Sie auch den aktuelleren Artikel zu diesem Thema.Manchmal ist es einfach zu blöd, für ein sehr gut handhabbares und kurzes englisches Wort, nach einer deutschen Übersetzung zu suchen. Dann verwende ich solche Begriffe auch. Im Gegensatz zu den Sprac

Elch
13 Jahre zuvor

Public Viewing hat im Englischen mehrere Bedeutungen. Unter anderem auch die in Deutschland gern beschriebener Zusammenhang mit verstorbenen. Aber dazu aus einen mehr berufenen Mund:
[url=http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachmythen/2010-06-10/public-viewing-oder-die-r-ckkehr-der-leichenbeschauer]Sprachlog[/url]

Mendian
13 Jahre zuvor

Das niederlaendische Wort ‚uitvaart‘ bezeichnet nicht eine Ausfahrt, sondern eine Beerdigung. Es gibt diese lustigen Momente, wenn Touristen fragen, wo die naechste ‚uitvaart‘ ist. (Ausfahrt = afrit/afslag)

Felix
13 Jahre zuvor

Mag schon sein, daß „public viewing“ inzwischen auch als Nebenbedeutung des Begriffs im Englischen verwendet wird. Was wäre aber eigentlich so falsch daran, dies in Deutschland als „öffentliche Fernsehübertragung“ zu bezeichnen? Oder wäre dieser Begriff wirklich so schwierig zu merken oder auszusprechen?

Sprachpurismus (das zwanghafte Eindeutschen aller Fremdwörter) und Sprachpflege (das bewußte Bemühen um ein korrektes und lebendiges Deutsch) sind zweierlei.

Hamburger Jung
13 Jahre zuvor

Ich würde das ganze ja als „Rudelglotzen“ bezeichnen, aber das bin vermutlich nur ich. 😉

suz
13 Jahre zuvor

Lesenswert zu diesem Thema aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist auch dieser Artikel (und der diesem Artikel folgende Beitrag, aber ich gehe davon aus, dass mehr als zwei Links nicht gestattet sind, also sucht euch den Folgebeitrag selbst):

http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachmythen/2010-06-10/public-viewing-oder-die-r-ckkehr-der-leichenbeschauer

Albert
13 Jahre zuvor

Mir gefällt ja der Ausdruck „Kicken kucken“ den spreeblick.com verwendet.

Se7en
13 Jahre zuvor

Zum Thema Denglisch empfehle ich diesen Beitrag der Zeit
http://www.zeit.de/2007/31/Deutsch-Aufmacher

Wie ich bei Google lesen durfte bin ich bei weitem nicht der Einzige, der darüber eine Arbeit schreiben durfte 😀

suz
13 Jahre zuvor

Ich frage mich aber schon dreierlei:

1.) Wenn alle „public viewing“ so scheiße finden, warum hat es sich durchgesetzt?

2.) Andere Begriffe wie „Rudelgucken“ oder „kicken gucken“ sind entweder leicht herablassend oder treffen nicht den Kern der Sache. Wenn ihr in euch geht, fällt euch denn nicht auf, dass „Kicken gucken“ einfach nicht synonym zu „Public Viewing“ ist?

3.) Warum schreit man reflexartig sofort „Denglisch“, wenn wir ein neues Wort entlehnen?

Tom hat’s eigentlich sehr schön umschrieben, was Ludwig Wittgenstein formulierte: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“. Allein deshalb schon ist es nahezu unerheblich, ob und in welcher Frequenz ein Amerikaner eine Aufbahrung oder sonstwas meint, und ob wir im Deutschen was anderes bezeichnen, wenn wir von „Public Viewing“ sprechen.

Albert
13 Jahre zuvor

Ich habe ja nicht gesagt, dass ich was gegen Public viewing habe, ich habe nur gesagt dass mir der Begriff kicken kucken gefällt. Allerdings kommt auch dieser Begriff in meinem aktiven Wortschatz nicht vor. In meinem Umfeld (Österreich) wird weder gekickt noch gekuckt.

