Branche/Kommune

Schlechtbezahltester Job

Vorne raus

Leichenwäscher werden extrem gut bezahlt. Für die unangenehme Arbeit, die sie ausüben, bekommen die hartgesottenen Männer ein unglaubliches Geld.

So zumindest glauben es viele Menschen auch heute noch, denn diese Aussage ist eine der ältesten und hartnäckigsten urbanen Legenden.

Für viele ist die Vorstellung an den Umgang mit einem Verstorbenen ein ganz schrecklicher Gedanke. Ich erlebe immer wieder, wie Menschen sich unwillkürlich schütteln und ganz offen ihre Abscheu zeigen, wenn auch nur das Wort Leiche fällt.
Auch in Krimisendungen wird das immer wieder thematisiert, beispielsweise dann, wenn ein junger Kriminalbeamter „seine erste Leiche sieht“. Auch die spitzen Schreie von Schauspielerinnen, die eine Leiche entdecken, sind eine Erfindung des Films.

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Dabei ist der Anblick einer Leiche zunächst einmal überhaupt nichts Besonderes, es ist und bleibt ein Mensch. Ein gerade Verstorbener wird in den meisten Fällen aussehen wie ein Schlafender, er riecht nicht anders, er sieht normalerweise auch nicht schrecklich aus, er tut nichts und gibt auch keine Geräusche von sich.

Ich habe mal in einer Fernsehdiskussion gesagt, dass Pflegekräfte den wesentlich schwierigeren Part haben. Sie kennen den Menschen, sie erleben ihn noch atmend, sprechend, sich bewegend. Sie müssen unter Umständen das Sterben miterleben und haben vorher oft mit einer hygienisch schwierigen Pflegesituation zu tun.

Ein Bestatter kannte den Verstorbenen meist gar nicht und kann noch nicht einmal eventuell durch den Tod eingetretene Veränderungen der Gesichtszüge erkennen, weil er gar nicht weiß, wie der Mensch zu Lebzeiten ausgesehen hat.

Früher gab es auf den Friedhöfen Leute, die den Verstorbenen den letzten Dienst erwiesen haben. Noch bevor Bestatter das hauptberuflich machten, erledigten Leichenfrauen, Totengräber und Friedhofswärter das Waschen und Ankleiden der Toten.
Pragmatisch, ohne großes Theater und für ein kleines Entgelt.

Die „Leichengretel“, der „Friedhofs Karl“ oder die „Sarg-Luzie“, das waren Menschen, die diese Arbeit übernahmen. Es mag nicht die schönste Arbeit sein, einen Leichnam zu entkleiden, ihn zu waschen und zu kämmen und dann wieder anzukleiden, aber es ist eine durchaus erfüllende Tätigkeit.
Wenn der Verstorbene hinterher schön im Sarg liegt, wenn die Angehörigen ihn ohne Schrecken anschauen können, das erfüllt die „Leichenwäscher“ mit Stolz.

Etwas Schreckliches oder Abstoßendes gibt es da wirklich nicht.

Doch eins ist ganz gewiss: Gut bezahlt wurden diese Menschen noch nie.

Heute übernehmen Bestatter diese Arbeit. Sie nennen das hygienische Versorgung, machen noch ein bißchen mehr oder auch viel weniger. Oft genug wird heute gar nicht mehr gewaschen, weil die Verstorbenen bestens gepflegt übernommen werden können. Dann wird nur noch etwas desinfiziert und gekämmt.
Wenn das gut ausgebildete Bestattungsfachkräfte oder der Bestatter selbst erledigen, wird die Bezahlung stimmen. Schließlich rechnet der Chef dafür zwischen 150 und 500 Euro ab.

In ganz vielen Fällen aber erledigen diese Arbeiten Anlernkräfte, Bestattungshelfer oder Aushilfen. Und hier kommt einmal mehr der Mindestlohn ins Spiel.

Neulich las ich im Wikipedia-Artikel über den Kellnerberuf folgendes:

Kellner üben einen der schlechtbezahlten Berufe in der Bundesrepublik Deutschland aus, denn sie erhalten meist lediglich den Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 MiLoG). Deshalb ist das Trinkgeld eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle.1

Ist ja gut, dass dieser Wikipedia-Autor auf die schlechte Bezahlung ausgerechnet der Kellner hinweist, aber er hat wohl den Mechanismus nicht ganz verstanden. In manchen Berufen ist die Bezahlung nur mit dem Mindestlohn gerade deshalb so schlecht, weil die Trinkgelder von vornherein auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einkalkuliert werden. Es würden sich doch schlichtweg noch weniger Menschen finden, die in der Gastronomie oder als Friseurinnen und Friseur arbeiten wollten, wenn sie allein auf den geringen Mindestlohn angewiesen wären. Die Trinkgelder und bei den Friseuren selbstverständlich auch die Möglichkeit des nebenberuflichen Schwarzarbeitens werden doch ganz klar mit einkalkuliert. Wer das nicht weiß, hat irgendwas nicht mitbekommen.

Um Himmels willen, ich möchte die Entlohnung von Bedienungen und Friseuren nicht gutreden. Zu wenig ist zu wenig und bleibt zu wenig.

