Sterben + Trauer

Sagt man Angehörige oder Zugehörige? (Und was sind Zugehörige überhaupt?)

Mann am Grab

Im Bereich der Pflege, der Sterbebegleitung und der Bestattung höre und lese ich immer öfter den Begriff „Zugehörige“. Gemeint sind die Menschen, die der*dem Kranken oder Sterbenden nahe stehen, sich kümmern, schließlich auch trauern. Ich selbst verwende den Begriff auch hin und wieder, denn er spiegelt für mich die Realität von Pflegebedürftigen und Sterbenden besser wider: Nicht immer sind es (nur) die Verwandten, die sich kümmern und der*dem Kranken oder Sterbenden nahe stehen. Manchmal gibt es gar keine engen Angehörigen mehr. Manchmal steht man sich nicht nahe, hat sich vielleicht sogar verstritten oder wohnt einfach weit voneinander entfernt. Und manchmal gibt es zusätzlich zu den Verwandten andere Menschen, die eine ganz wichtige Rolle spielen: Freund*innen, Patenkinder, Vertraute. Und die dürfen nicht vergessen werden.

Warum das Umfeld in der Hospizarbeit so wichtig ist

Der Tod betrifft nur in seltenen Fällen den Sterbenden alleine. Das ist höchstens dann der Fall, wenn jemand überhaupt keine Kontakte pflegt, keine Angehörigen mehr hat und dann irgendwo alleine und vergessen stirbt. Zum Glück ist das eher die Ausnahme. In den meisten Fällen gibt es ein Umfeld, das mit dem Tod eines lieben Menschen zurechtkommen muss. Dieses nahe Umfeld, die Vertrauenspersonen des Sterbenden, die sind von zentraler Bedeutung, auch in der Hospizarbeit.

Zum einen wollen die meisten Menschen in ihren letzten Wochen, Tagen oder Stunden vertraute und liebende Personen um sich haben. Das zu ermöglichen und den Rahmen dafür zu schaffen, gehört mit zu den Zielen einer gelungenen Hospizarbeit.

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Und zum anderen sind es genau diese Personen, die später mit dem Verlust weiterleben müssen. Ihre Erfahrung mit dem Sterben kann über Jahrzehnte hinweg nachwirken:

  • Haben sie es als friedlichen, „schönen“ Tod erlebt, in dem die Bedürfnisse des Sterbenden (und ihre eigenen) berücksichtigt werden konnten? Dann werden sie viel leichter damit zurechtkommen, sich vielleicht sogar in positiver Weise mit dem Thema Tod auseinandersetzen.
  • Oder haben sie einen qualvollen, schrecklichen, fremdbestimmten Tod erlebt, in dem sie nicht gehört wurden? Dann werden sie dieses Bild vermutlich noch sehr lange im Gedächtnis haben.

Diese Erfahrungen können sogar dafür entscheidend sein, welches Bild vom Tod sie ihren Kindern weitergeben. Wenn es also gelingt, das Sterben auch für die Verwandten und Freunde so erträglich wie möglich zu machen, hat das auf lange Sicht auch gesellschaftliche Auswirkungen.

Verwandt, verschwägert, befreundet, benachbart – mir doch egal!

Wenn wir uns nun also dieses Umfeld eines Menschen anschauen, dann reden wir von denjenigen, die ihm*ihr am nächsten stehen. In welcher Beziehung sie nun stehen, ist mir dabei völlig wurscht. Das kann der Partner oder die Partnerin sein, und zwar unabhängig vom Ehestatus. Das können Kinder, Stiefkinder, Geschwister, Eltern, Tanten, Onkel oder Cousinen sein. Oder eben auch Freund*innen, Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen. Wenn sie dem*der Sterbenden nahe stehen und er*sie sie um sich haben will, soll es mir recht sein. Dann ist der Familienstand ja unbedeutend.

Ein weiterer wichtiger Aspekt dabei: Dass Angehörige beim Verlust eines nahen Verwandten trauern, scheint allen selbstverständlich. Dass Freund*innen und andere enge Vertraute jedoch genauso trauern können, wird dabei schnell vergessen. Der Begriff „Zugehörige“ schließt sie bei allen Überlegungen aber mit ein. Der Verwandtschaftsgrad ist natürlich an allen Stellen wichtig, an denen es um Bürokratie geht. Wer ist erbberechtigt, wer zahlt die Bestattung, wer darf im Krankenhaus Informationen bekommen? Da sind die Regeln relativ klar festgelegt. Doch an allen anderen Stellen, die sich mit dem Sterben und der Trauer beschäftigen, ist der Verwandtschaftsgrad oder dessen Nichtvorhandensein irrelevant.

Der Osnabrücker Trauerbegleiter Thomas Achenbach hat sich im September in seinem Blog ebenfalls mit diesem Thema auseinandergesetzt und einen sehr lesenswerten Text geschrieben: https://trauer-ist-leben.blogspot.com/2020/09/warum-sagt-man-zugehorige-statt.html

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich mag den Begriff „Zugehörige“ und finde ihn sehr sinnvoll. Wie geht es euch damit?

Bildquellen:

  • funeral-2511124_640: Bild von Johana Peña auf Pixabay

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(©si)