MiniMoppel
13 Jahre zuvor

Wenn ich an das Spiel Portugal-Brasilien von gestern denke, dann ist der Begriff „public viewing“ auch im Funeral-Homes-Sinn durchaus gerechtfertigt.

suz
13 Jahre zuvor

@Albert: ich möchte ja auch niemandem unterstellen, dass er was für oder gegen Public Viewing hat. Ich meinte das auch viel mehr allgemein, denn es geht hier ja um die Frage, weshalb der Begriff Public Viewing allgegenwärtig ist, so Spassbegriffe wie „Rudelgucken“ oder „Kicken gucken“ nicht. Persönlich finde ich Public Viewing jetzt auch nicht so den Hit, aber er hat sich etabliert – und Rudelgucken fand ich im ersten Moment witzig, spätestens beim dritten Mal ist der Begriff aber albern – und auch nicht völlig wertfrei (weil er meist benutzt wird, um sich ein wenig, ob nun nur rein negativ oder nicht, über den Zustand des gemeinsamen Fußballschauens auf großen Leinwänden „lustig“ zu machen).
Mich interessieren die Prozesse, warum ein Begriff sich etabliert und andere eben nicht und warum Public Viewing treffender ist als alles, was man uns als deutsche Entsprechungen/Alternativen anbietet.

kall
13 Jahre zuvor

@2

öffentliche Fernsehübertragung

„Oder wäre dieser Begriff wirklich so schwierig zu merken oder auszusprechen?“

In der Tat, das wäre er.

Ich halte zwar public viewing auch nicht für das Ei des Kulumbus, aber er hat sich nun mal relativ schnell etabliert, genauso wie das Handy, über das englischrapchige Menschen auch eher lächeln. Mobiltelefon ist einfach sperrig und ein passender und weniger sperriger deutscher Begriff (wie z.B. in anderen Sprachen das mobile oder das cell phone) hat sich eben nicht gefunden bzw. nicht rechtzeitig druchsetzen können. Daran ist nichts Verwerfliches.

Big Al
13 Jahre zuvor

@ suz.
Damit beschäftigen sich Sprachwissenschaftler schon lange. Bsp. „Handy“. Ich hasse dieses Wort, trotzdem rutscht es mir gelegentlich raus (statt „Mobiltelefon“). Und „NEIN“, ich bin kein Vertreter des reinsten Deutsch, geistig bin ich weit fern von den Sprachfetischisten. Eventuell, um beim von mir ungeliebten „Handy“ zu bleiben, liegt es daran daß ich beim Gebrauch des Wortes „Mobiltelefon“ angeschaut werde als wäre ich uralt (stimmt, gefühlt 200 Jahre alt 🙁 ) und würde im Lendenschurz rumspringen. Da benutzt man dann halt etwas mehr Begriffe die gerade angesagt sind 😉
B. A.

Big Al
13 Jahre zuvor

@ kall.
DAS habe ich jetzt von meiner langsamen, einhändigen Tipperei, daß ein anderer Kommentator ähnliche Gedanken darlegt und mein Geschreibsel aussieht wie abgeschrieben…und in der Tat sind die meisten verkrampften Eindeutschungen einfach sperrig, tumb, gequält. Danke für diesen Begriff.
B. A.

kall
13 Jahre zuvor

@B.A.
Besser langsam und sorgfältig als das, was ich da oben abgeliefert hab. War vielleicht noch zu früh. Bah, soviele Tippfehler in einem so kurzen Text, muss mich schämen. 🙁

Big Al
13 Jahre zuvor

@ kall.
Nicht schämen. Einhändig und langsam (ver)tippe ich (mich) nur weil ich mit der anderen Hand mein Kleinkind/meine Kaffeetasse/das Essen/Trinken für`s Kleinkind festhalten muß. Gelegentlich packt mich das Grausen wenn ich mein Geschreibsel später sehe.
„@“ kann ich einhändig schon ganz gut, aber die Interpunktion und die Groß-und Kleinschreibung leiden doch sehr. Langsam bin ich weil ich nie Maschinenschreiben erlernt habe, und außer Kommentaren nur noch e-mails und Rechnungen schreibe (die Rechnungen hat mir meine Frau auf dem Pehzeh in Ächsel oder wie das heißt eingerichtet 😉 ). Und bei manchem Schreibfehler bei anderen Leuten fällt mein Blick nur auf die Tastatur und ich verstehe daß ich nicht alleine bin. 2 Tasten gleichzeitig bedienen geht besser ohne Zwerg auf`m Schoß.
B. A.