Worum es mir geht, ist die Tatsache, dass es darüberhinaus auch noch eine Menge Berufe gibt, in denen der elende Mindestlohn2 die alleinige Einnahmequelle bleibt.
Weshalb der elende Mindestlohn? Weil sich jeder, der auch nur 2 Jahre Rechnen in der Schule hatte, ausrechnen kann, dass dieser Mindestlohn eine Schande ist.
Ein gesetzlich verankerter Mindestlohn muss es einem vollzeitig beschäftigten Menschen ermöglichen, davon ein auskömmliches Leben führen zu können. Der Mindestlohn müsste es möglich machen, Miete, Lebensmittel, Nebenkosten und den sonstigen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Außerdem muss er so viel soziales Gegengewicht haben, dass aus ihm eine ausreichende Altersversorgung entstehen kann, die ein Alter ohne Armut, ohne Tafel und ohne Pfandflaschensammeln ermöglicht. Nur das wäre angemessen, gerecht und richtig.

Von hart Arbeitenden, die nur den Mindestlohn bekommen, auch noch zu verlangen, sie sollten davon gefälligst Aktien, ETFs oder Kryptowährungen kaufen, Riester- oder Rürup- oder sonstige Versicherungen abschließen, ist nichts weiter als eine Verhöhnung der künstlich arm gehaltenen Menschen.

Der Mindestlohn ist in Deutschland nichts weiter als die Abgrenzung von noch niedrigeren Ausbeutungslöhnen von dem eben noch vom Staat geduldeten Minimalverdienst. Und selbst den gewährt man nicht allen. Behinderte, Gefangene und Heimbewohner müssen für weitaus weniger als diesen Schundlohn arbeiten.

Natürlich muss es irgendeinen Mindestlohn geben, dessen Unterschreitung verboten ist. Es wird auch immer Leute geben, die nicht mehr als den Mindestlohn verdienen. Verdienen hier im Sinne von „zu beanspruchen haben“. Menschen ohne jede Ausbildung, Leute, die nicht lesen und schreiben können, alle diejenigen, die nur ganz einfache Tätigkeiten ausführen können. Ich sage nicht, dass diese Menschen es nicht besser verdient hätten, aber irgendwo muss es ja auch einen Unterschied zu denjenigen geben, die irgendwas können.

Aber egal wie: Der Mindestlohn hat einen ganz schlimmen Nebeneffekt. Er soll zwar verhindern, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern noch geringere Löhne zahlen. Aber fast durchgehend wird der Mindestlohn, weil er ja gesetzlich festgelegt ist, sozusagen als staatliche Empfehlung, Vorschrift oder eben schlichtweg als das Normale angesehen.

Vor allem im Bestattungswesen habe ich es ganz oft erlebt, dass Mitarbeiter sogar auf den Mindestlohn zurückgestuft worden sind, bzw. neue Mitarbeiter nur noch zu Mindestlohnbedingungen eingestellt wurden, obwohl vorher bereits 15 oder 18 Euro gezahlt wurden. „12,82 Euro! Das ist ja jetzt Gesetz!“

Nee, ist es nicht! Der Mindestlohn liegt derzeit (Stand 4/2025) bei 12,82 €/Stunde.
Wenn Du weniger als den Mindestlohn bezahlst, bist du ein krimineller Arsch.
Wenn Du nur 1 Cent weniger als diese 12,82 € zahlst, zahlst Du zu wenig und das ist Scheiße.
Und Du glaubst doch nicht, dass Du nur deshalb kein Arsch mehr bist, und Dein Handeln nicht mehr Scheiße ist, nur weil Du einen Cent mehr bezahlst?

Unsere Politiker tun sich schwer, 15 Euro Mindestlohn vorzuschreiben. Sozialexperten fordern gar 18 oder 19 Euro, damit am Ende was hängen bleibt.

Mir ist es durchaus bewusst, dass kleine Selbständige große Schwierigkeiten haben können, selbst den Mindestlohn für ihre Angestellten zu erwirtschaften. Mir ist da eine Friseurmeisterin in Erinnerung, die im Fernsehen sagte, sie müsse bald ihren Laden schließen, weil sie die Löhne nicht mehr zahlen könne.
Dann wechselte die Kameraperspektive und man konnte spiegelverkehrt die Schaufensterbeschriftung lesen: „Haircut men 12 Euro“.

Wir reden hier aber nicht von Kellnerinnen und Friseuren, sondern von Mitarbeitern von Bestattungsinstituten. Bestatter haben eine hohe Umsatzrendite und große Gewinnmargen. Hier gibt es keinen Grund, die Mitarbeiter mit dem Allermindesten abzuspeisen. Der Mindestlohn ist keine gesetzliche Empfehlung, sondern die Grenze, die einen davor bewahrt, ein Arsch zu sein. Ein anständiger Chef ist man erst ab 18 Euro und mehr.


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Die Bestattungsbranche bietet viele Facetten. Bestatter arbeiten mit Verwaltungen, Friedhöfen und Kirchen, sowie Subunternehmern zusammen.

Hier finden Sie meine Berichte und Kommentare zur gesamten Bestattungsbranche.


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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. April 2025

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