Geschichten

Röschen und Kalli 2

Die Geschichte vom früheren Nachmittag geht weiter:

Kalli ist inzwischen bei uns eingetroffen und eigentlich wollte ich mich entspannt zurücklehnen und abwarten, wie sich dieser Fall morgen weiter entwickelt. Doch die Sache hat eine unangenehme Wendung bekommen.

Vor wenigen Minuten hat mich der Vater des Verstorbenen gemeldet. Er habe erfahren daß sein Sohn gestorben sei und trotz seiner 83 Jahre wolle er die Sache nun in die Hand nehmen.

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„Da war aber schon jemand da und hat soweit schon alles geregelt“, sage ich vorsichtig.

„Jaja, da kann ja jeder kommen, es ist ja wohl selbstverständlich, daß ich mich selbst darum kümmere. Sie müssen wissen, mein Sohn ist krank gewesen.“

„Das weiß ich, man sagte mir, er habe Diabetes gehabt…“

„Ach was, daran ist er bloß gestorben. Der hatte diese andere Krankheit, Sie wissen schon.“

Ich stelle mich dumm und frage: „Nein, ich verstehe nicht.“

„Der hatte diese, diese… na eben diese Männerkrankheit, meine Güte.“

Soll ich dem alten Mann, der offensichtlich mit der Homosexualität seines Sohnes nicht zurechtkommt und auch nichts davon weiß, jetzt sagen, daß er ein bornierter Blödmann ist?

Das kann ich nicht. Wenn ich richtig verstanden habe, dann waren Röschen und Kalli verpartnert, sind also vor einem Standesbeamten eine der Ehe ähnliche gesetzlich gültige Bindung eingegangen. Damit verbunden ist, daß Röschen nunmehr -soweit mein Kenntnisstand- auch der Bestattungspflichtige und -berechtigte ist. Genau das muß ich dem alten Herrn nun klar machen: „Bitte verstehen Sie, daß der Lebenspartner Ihres Sohnes bei mir war und uns bereits einen Auftrag erteilt hat. Wenn Sie möchten, kann ich mit Herrn Rose sprechen, ob Sie nicht morgen bei der Besprechung dabei sein können und wir….“

„Sind Sie ruhig! Sie glauben doch wohl nicht allen Ernstes, daß ich mit diesem Sexverbrecher an einem Tisch sitzen werde! Dieser Mann hat meinen Sohn doch erst krank gemacht, der hat ihm doch eingeredet so zu sein. Ich habe schon das Beerdigungsinstitut xyz beauftragt, die werden meinen Sohn bei Ihnen wieder abholen und dann regele ich alles Weitere.“

Damit legt er auf und läßt mich ziemlich überrascht zurück.

Als Nächstes rufe ich mal beim Kollegen XYZ an. Der ist nicht besonders kooperativ und sagt auch bloß sinngemäß ‚Auftrag ist Auftrag!‘. Ich erkläre ihm, daß ich aufgrund der Rechtslage die besseren Karten habe und hörbar zähneknirschend willigt Herr XYZ ein, erstmal abzuwarten, bis die Lage sich geklärt und entspannt hat.

Jetzt muß ich noch ein bißchen in dieser Sache telefonieren.


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Kategorie: Geschichten

Die teils auch als Bücher erschienenen Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Sie haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Ähnlichkeiten mit existierenden Personen sind zufällig, da Erlebnisse nur verändert-anonymisiert wiedererzählt werden.


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 22. Oktober 2007 | Revision: 26. Januar 2025

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