Stefan
13 Jahre zuvor

Also ich mag dieses Wort nicht. Das hat aber damit zu tun das ich es nicht hinbekomme viewing ordentlich auszusprechen. Keine Ahnung warum aber das Wort kommt mir nur schwer über die Lippen.

Deshalb sage ich immer Rudelgucken. Ich finde das Wort schön. Und mal ehrlich, warum über Begriffe ärgern die aus anderen Sprachen unseren Wortschatz erweitern?
Und ich weiß das auch in anderen Ländern deutsche Wörter benutzt werden, z.b. gab es mal den Trend das die Amis Ja gesagt haben. Die fanden es halt cool ^-^

Herrenna die Hennahaarige
13 Jahre zuvor

Nicht zu vergessen the kindergarten, the rucksack und the autobahn ;D

Ma Rode
13 Jahre zuvor

public viewing … wer bezahlt denn da eigentlich die GEZ?

Maik
13 Jahre zuvor

@18: Klar das so was kommt. Typisch Deutsch! Schon mal was von Englisch gehört? PUBLIC ist ÖFFENTLICH!
So wie PUBLIC DOMAIN oder PUBLIKUM.
Da das öffentlich ist, ist es frei und kostenlos. Da muss keiner was bezahlen. Typisch für Bestatterwegblog, nur aufs Geld aus.
Hier wirst du sogar für Fernsehen abgezockt.

ibaggi
13 Jahre zuvor

Ich arbeite mit mehreren Kollegen zusammen, die nie die englische Sprache gelernt haben. Es hört sich schon recht komisch an, wenn sie „Public Viewing gucken“ gehen wollen.

Und dies hat mir eine Bekannte erzählt:
Unterhalten sich zwei jüngere Kollegen über Public Viewing, kommt ein etwas älterer dazu und bekommt ein paar Sprachfetzen mit. Sein Kommentar: Wie jetzt, kommt Dallas wieder?

suz
13 Jahre zuvor

@12 Big Al: Bin ja auch einer, also Sprachwissenschaftler. Stichwort „Handy“ – das haben einige meiner englischsprachigen Bekannten ab und an auch in ihrem Wortschatz, genau wie sie einige treffende deutsche Ausdrücke in ihrem Englisch verwenden, mein Favorit: „It’s a bit eng in here“ (z.B. in einer Kneipe) oder „That’s not quite übersichtlich“.
Persönlich nutze ich auch überwiegend „deutsche“ Wörter, wenn sie wirklich nahezu synonym sind, wie Besprechung statt Meeting oder Rechner statt Computer. Aber ich halte es schlicht für albern, statt E-Mail E-Post zu sagen.

muzzy
13 Jahre zuvor

Also ich war gestern beim public viewing. Da gabs elf Leichen – alles Engländer.

Big Al
13 Jahre zuvor

@ suz.
Schlimm wird`s halt wenn einem die einfachen deutschen Entsprechungen vor lauter Anglizismen und „Denglisch“ schon nicht mehr einfallen bzw. dem Gegenüber nicht mehr geläufig sind. Szene am Empfang: Handwerker: „Ich soll in ihrem Besprechungsraum das und das reparieren.“
Empfangsmitarbeiterin, vom Fingernägellackieren aufblickend: „In welchem Raum?“
Handwerker: „Dort in diesem großen Raum mit dem großem Tisch, den vielen Stühlen, der tollen Medienanlage, in dem immer viele Schlipsträger großes Palaver und gemeinsames Kaffeetrinken veranstalten.“
Empfangsmitarbeiterin, deutlich gelangweilt: „Ach so, Sie meinen den Meetingroom. Sagen Sie es doch gleich auf Deutsch zu mir!“
Handwerker denkt:-Häh- Wo ist die versteckte Kamera?-
So habe ich das wirklich in einer Konzernzentrale erlebt.
B. A.

13 Jahre zuvor

public viewing? wenn ich das lese, dann kriege ich aggressionen. keine 50 meter von meiner wohnung ist so eine „public viewing area“ und man möchte gegen das vuvuzela-geplärre gerne mal mit ’ner 12/76 zurückrülpsen …

… von der sprachverhunzung mal ganz abgesehen.




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