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Purrwinger 2

Der ältere Herr, den ich beim Betreten des Hauses für den Hausherrn hielt, schließt hinter uns die Tür. Der echte Herr Purrwinger scheint es nicht gewöhnt zu sein, viele Umschweife zu machen, er setzt sich in einen Sessel einer kleinen Sitzgruppe und macht nur eine Handbewegung, die mich wohl ebenfalls zum Setzen auffordern soll, also tue ich es.

„Frau Eleonore ist verstorben, aber das wissen Sie ja schon“, läßt sich Herr Purrwinger vernehmen.
Ich stelle meine Aktentasche neben dem Sessel ab und will sie öffnen, um ein paar Unterlagen herauszunehmen, doch Purrwinger stoppt mich: „Lassen Sie das! Den ganzen Formularkram wird unser Notar mit Ihnen erledigen. Frau Eleonore ist meine Mutter, sie ist 96 Jahre alt geworden und gestern Nacht hier im Hause Purrwinger verstorben. Sie müßten sie dann heute im Laufe des Tages zum Friedhof nach Oberbürgeldingen in Oberfranken überführen. Ein kleiner Friedhof in einer kleinen Gemeinde, aber da stammt Frau Eleonore her und es war ihr Wunsch dort begraben zu werden.“

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Ich nicke und will ihm erklären, daß wir das machen können, würde mich gerne in irgendeiner Weise einbringen, doch Herr Purrwinger sieht in mir offensichtlich einen dienstbaren Erfüllungsgehilfen. Gut, den gebe ich gerne, der Kunde ist König und ein Herr Purrwinger ist sichtlich gewöhnt, der Kaiser zu sein.
Oft genug komme ich in Familien und Häuser und bin ganz erkennbar der Einzige der des Lesens und Schreibens mächtig ist, hier ist das anders. Purrwinger ordnet an, ich habe mir das zu merken und gemäß seinen Wünschen auszuführen.

„Um 13 Uhr haben wir gegessen, es kommen noch Willibald und Ruthlinde mit ihren Kindern. Um Punkt 14 Uhr erfolgt dann die Überführung und morgen früh ist die Aufbahrung in Oberbürgeldingen. Eine Trauerfeier wird es hier in der Sankt Popanz-Kirche geben, Geistlicher Rat Monsignore Schmöllermann wird die Messe lesen und vorne wird ein Gemälde mit dem Bild meiner Mutter stehen. Um die Trauerfeier kümmert sich komplett das Blumenhaus Müller, da haben Sie nichts mit zu tun.“

Es gelingt mir, endlich mal etwas zu sagen und ich frage ihn, was denn seiner Meinung nach noch unsere Aufgaben sind.

„Sie überführen meine Mutter mit dem Sarg, das war’s.“

„Ja und wie ist das mit dem Sarg, möchten Sie sich den im Katalog aussuchen oder…“

Er unterbricht mich: „Unfug! Eiche, groß, schwer, dunkel, lassen Sie mir zwei, drei Modelle vorbeibringen, ich wähle dann hier aus. Die Hausdame wird meine Mutter ankleiden und Sie legen sie dann in den Sarg und bringen sie nach Oberbürgeldingen. Damit endet Ihre Tätigkeit, die Sie mir dann in Rechnung stellen wollen.“

„Und die Formalitäten?…“

„Das macht alles unser Notar Dr. Schreiberling-Stempelmeier.“

„Gut, wann wäre es Ihnen recht, daß wir die Särge vorfahren?“

„Irgendwann vor dem Essen, das wird nicht lange dauern.“

Er steht auf, reicht mir seine Hand und ehe ich noch richtig kapiere, ist er durch die Tür verschwunden, die vom falschen Herrn Purrwinger aufgehalten wird, der mich anschaut, als sei ich ein lästiger Messerschleifer oder Teppichverkäufer, der sich jetzt bitte unverzüglich selbst zu entsorgen habe.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#purrwinger

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